Zurück im Anwesen glitten meine Finger über die Buchrücken in der Bibliothek. Auf meiner Erkundungstour durch den mittleren Teil der Villa hatte ich dem Geruch nach altem Papier und Leder nicht widerstehen können.
"Es bringt nichts sich zu verstecken, Chichinashi 2." Ich wandte mich um. Ayato stand bereits hinter mir. "Deine Haut sieht ohne Bissspuren fast so schmackhaft aus wie die meines Eigentums." Seine Augen glühten rot und er stütze die Hände neben meinem Kopf gegen das Bücherregal. "Ore-sama wird dein Erster sein." Ich rümpfte angewidert die Nase. 'Für wen hält er sich?'
"Tch. Du-"
"Ayato!" Wir blickten zu Reiji, der in der Tür auftauchte. "Halte dich an die Abmachung. Du hast Yui als deine Braut anerkannt und ihr Blut gehört dir. Das aller folgenden Opferbräute somit nicht." 'Folgende Opferbräute?' So nannten sie wohl ihre Blutquelle, aber was hatte das mit mir zu tun? 'Oh. Oh!' Plötzlich fügte sich ein Bild zusammen. Sie dachten ich wäre ihre neue Blutquelle. Ayato knurrte, stieß sich aber vom Regal ab und verschwand mit einem letzten abfälligen Blick auf mich aus dem Raum. Reiji musterte mich nicht weniger herablassend. "Verschwinde hier, bevor du etwas kaputt machst." 'Erneut: Für wen hält er sich?' Wortlos stieß ich mich ebenfalls vom Regal ab und trat an ihm vorbei. Ich brauchte Ruhe zum Denken und die hatte ich nicht, wenn zwei eingebildete Vampire sich über meinen Kopf hinweg stritten. Karlheinz Sakamaki hatte seine Söhne nicht richtig über mich in Kenntnis gesetzt.
In meinem Zimmer warf ich das Buch abwesend auf das Bett und zog meine Violine darunter hervor. Ich hatte das Buch aus Trotz, nicht aus Interesse gegriffen. Ich wusste nicht einmal, um was es ging. Erstaunt hielt ich inne. Trotz. Wann hatte ich das letzte Mal etwas aus Trotz getan?
Mit einem Kopfschütteln verließ ich mein Zimmer, um mich auf die Suche nach einem Musikraum zu machen. War es Desinteresse gewesen oder hatte er mich absichtlich als Opferbraut dargestellt?
"Verschwinde. Jetzt ist deine Chance." Ich blinzelte und schaute auf. Subaru saß auf einem der Fensterbretter in den Gängen. 'Weiß er etwas?'
"Warum?" Der Vampir drehte den Kopf und starrte mich eindringlich an.
"Wir sind Monster." Ah. Er wusste also auch nichts. Wirklich schade. Ich wollte meine freie Hand in die Tasche stecken, hatte aber vergessen, dass der Rock keine besaß und meine Hand glitt erfolglos über den dunklen Stoff. Stattdessen verlagerte ich mein Gewicht auf ein Bein und nickte, mein Interesse an ihm bereits wieder verflogen.
"Schön gesagt, da fühl ich mich wie zuhause. Wo ist euer Musikzimmer? Reiche Monster haben sowas. Immer." Er starrte mich an und öffnete den Mund, nur um ihn wortlos wieder zu schließen. Dann deutete er den Gang hinab. Mit einem Nicken folgte ich ihm und kehrte zurück zu meinen Überlegungen. Zufall konnte es nicht sein. Der Vampirkönig überließ nichts dem Zufall und ließ sich keine Gelegenheit entgehen seine Macht auszubauen. Am Ende des Ganges befand sich tatsächlich die Tür zum Musikraum, die ich hinter mir wieder zustieß. Die Frage war nur, bot ich eine Gelegenheit? Und wenn ja, wie sah sie aus? Ich legte den Violinenkoffer auf dem Fensterbrett ab. Die Verschlüsse klickten leise, als ihn öffnete. Ich hatte sie geschenkt bekommen, ein Jahr bevor das Dorf in Flammen aufging. Ein Jahr, bevor er zurück in die Flammen gelaufen war. Ein Jahr, bevor erneut jemand meinetwegen gestorben war. Mit einem Kopfschütteln schob ich die schlechten Erinnerungen beiseite und hob Instrument und Bogen aus dem kleinen Koffer. Obwohl ich lange nicht mehr gespielt hatte, lagen die Saiten und das Gewicht vertraut in meinen Händen. Ich brauchte nicht lange, um sie neu zu stimmen und meinen alten Rhythmus wiederzufinden.
Erst als ich eine Präsenz im Raum spürte, setzte ich die Violine ab. Draußen färbte sich der Himmel bereits heller. Auch wenn die Musik keine Gefühle mehr in mir auslöste, war es doch etwas, worin ich mich einige Zeit verlieren konnte. Shu lehnte mir gegenüber an der Wand und öffnete ein Auge, als die Musik verklang. Ich schaute zurück und hob abwartend eine Augenbraue. Sein Blick glitt über meine Seite, an der der Schuss mich gestreift hatte, und richtete sich dann auf mein Bein, mit dem ich am Zaun hängengeblieben war.
"Du könntest ein schönes Spielzeug abgeben. Hoffentlich zerbrichst du nicht allzu schnell." Er löste sich in Luft auf, bevor ich überhaupt über eine Antwort nachdenken konnte. Erstaunt hob ich die Augenbrauen. 'Offensichtlich teilt da jemand meine Sorgen.'
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Old Blood
FanfictionAllein und verfolgt sucht Sayoko Zuflucht im Anwesen der Sakamaki-Brüder. Wird sie dort endlich die Atempause bekommen, die sie so unbedingt braucht und vielleicht sogar ihre Macht zurückerlangen, oder wird der Tod ihr auch dorthin folgen? Die Recht...