21. Kapitel

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"Shu." Er öffnete ein Auge, als ich neben dem Sofa in die Hocke ging. Nachdem wir einige Zeit alle zusammengesessen hatten, waren die anderen Sakamakis nach und nach wieder ihren eigenen Dingen nachgegangen. Der kostbare Moment Ruhe hatte wie immer nur kurz angehalten, war zum ersten Mal jedoch ein gemeinsamer gewesen. "Heute sind Sternschnuppen. Willst du mit zum See? Vielleicht sehen wir noch ein paar." Nach der Zeit vor dem Feuer war ich bis in den letzten Winkel meines Körpers aufgewärmt und meine Bewegungen liefen wieder geschmeidig.
"Wozu? Sie sehen immer gleich aus." Er gähnte. "Glaubst du etwa an die Wünsche?" Ich lächelte sanft und wippte auf den Fußballen. Shu war der einzige, auf den Yuis Verschwinden und die Aufregung seiner Brüder überhaupt keine Auswirkungen hatte.
"Weil sie schön sind." Seine dunklen Augen richteten sich auf mich, als suchten sie nach etwas.
"Wozu?" 'Weil Sternschnuppen alleine anschauen langweilig ist. Weil sie zu zweit schöner anzusehen sind. Weil ich dich dabei haben will.'
"Ich dachte, es könnte dir gefallen." Shu starrte die Hand an, die ich ihm hinstreckte, dann schloss er die Augen. Er sah gequält aus. Mein Herz sank, als er sich in Luft auflöste und enttäuscht ließ ich die Hand sinken. Am Ende des Ganges tauchte er wieder auf. "Worauf wartest du?"

Der Kies knirschte unter meinen Füßen und ich rechnete damit, dass Shu sich teleportieren würde, doch er tat es nicht. Auch nicht als der Kies zu weichem Waldboden wurde und sich die Dunkelheit des Waldes um uns schloss und sich meine Augen endlich entspannten. Mir war nicht aufgefallen, wie unangenehm mir das Licht in der Villa war. Mit einem seligen Lächeln legte ich den Kopf in den Nacken und schaute zu den Sternen auf, die vereinzelt durch das schwarze Blätterdach schimmerten. Sanft wiegten sich die Blätter im leichten Wind und flüsterten wortlose Versprechen in die Nacht. Shu folgte mir lautlos und ich stellte fest, dass er einmal viel Zeit im Wald verbracht haben musste, so leise, wie er sich bewegte. Beinahe so lautlos wie ich.

Die Finger in sein Hosenbein gehakt, ließ ich mich auf dem kühlenden Wasser treiben und betrachtete den wolkenlosen Nachthimmel. Die Kleidung war schwer um meinen Körper. Ein beruhigendes Gewicht, aber nicht genug, um mich unter Wasser zu ziehen. Wie Shus Aufmerksamkeit. Ich konnte ihn aus dem Augenwinkel sehen, wie er in silbernes Mondlicht getaucht auf dem Steg saß. Morgen war Vollmond. Grillen zirpten und Blätter raschelten leise im Wind. Ich versank in dem Gefühl, bis es meine Sinne ausfüllte. Träge fing ich seinen Blick auf und zupfte an seinem Hosenbein.
Shus Mundwinkel zuckten, dann glitt er neben mir ins Wasser. Die kleinen Wellen wiegten mich sanft auf und ab. Ich drehte den Kopf und betrachtete ihn. "Hey, Shu?" Betrachtete das Mondlicht auf seiner blassen Haut, wie es sich in seinen Augen fing und das Blau zum Glänzen brachte, als er mich anschaute. Er sah entspannt aus. Zufrieden. Ich spürte seine Hände an meinem Körper und ließ zu, dass er mich an sich zog. Meine Beine streiften seine, als ich mich aufrichtete und zu ihm aufschaute. Das Wasser hatte meine Haare schwer gemacht und lief in kühlen Linien über meine Haut. Wenn ich mich streckte, könnte ich auf den Zehenspitzen stehen, aber ich wollte nicht. Ich wollte die Schwerelosigkeit im Wasser auskosten. Und die Nähe.
"Was hältst du von einem Duell?" Der Mond stand jetzt in Shus Rücken und ließ seine Augen beinahe schwarz aussehen. "Ich hab die Schwerter gesehen und Kanato sagt, du kannst damit umgehen." Er beugte sich zu mir herunter und ich neigte den Kopf zur Seite, um ihm Raum zu geben. Shus Hand glitt von meiner Hüfte um meine Taille, bis er mich mit dem Arm an sich gedrückt hielt.
"Ich könnte verletzt werden." Seine Lippen streiften über den Puls an meinem Hals und ich erschauderte. Er sagte es, als wäre es ein Grund ihn nicht dazu anzustiften etwas Gefährliches zu tun.
"Oh? War das etwa ein Kompliment?" Ich spürte sein Grinsen an meinem Hals, dann sanken seine Zähne beinahe sanft in meine Haut und ich entspannte die Muskeln in meinen Schultern, ließ mich in den leichten Schmerz fallen, bis nur noch ein kleines warmes Pulsieren zurückblieb. Shus Hand legte sich auf meinen Hinterkopf und ich ließ ihn in den Nacken fallen, um zu den leuchtenden Sternen aufzuschauen. Wärme breitete sich langsam von meiner Brust über meinen Körper aus. Ich atmete tief aus und ließ mich tiefer in seine Berührungen sinken. Shu löste die Zähne aus meinem Hals und atmete zittrig aus.
"Ich weiß nicht was es ist, aber ich kann nicht aufhören daran zu denken. Der Geschmack deines Blutes..." Er zog mich näher. "Das Gefühl, wie deine Energie durch meinen Körper fließt. Ich kann nicht genug davon bekommen." Er fuhr mit der Zunge über die Wunde und ich erwartete, dass er sich wieder von mir lösen oder erneut zubeißen würde, aber seine Lippen verließen meinen Hals nicht. Sie strichen federleicht über meine Haut und er atmete tief ein. Ich lächelte. Seine Lippen streiften meinen Kiefer. Ich erschauderte und mit einem Flattern schlossen sich meine Augen.
"Du willst also ein Duell?" Ich brummte zustimmend. Ich spürte sein zufriedenes Grinsen, bevor er mich endlich küsste. Seine Lippen waren warm von meinem Blut und bei dem flüchtigen, vertrauten Eisengeschmack regte sich etwas in mir. "Bin dabei." Shu zog mich wieder aufrecht. Zähne kratzten über meine Unterlippe – spürbar, aber nicht genug, um die empfindliche Haut zu verletzen – und ich neigte den Kopf, um den Kuss zu erwidern.

Erst als sich die ersten Sonnenstrahlen hinter den Baumkronen erahnen ließen, drückte sich Shu aus dem Wasser. Es tropfte von seinem Körper auf den Steg und malte dunkle Flecken auf das Holz. Er streckte die Hand aus.
"Gehen wir nach Hause." Ich blieb im Wasser. Ich bewegte mich nicht und schaute ihn einige Herzschläge einfach nur an.
Nach Hause. Es war viel zu lange her, dass sich diese zwei Wörter richtig angehört hatten. War das der Grund, warum die ganzen Erinnerungen wieder hochkamen? Ich bewegte mich auf den Steg zu und zögerte. Ich wartete darauf, dass sich die Vergangenheit über die Gegenwart zwang. Ich wartete darauf, dass Shu die Hand zurückzog. Ich wartete darauf, dass – Worauf wartete ich? Shus Finger legten sich um meinen Unterarm und zogen mich mühelos aus dem Wasser. Nach Hause. Vielleicht. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht würde es nicht in Schmerz und Enttäuschung enden. Vielleicht. Ich erlaubte dem feinen Funken Hoffnung in meiner Brust ein wenig zu wachsen. Nur ein kleines bisschen würde nicht schaden.

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Wir nähern uns dem Ende 🤧

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Bis zum nächsten Kapitel 😉

Old BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt