10/Ehrenmitglied

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Hendrik

Verzweifelt trommele ich mit meinen Fäusten in mein Kissen. Ein Schrei verlässt meinen Mund, der aber nur gedämpft an meine Ohren dringt. Brodelnder Hass wuchert in meinem Herzen, gefolgt von einem unerträglichen Schmerz, der mich von innen aufzufressen droht.

Ich dachte nicht, dass es schlimmer kommen kann. Mein Herz ist doch sowieso schon nur noch ein einziger Haufen von Bruchstücken.

Das Gespräch mit Marianna und Mama endete abrupt, nachdem ich einfach weggerannt bin. Der Situation entflohen bin, weil ich einfach nicht wusste, wie ich mit dem Schmerz umgehen soll. Außerdem hätte Mama sowieso nicht mehr viel erzählt, weil die Tränen nur so über ihre Wangen kullerten und sie in Mariannas Armen nach Trost suchte.

Im Moment weiß ich einfach nicht, wohin mit mir.

„Hey Alter,

Hast du Zeit für mich? Es passiert gerade so viel...

Ach weißt du was?

Melde dich einfach, ob du quatschen magst oder nicht."

Zittrig tippe ich eine WhatsApp an David und lasse mich dann wieder in das Kissen sinken.

Ich versuche noch immer zu begreifen, aber egal wie ich es mir zurecht drehe, es ergibt immer keinen Sinn. Jahrelang wurde ich von meinen Eltern angelogen. Sie haben mich anscheinend adoptiert und mir gegenüber nie ein Wort darüber verloren. Ist das überhaupt legal? Sollte es nicht jedem Menschen zustehen, dass er weiß, woher er kommt?

Ich liebe Mama und Papa von Herzen. Aber alleine die Tatsache, dass Papa mich so offensichtlich nicht mehr wollte, nachdem er die Wahrheit erfahren hat, schmerzt. Eine Adoption war scheinbar immer geplant, aber ich muss das Kind von jemanden sein, den Papa nicht ausstehen kann. Wieso sonst stößt er mich seit einundzwanzig Jahren von sich? Ist es doch möglich, dass ich Hermanns Sohn bin und Marianna meine Mutter?

Die Gedanken schwirren nur so in meinem Kopf und je mehr ich versuche, sie zu verdrängen, desto eher stoßen sie wieder an die Oberfläche.

„Hey Hendrik,

Ich bin nicht zuhause, aber in Papas Haus. Wenn du magst, dann kannst du gerne dort vorbeikommen. Ehrlich gesagt, könnte ich etwas Gesellschaft gerade sehr gut gebrauchen."

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„Ich bin adoptiert", platzt es nur so aus mir heraus, nachdem David mich ins Haus seines Vaters gelassen hat. Ich habe es mir nicht nehmen lassen und bin gleich nach seiner Nachricht zu ihm gefahren. Dieses Mal mit dem Mercedes, den sonst Mama immer fährt. Sämtliche Umzugskartons stapeln sich im Flur und auch im Wohnzimmer. Die Couch steht noch und sofort lasse ich mich darauf plumpsen. „Oh Gott, es tut mir so leid... Es hat sich so viel... harmloser in meinen Gedanken angehört."

„Wie bitte?", fragt David entsetzt, während er sich mit feuchten Augen neben mich sinken lässt. „Verdammt, was geht gerade wieder für ein Kack bei uns ab? Weißt du, wer deine richtigen Eltern sind? Das hört sich so absurd an. Helga und Holger haben dich groß gezogen...Verdammt. Ich glaube wir sollten den Club der kaputten, herzgefickten Teenies wieder einführen, nur dieses Mal nennen wir uns den Club der zwei Buddys, deren Leben gerade wieder total am Rad dreht... Wenn du reden willst, dann gib Bescheid. Ansonsten können wir Paps Sachen zusammenpacken oder auch einfach nur hier gammeln. Wie es dir recht ist."

„Das umschreibt es richtig gut. Ich bin natürlich gleich Ehrenmitglied in diesem neuen Club." Ich versuche mich an einem Grinsen. „Wie geht es dir? Magst du reden?"

„Ich glaube nicht", meint David und zuckt mit den Schultern. „Irgendwie wollen mich gerade alle trösten. Ich fühle mich so eingeengt. Ich weiß, wie beschissen es sich anfühlt, wenn deine Versuche jemanden zu trösten nicht anschlagen und ich will Marina ja an mich heranlassen, gerade deswegen... Aber ich kann es einfach nicht. Es fühlt sich so... falsch an. Nichts, das ich wirklich beschreiben kann. Verstehst du?"

„Ich glaube schon", schniefe ich. Ich kann die Tränen, die gesehen werden wollen einfach nicht mehr zurückhalten. „Ich glaube ich würde verbluten, wenn ich Caroline jetzt gegenüber stehen müsste. Wirklich vergleichbar mit der Situation zwischen Marina und dir ist es zwar nicht, aber ich kann dich trotzdem so gut verstehen, weil ich selbst nicht weiß, wie ich reagiere, wenn ich wieder vor Mama stehe und noch einmal mit der Adoptionssache konfrontiert werde. Es geht dir mit Tobias' Tod mit Sicherheit genauso."

„Und dann ist da ja auch noch die Sache mit dem Mädchen. Du weißt schon, ich habe dir doch diese WhatsApp geschickt...Was ist, wenn sie gar nicht Paps Tochter ist, sondern meine.  Du weißt ja, dass ich Marina und ihn damals mit Vanessa betrogen habe... Vom Alter der Kleinen könnte es... passen. Es tut so weh alleine darüber nachzudenken. Ein weiterer Grund warum ich gerade versuche Marina aus dem Weg zu gehen. Es macht es für den Moment einfacher, auch wenn ich weiß, dass es nicht richtig ist."

„Es hört sich echt beschissen an. Aber irgendwie tut es richtig gut, dass es nicht nur mir so schlecht geht. Hast du Bock, dass wir eine Runde um den Block rennen? Ich bin zwar ziemlich eingerostet, weil ich in Malle fast immer nur in der Sonne gegammelt habe, aber was solls?"

„Da bin ich auf jeden Fall dabei. Ich brauche sowieso eine Pause, sonst breche ich hier gleich wieder heulend zusammen."

„Ich bin immer für dich da, David. Ich war ein egoistischer Idiot, aber das ist jetzt vorbei..." Meine Stimme zittert etwas, weil die Emotionen in mir erneut aufkochen.

„Jeder darf ab und an egoistisch sein. Du bist mein bester Freund und wirst das auch immer bleiben... Aber jetzt genug mit der Gefühlsduselei. Auf drei geht's los... Bist du bereit?"

In Your Eyes (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt