Hendrik
Der Flug war ätzend und obwohl er nur etwas mehr als zwei Stunden dauerte, fühle ich mich müde und mehr als ausgelaugt, als ich endlich am Flughafen in München stehe. Natürlich habe ich von meinen Eltern nichts mehr gehört und auch David werde ich ins kalte Wasser schmeißen müssen. So ist da jetzt keiner, der mir vor Freude um den Hals fällt. Nur der grimmig schauende Opa, der den Flug über neben mir saß, leistet mir am Kofferband Gesellschaft. Immer wieder höre ich ihn irgendwas murmeln, ehe endlich sein uralter Koffer auftaucht, den er sich schnappt und dann mit seinem Krückstock von dannen geht. Jetzt bin ich ganz alleine, obwohl trotzdem noch so viel Trubel um mich herrscht. Im Moment fühle ich mich mehr als fremd. Dazu ist es ist bitterkalt und regnet in Strömen, was meine Stimmung nicht gerade verbessert.
Wie gerne würde ich jetzt meine Runden im Pool drehen und mich anschließend den ganzen Nachmittag mit einem eiskalten Eistee in den Liegestuhl pflanzen.
Stattdessen friere ich in meinen kurzen Shorts und dem T-Shirt, das ich anhabe. Ich hatte vergessen, wie ungemütlich das Wetter in Deutschland sein kann.
„Wo soll es denn hingehen?", fragt der Taxifahrer, als ich endlich am Ausgang stehe und gerade dabei bin mein Gepäck in seinen Kofferraum zu hieven.
Wäre das eigentlich nicht sein Job? Aber auch egal. Hauptsache ich bin schnell zuhause.
„Neukirchen, Alte Markstraße 24. Das können sie nicht verfehlen, weil es das imposanteste Haus in der ganzen Straße ist."
„Okay", grunzt er, „Das kostet aber extra, weil wir ziemlich in die Pampa fahren."
Ich ziehe die Kreditkare von Papa heraus und als er sie sieht nickt er zufrieden. Sofort hilft er mir auch mit dem Koffer. Es ist so typisch...
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Nach der fast zweistündigen Fahrt komme ich endlich zuhause an. Ich laufe durch den penibel gepflegten Garten zu meinem Elternhaus und sehe meine Mutter, wie sie im Wintergarten auf ihrer Liege liegt und etwas liest. Der Regen hat aufgehört, dafür ist es gefühlt noch ein kleines bisschen kälter geworden. Es ist zwar erst Ende September, aber es scheint, dass der Herbst hier in Deutschland schon ziemlich an Fahrt aufnimmt. Ich drücke die Wintergartentür auf und sofort legt sich eine wohlige Wärme auf mich. Der Blick meiner Mutter richtet sich von ihrer Lektüre auf mich, ehe sie wieder darin versinkt, als wäre nichts gewesen.
Na das ist ja eine grandiose Begrüßung!
„Marianna hat dir im Dachgeschoss alles wohnlich gemacht", nuschelt sie ohne aufzublicken. „Dein Vater will dich heute Abend sprechen. Es wäre schön, wenn du dich nicht wieder vor einem Gespräch mit ihm drückst, Hendrik."
Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass ich in überschwänglicher Freude von meinen Eltern begrüßt werde, so murmele ich nur ein schnelles :" Okay, Mama", ehe ich mich auf den Weg durch den großen Flur mache und dann durch das Treppenhaus in das Dachgeschoss laufe. Mein Blick ist die ganze Zeit auf den Boden gerichtet, weswegen ich die imposante Einrichtung nicht sehen kann. Papa hat noch nie eine Gelegenheit ausgelassen, um zu beweisen, wie viel Kohle er hat. Das zeigt sich vor allem an den Zeichnungen von namhaften Künstlern, die sämtliche Wände schmücken und ihm sicherlich ein Vermögen gekostet haben.
Mein Vater hat das Brauereigeschäft, das sein Ururopa gestartet hat, geerbt. Damit fiel ihm das Vermögen quasi in den Schoß. Und obwohl es schon immer die Tradition war, dass die Söhne oder Töchter die nächsten Erben sein werden, ist das bei mir nicht der Fall. Zwar habe ich mich in meiner Jugend sehr für die Brauerei interessiert und hätte mir durchaus vorstellen können, in das Familiengeschäft einzusteigen, aber Papa wollte das nicht. Er hat einen Fremden an meinen Platz gestellt und es mit der Ausrede gerechtfertigt, dass ich noch zu grün hinter den Ohren sei, um eine so wichtige Stellung einzunehmen.
Nur kurze Zeit später kaufte er mir eine Finka in Mallorca. Ich verstand nicht gleich, dass er mich weghaben wollte, aber für ihn bin ich nur eine lästige Fliege, die ihm immer nervtötend um den Kopf schwirrt und ihm so unnötige Kopfschmerzen bereitet.
Seufzend unterbreche ich meine Gedanken und blicke mich in meinem kleinen Reich um. Lange hatte ich hier gewohnt und es ist alles so vertraut und irgendwie doch nicht. Das Schlafzimmer ist der erste Raum, den ich ansteuere. Auf dem Doppelbett liegt eine kleine Schokolade, die ich gleich in die Hand nehme und mir dann in den Mund schiebe. Ich entledige mich meiner Klamotten, die ich achtlos in die Ecke pfeffere und dabei beinahe die wertvolle Vase mit dem feinen Blumenmuster umschmeiße. Ein weiteres Schmuckstück von meinen Eltern. Ein Wunder, dass sie es mir überlassen, aber wenn ich genau überlege, haben sie sicher vergessen, dass sie hier steht.
Zuhause fühlt sich so fremd an. Das tut es schon seit einundzwanzig Jahren. Als ich noch klein war, da empfand ich das noch anders. Mama und Papa waren eine Einheit und wir drei eine kleine, aber glückliche Familie...
Manchmal glaube ich, dass ich eine einzige Enttäuschung für meine Eltern bin. Ich habe zwar das Abitur in der Tasche, aber einen miesen Notendurchschnitt. Ein Studium habe ich erst gar nicht begonnen. Das Einzige, das ich gut kann, ist das Geld meines Vaters auszugeben und bis noch vor zwei Tagen, Carolines Luxus damit zu finanzieren.
Es ist doch kein Wunder, dass meine Eltern mich meiden und Caroline mit ihrem Fitnesslehrer gevögelt hat.
Ich bin eben ein kompletter Versager und zu nichts zu gebrauchen!
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In Your Eyes (Band 3)
Roman d'amourHendrik ist sich sicher, dass er mit Caroline die Frau fürs Leben gefunden hat. Doch selbst im Paradies lauern Gefahren und schnell ist er die rosarote Brille wieder los. Trost sucht er bei seinem besten Freund David, der aber selbst genug mit eigen...