23/Diese Glücksgefühle

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Tabea

Schon wieder starre ich auf mein Handy, aber wie auch die letzten Male davor, ist keine neue Nachricht oder ein Anruf von Hendrik eingegangen.

Langsam mache ich mir etwas Sorgen...

Wobei ich ihm ja sehr deutlich gemacht habe, dass ich keine Gefühle für ihn habe und auch niemals welche entwickeln werde. Also in dieser Sache habe ich mich wohl selbst angelogen und darf jetzt mit den Konsequenzen leben.

So auch mit dem drückenden Gefühl in meinem Brustkorb, das wahrscheinlich nur dort ist, weil ich mir etwas Sorgen um Hendrik mache. Alles in mir zieht sich schmerzhaft, aber auch erregt zusammen, als ich an die Momente mit ihm denke. Der Sex war grandios und die langen Gespräche, die zwar betrunken stattgefunden haben, aber an die ich mich alle erinnern kann.

Im Gegensatz zu ihm wahrscheinlich.

Mit Sicherheit kann er sich nicht mehr daran erinnern, dass er mir seinen ganzen Schmerz gestanden hat. Angefangen von Caroline, bis zu der Tatsache, dass sein Vater derart gefühlskalt zu ihm ist.

Unvermittelt schießen mir Bilder in den Kopf.

Ich sehe meinen sturzbetrunkenen Vater, der vor Wut nur so tobt und mit uns Kindern schimpft, ehe er in dem Zimmer meiner älteren Zwillingsschwestern verschwindet und es für eine Zeit furchtbar ruhig ist...

Schnell schüttele ich mich. Mein Atem ist schneller geworden und panisch blicke ich mich um. Nach und nach realisiere ich, dass ich nicht mehr das hilflose kleine Mädchen von damals bin, das sich die Finger in die Ohrmuscheln gedrückt hat, wenn der Papa mal wieder ausgerastet ist...

Ich bin hier im Haus meines Bruders, der eigentlich immer für mich da war. Selbst jetzt noch, wo ich längst erwachsen bin und eigentlich auf eigenen Beinen stehen sollte. Aber er hat mich erneut aufgefangen, als mein Leben etwas aus den Fugen geraten ist.

Was würde ich nur ohne Torben tun?

Mein Handy klingelt und zittrig nehme ich es in die Hände. Als ich den Namen des Anrufers lese, vollführt mein Herz einen kleinen Salto, ehe es stürmisch zu trommeln beginnt.

Hendrik!

„Ja...aa", melde ich mich etwas stotternd, versuche mir das aber nicht anmerken zu lassen, Er darf unter keinen Umständen mitkriegen, wie sehr ich mich über seinen Anruf freue. Noch weniger, wie nervös und hibbelig ich deswegen bin.

„Tabea?", vernehme ich ihn. Seine Stimme ist leise und wirkt, als wäre er sehr weit entfernt.

Hoffentlich hat er nicht schon wieder getrunken! Eine Zeitlang dachte ich, dass ich damit meine Probleme und die Vergangenheit zum Schweigen bringen kann, aber mehr und mehr realisiere ich, dass das nicht die Lösung sein kann. Nicht dauerhaft zumindest.

„T..Tabea?", bricht es erneut aus ihm heraus, begleitet von einem Schluchzen.  Im nächsten Moment ist es furchtbar still, nur ab und an höre ich seinen angestrengten und abgehackten Atem.

„Hendrik?", frage ich unsicher. Am liebsten würde ich zu ihm fahren, alles drängt mich zu ihm und seine bitteren Tränen, die er verstecken möchte und die ich jetzt trotzdem durch den Lautsprecher hören kann, tun mir weh. Wie gerne würde ich ihn trösten und den ganzen Abend in meinen Armen halten.

„Vergiss es", sagt er nach einer Weile wieder ziemlich gefasst. „Es war eine blöde Idee dich anzurufen. Ich weiß nicht einmal warum ich das getan habe. Am besten ist es, wenn..."

„Ich habe sturmfrei", unterbreche ich ihn. Dieses Gespräch darf einfach nicht zu Ende sein. Zu sehr sehne ich mich nach seiner Berührung und auch wenn ich ihn weiter anlügen muss, nehme ich jede Sekunde, die ich mit ihm haben kann.

Mehr habe ich auch nicht verdient.

„Ist es okay, wenn ich... Soll ich vorbeikommen?", dröhnt seine Stimme in mein Ohr und ich zucke zusammen. Für einen Moment war ich wieder total abwesend.

„Ich bin die ganze Nacht alleine. Mein Bruder und seine Verlobte sind noch auf Geschäftsreise", antworte ich zittrig, versuche aber meine Stimme ganz normal klingen zu lassen. Die Vorfreude Hendrik bald wieder in den Arm nehmen zu dürfen und intim mit ihm zu werden, macht mich schwach. Alleine bei dem Gedanken wird mir heiß und kalt gleichzeitig und ich bin froh, dass ich auf der Couch sitze, weil mein Kreislauf mich sonst sicher im Stich lassen würde.

„Ich mache mich auf den Weg", höre ich ihn wispern. „In einer halben Stunde bin ich bei dir."

Ich lächele in mich hinein, obwohl ich am liebsten vor Vorfreude aufschreien und dazu noch ein kleines Tänzchen aufführen könnte.

„Bis gleich", sage ich noch, ehe ich auflege.

Tief in mir schreit alles, dass das eine ganz blöde Idee ist und ich es am besten sein lassen sollte.

Aber im Moment kann ich mich einfach nicht gegen die Sehnsucht wehren, die siedend heiß in mir aufkocht und mein bescheuertes Herz zum Durchdrehen bringt.

Ich will doch einfach nur diese Glücksgefühle auskosten, die mich wie ein Honigkuchenpferd zum Grinsen bringen...

In Your Eyes (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt