Hendrik
Mr. Bean liegt auf meinem Schoß, ehe ich ihn in einen Rucksack stecke. Auf den Teddybären lege ich noch ein paar Boxershorts und zwei T-Shirts. Es ist nicht viel, aber im Ernstfall leihe ich mir was von David.
Ein paar Tage, ich weiß nicht genau, ob es schon Wochen waren, habe ich es ausgehalten und mir die Dachgeschosswohnung mit Caroline geteilt. Sie ist ziemlich zickig und hat fast jeden Tag Schmerzen, wenn sie nicht wieder die Übelkeit einholt. Es ist anstrengend auf dem Sofa zu schlafen und jeden Morgen mit Rückenschmerzen aufzuwachen und dann auch noch Caroline und Papa den ganzen Tag zu ertragen.
Jetzt ziehe ich mich aus der Verantwortung, aber ich muss einfach raus hier. Keine Sekunde länger halte ich es in der Nähe meiner Exfreundin aus. Die Gefühle für sie sind gestorben, der Schmerz will trotzdem noch nicht weggehen. Wahrscheinlich ist es auch die Sehnsucht nach Tabea, die ich versucht habe zu verdrängen, aber sie schwappt immer wieder auf.
Zu blöd, dass ich David nicht die ganze Wahrheit gesagt habe. Er ist selbst in einer sehr bescheidenen Situation und es wird so bestimmt das beste sein. Hannah ist mit aller Wahrscheinlichkeit seine Tochter und daher dachte ich, dass wenn ich mich schon bei ihm einniste, zumindest etwas für die Kleine mitbringen sollte. Mr. Bean erinnert mich viel zu sehr an meine eigene Kindheit und an die Zeit, in der noch alles im Lot war. Ich kann es einfach im Moment nicht ertragen und vielleicht hilft er ja Hannah dabei, sich ein wenig besser zu fühlen.
Außer Caroline, die im Dachgeschoss im Bett liegt und schläft, ist niemand zuhause, als ich mich aus meinem Elternhaus schleiche. Um Mama tut es mir schon ein wenig leid, aber ich kann jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Ganz sicher wird Papa alles versuchen, um mich so schnell wie möglich wieder unter seinem Dach zu haben. Jetzt, wo Caroline dort ist, interessiert ihn meine Anwesenheit plötzlich enorm...
David ist nicht zuhause und ich bin froh, dass er mir einen Ersatzschlüssel zu seinem Haus gegeben hat. Zittrig schließe ich die Haustür auf. Plötzlich fühle ich mich ganz alleine und obwohl die Ruhe gut tut, sehne ich mich nach ganz bestimmten Händen, die mich auffangen und in denen ich jetzt am liebsten liegen würde, um mich etwas ausruhen zu können. Die Gefühle für Tabea in mir, sind stark und so sehr ich kämpfe, sie sind einfach immer der Gewinner.
Beinahe wäre ich eingeschlafen, schrecke aber wieder auf, als ich Stimmen im Flur höre. Eindeutig David und ein kleines Mädchen, die nur wenige Sekunden später ins Wohnzimmer gelaufen kommen.
Hannah hat hellblonde Haare und trägt eine rote Brille auf der Nase. Ich nehme Mr. Bean und vollführe in meinen Händen ein Tänzchen mit ihm, was das Mädchen nur mit einem schiefen Grinsen kommentiert.
„Dem Teddy fehlt ja ein Ohr", empört sie sich und hat dabei beide Hände in die Seiten gestemmt. Ihr Blick ist misstrauisch, aber auch neugierig und schon wieder versetzt es mir einen Stich, weil ich unvermittelt an das ungeborene Baby in Carolines Bauch denken muss. Aber diese Traurigkeit, darf nicht an die Oberfläche, so sage ich mit einem Grinsen, das ich mir immer ins Gesicht zaubere, um nicht aufzufallen:
„Er ist eben wie George Weasley. Ein Schweizer Käse...Löchrig."
„Wer ist George Wiseli?", fragt sie sofort. „Und wie bist du hier überhaupt reingekommen? Ich habe doch gesehen, wie David vorhin abgeschlossen hat."
Jetzt beugt sie sich mir entgegen, streckt mir die Zunge raus, was ich natürlich gleich als Aufforderung ansehe und mache dasselbe. Ich schaffe es keine Minute, ehe ich in schallendes Gelächter ausbreche. Zunächst betrachtet mich Hannah etwas perplex, ehe sie los kichert und sich neben mich auf die Couch plumpsen lässt.
Das hier... Kinder sind noch so rein und unschuldig und ihr Lachen ist echt. Es ist wie eine Massage und Balsam für meine Seele.
David fragt nicht weiter nach, als ich ihn mehr oder weniger abwimmele, er nimmt es einfach hin, dass ich nicht reden möchte. Ein bisschen fühle ich mich schon schlecht, weil ich ihm noch nicht erzählt habe, was gerade wirklich bei mir los ist. Seit ich Tabea gestanden habe, dass ich Vater werde, fühlt sich einfach alles surreal an.
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Der späte Nachmittag mit meinen besten Freund und Hannah ist lustig, auch wenn ich mich komplett verstelle. David kennt mich als Spaßvogel und ja, ich war schon immer Weltmeister im Vortäuschen. Es ist nicht so, dass ich meine eigenen Interessen und Sorgen immer in den Hintergrund schiebe, aber an der Seite meines besten Freundes versuche ich immer alles zu vergessen, um einfach mal glücklich und losgelöst zu sein. In unserer Kindheit und Jugend ist mir das super gelungen und daher hoffe ich, dass ich es nicht verlernt habe.
Ich kann jetzt einfach nicht darüber sprechen...
Natürlich will Hannah wissen, warum Mr. Bean diesen Namen trägt und es macht mich etwas wehmütig, als ich daran zurückdenke, dass Mama, Papa und ich, früher öfters zusammen vor dem Fernseher gesessen haben, um dem Briten dabei zuzuschauen, wie er wieder seine Comedy vorführte. Es war eine Zeit, in der sich alles normal anfühlte und ich einfach nur ein kleiner, glücklicher Junge war.
Während dem Abendessen taucht Marina mit den Jungs auf. Es ist mir etwas unangenehm, dass ich dabei bin, also verkrümele ich mich ziemlich schnell ins Wohnzimmer, wo ich wieder mit meinen Gedanken alleine bin. Ich kann sie nicht aufhalten und obwohl ich den Fernseher einschalte und mich von irgendeinem Müll berieseln lasse, sehe ich nur Tabeas Gesicht vor mir und der intensive Blick aus ihren blauen Augen, der mein Herz zum Stolpern bringt.
Und damit kommt auch das schlechte Gewissen zurück, weil ich vor Caroline geflohen bin.
Was für ein Feigling ich doch bin!
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In Your Eyes (Band 3)
Roman d'amourHendrik ist sich sicher, dass er mit Caroline die Frau fürs Leben gefunden hat. Doch selbst im Paradies lauern Gefahren und schnell ist er die rosarote Brille wieder los. Trost sucht er bei seinem besten Freund David, der aber selbst genug mit eigen...