11/Nachteule

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Hendrik

Auf den kurzen Euphorie Schub folgt das tiefe Loch, in das ich jede Sekunde fallen kann. Es ist fast, als wäre da ein gigantischer schwarzer Strudel, der sich vor mir aufbaut und mich wie ein wehrloses Etwas in seinen Schlund zieht. Die Dunkelheit ist Schmerz und Fassungslosigkeit. Leere und Traurigkeit.

David ist der beste Freund, den man sich wünschen kann. Aber wir sind keine Kinder mehr. Er hat jetzt seine eigene Familie, ist für seine beiden Jungs und Marina verantwortlich. Und muss nebenbei mit genauso viel Müll umgehen, wie ich. Nur eben anders... Da fällt die Option, dass ich an seiner Seite klebe, wie eine Zecke, die sich in etwas verbeißt, weg.

Dabei kenne ich nur das. So war es immer gewesen. Wenn es uns nicht gut ging, waren wir nur im Doppelpack aufzufinden. Tage- und nächtelang, weswegen wir eine Weile sogar zusammen im Dachgeschoss von Mama und Papa gewohnt haben, ehe David mit Marina zusammenzog.

Wo ich jetzt auch gammele... Mit den Straßenklamotten liege ich im Bett und versuche meine Gedanken abzuschalten, um endlich in den Schlaf zu finden. Aber alles, was ich stattdessen sehe, ist nur dieses gigantisch schwarze Loch, das mich magnetisch anzieht.

Ich hatte mir immer Kinder mit Caroline gewünscht, aber sie hat schon immer etwas anderes vom Leben gewollt, als ich. Ständig war sie Party machen, was mir eine Weile auch ziemlich gut gefiel, aber irgendwann erhoffte ich mir mehr, während sie auf der Stelle stehen blieb. Und jetzt sitze ich alleine hier und versuche verzweifelt gegen den Drang anzukämpfen, mich selbst zu bemitleiden.

Tabea..

Wie ein Geistesblitz kommt mir ihr Name. Wenn ich sie anrufe, dann wird sie vielleicht vorbeikommen. Gegen eine schnelle Nummer habe ich nichts, die Abwechslung ist mir auf jeden Fall willkommen und auch der Fakt, dass ich für einen kurzen Moment nicht allein sein werde.

Zum Glück scheint sie eine Nachteule zu sein, vielleicht hat sie auch dasselbe Problem wie ich und kann nicht in den Schlaf finden. Keine Ahnung. Mir ist es auf jeden Fall recht, dass sie zusagt und sich gleich auf den Weg zu mir macht.

Wie es wohl Caroline geht? Mit Sicherheit bestens! Seit der WhatsApp habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ob sie noch auf eine Antwort von mir hofft? Sollte ich mich bei ihr melden? Zumindest, um ihr zu sagen, dass ich nicht wieder zurückkomme? Mein Herz vermisst sie noch immer so schrecklich. Ich kann nicht einmal etwas dagegen tun. Am liebsten würde ich es mir rausreißen. Es ist doch sowieso nur noch ein Haufen Schrott. Gebrochen und das nicht nur einmal...

Ich hatte vergessen, dass es Marianna ist, die den Besuch in das Haus hineinlässt. Das hat sich in den Jahren irgendwie so eingebürgert, obwohl ich es nie verstanden habe. So reich sind wir dann ja auch wieder nicht. Und auch jetzt, um halb zwei in der Nacht, taucht sie mit Tabea im Schlepptau in meinem Reich auf.

„Besuch für dich, Hendrik", wispert Marianna. Ihr müdes Gesicht schaut mich an und alles darin erhofft sich eine Aussprache. Ich habe Mama und sie einfach stehen gelassen und eigentlich sollte ich mich mit den beiden aussprechen, alleine wegen der vielen offenen Fragen, die mich plagen. Aber mein Stolz ist stärker und ich wende meinen Blick von ihr ab, während ich sage: „Danke, Marianna. Bitte lass uns jetzt alleine."

„Ziemlich nobel die Hütte", sagt Tabea und pfeift dann. „Und ihr habt sogar eine Haushälterin..."

„Ja. Aber deswegen bist du nicht hier, oder?", frage ich ungeduldig. Die Sehnsucht, den Schmerz in mir für einen Moment zu vergessen, ist übermächtig und wie ausgehungert stürze ich mich auf die Blondine. Heute Nacht trägt sie trotz der Kühle nur ein kleines Schwarzes, was ihre weiblichen Rundungen perfekt in Szene setzt. Mein Penis erwacht sofort und drückt sich innerhalb von Sekunden schmerzhaft gegen meine Jeans.

Der Sex dauert nicht lange, weil wir so aufgeheizt sind und sofort nach dem Orgasmus kehrt die Leere wieder zurück. Wie ein Schlag in die Fresse fühlt es sich an. Tabea liegt nackt und befriedigt neben mir im Bett, während ihr Kopf auf meiner Brust liegt.

Jetzt muss ich mir nur überlegen, wie ich sie so schnell wie möglich wieder loswerde, weil sie im Moment nicht den Anschein macht, dass sie verschwinden will.

„Wir könnten noch zu meinem Bruder gehen", schlägt sie urplötzlich vor.

„Ich weiß nicht...", murmele ich. „Weißt du. Ich will nicht... mehr von dir. Du bist wirklich attraktiv, sexy und allem Anschein nach auch ziemlich nett, aber eine Beziehung..."

„Was?!", unterbricht sie mich und fängt zu lachen an. „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich mich in dich verliebt habe oder es noch tun werde? Keine Sorge... Auf sowas habe ich überhaupt keinen Nerv und verschwende ich meine Zeit auch nicht mit. Das endet immer nur im Chaos. Was ich eigentlich damit sagen wollte... Mein Bruder hat eine richtig gute Hausbar und ich dachte wir stoßen einfach mal an. Am besten auf den Fakt, dass wir beide guten Sex miteinander haben, aber keine Beziehung eingehen möchten. Bist du dabei oder bist du dabei?"

In Your Eyes (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt