11. Kapitel

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Kaum zwei Tage später war der Konkurrenzkampf zwischen mir und Ayato endgültig losgebrochen. Eine halbe Woche später und die Wettkämpfe hatten sich von blutig und lebensbedrohlich zu albern und skurril gewandelt. Selbst Reiji schien Frieden damit geschlossen zu haben. Vielleicht, weil sich Kekskrümel und Erde leichter aus Stoffen entfernen ließen, als Blut, Löcher, Risse und Schnitte. Die Menge an Scherben sank ebenfalls. Allerdings hatte Reiji angefangen, verschiedene schwache Gifte unter mein Essen zu mischen. Bisher war er enttäuscht worden un  hin und wieder tauschte ich die Teller. Seit Beginn hatte es Shu Nasenbluten eingehandelt, einmal Laitos Fingernägel altrosa mit Blümchenmuster gefärbt, beim zweiten Mal seinen Arm für den Rest der Woche taub und ein anderes Mal Kanato für mehrere Stunden stumm werden lassen. Er hatte sie damit verbracht, ohne Vorwarnung aufzutauchen, wenn sich jemand unterhielt und einen niederzustarren, bis alle verstummten. Reiji, Ayato und Yui verschonte ich – Reiji, weil er den Teller erkennen würde, den er präpariert hatte, Ayato, weil wir unsere Spielchen außerhalb des Dinners spielten und Yui, weil sie ein Mensch war. Fehlte nur Subaru. Der Teller mit dem Nervengift hätte ihn getroffen, wäre Laito nach den rosa geblümten Fingernägeln nicht davon überzeugt gewesen, dass ich ihn auf dem Kieker hatte und es weise Voraussicht sei, die Teller mit Suabaru zu tauschen. Danach war die Sitzordnung ein weiteres Opfer der Giftanschläge geworden, denn niemand wollte berechenbar sitzen. Somit hatte es ihn erneut getroffen, denn ich hatte ihn nicht auf dem Kieker. Der Rothaarige hatte sich zwar wieder von dem Vorfall im Flur erholt und ich wusste nicht an wie viel er sich erinnerte, aber ich fragte mich immer wieder, ob Narben zurückgeblieben waren und was passiert wäre, hätte ich Organe verletzt. Zweifellos wäre er gestorben, aber was wäre die Folge gewesen?
Als ich die Tür zum Wohnzimmer aufstieß, stand Reiji mit versteinerter Miene vor den anderen und wartete. Er bedachte mich mit einem missbilligenden Blick, als ich an ihm vorbeischlenderte. Ich hatte die Schuluniform loswerden wollen, bevor Reiji seine Standpauke hielt und es bedurfte nur eines entschuldigenden Lächelns, damit er seine schlechte Laune wieder auf die anderen im Wohnzimmer richtete. Sobald ich auf einem der Sofas Platz nahm, rückte er die Brille zurecht und begann.
"Gut, da nun alle anwesend sind, kann ich endlich beginnen." Er räusperte sich. "Es ist äußerst unhöflich, Dinge zu nutzen, die einem nicht gehören, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Ich weiß nicht wer-" Ich unterdrückte ein Gähnen. Der Schultag hatte mich müde gemacht und zusammen mit der Langeweile sorgte es dafür, dass Reijis Worte zu einer schwammigen Pampe wurden, die es nichteinmal so weit schaffte, dass ich sie später hätte vergessen können. Subaru und Laito sahen nur genervt aus, Ayato beschäftigte sich 'unauffällig' mit Yui, Kanato murmelte mit Teddy, Shu lag auf dem anderen Sofa und hörte Musik. Fast wie immer also. Mein Blick wanderte zum Fenster. Die schweren Vorhänge waren noch zugezogen und ließen nur einen kleinen Spalt frei. Silbernes Mondlicht schien hindurch und brachte kleine Staubkörner in der Luft zum Leuchten. Ironischerweise musste ich an Kirchenfenster denken.
"-Laito! Du warst als Einziger alleine unterwegs." Ich hob den Kopf.
"Er war bei mir." Reijis Wut schwankte und er zögerte. Ich wartete darauf, dass er mir Fragen stellte. Er tat es nicht. Reiji schien mir zu glauben und es überraschte mich, wie einfach er zu überzeugen war.
"Wie dem auch sei. Wenn ich den-", er schaute Yui scharf an und ich wandte mich wieder dem Fenster zu, "oder diejenige dabei erwischen sollte, wie er ungefragt in mein Labor eindringt, wird diese Person eine angemessene Strafe bekommen." Reiji warf noch einen letzten bedeutungsschweren Blick in die Runde, dann drehte er sich um und schritt aus dem Raum. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, lösten sich Subaru, Ayato, und mit ihm Yui, in Luft auf. Ich beobachtete es regungslos aus dem Augenwinkel. Das Kaminfeuer hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Jemand hatte feuchtes Holz hineingeworfen und es qualmte. In der Nacht, in der das Dorf gebrannt hatte, hatten die Wolken den Mond verdeckt und der schwarze Qualm über den Häusern hatte es aussehen lassen, als senkte sich der Himmel herab. Die Schreie geklungen, als zerdrückte er sie. Abwesend bemerkte ich, wie Laito näher kam. Die orangen Flammen zuckten und bogen sich um die Holzscheite, wie sie es mit den Häusern getan hatten.
"Dein Herzschlag wird schneller. Freust du dich so sehr, mich zu sehen? Oder ist es etwa Angst, die du empfindest?" Das helle Holz verfärbte sich dunkel.
"Sollte ich?" Es wurde dunkler und dunkler und breitete sich aus, bis es sich über die ganze Seite erstreckte, wie die Wände im Haus. Das Feuer leckte am Holz und verschluckte die Schwärze für einen kurzen Moment. Ich hörte kaum, was er sagte. Der Holzscheit knackte und verrutschte. Wie die Dachbalken, als sie immer schwächer wurden.
Laito lachte leise und lehnte sich vor. Der kleine Stapel brach in sich zusammen und Funken stoben auf. Der brennende Balken stürzte vor ihr zu Boden und Funken stoben durch die Luft.
"Warum hast du für mich gelogen, Bitch-chan?" Ich blinzelte. Der Spitzname riss mich wieder in die Gegenwart. Er gehörte nicht in die Vergangenheit. Mit einem gelassenen Lächeln drehte ich langsam den Kopf zu ihm. Er stand viel zu nah.
"Für dich? Hey, Kanato." Ich hielt seinem Blick weiter stand, auch wenn ich lieber am anderen Ende des Raumes stehen würde – am besten sogar in einem anderen – und zog einen kleinen Flakon aus der Tasche, den ich Kanato entgegenhielt. Er war nähergetreten und mein Lächeln wurde verschlagen. "Ich hab was für dich."
"Was ist das?"
"Für deine Puppen. Damit der Keller nicht mehr nach Tod riecht."
Laitos Augen wurden groß. Nur für einen Moment und in schneller Abfolge flackerten verschiedene Emotionen durch seinen Blick, dann lachte er.
"Ah, Bitch-chan. Du bist also für den Vortrag verantwortlich." Ich blinzelte unschuldig.
"Ich?"
"Dafür schuldest du mir etwas." Damit verschwand er. Ich hoffte, dass es kein Fehler gewesen war ihn wissen zu lassen, dass ich es gewesen war, die Reijis Labor benutzt hatte. Ich schüttelte die Zweifel ab und stand auf, drehte dem Kaminfeuer den Rücken zu.
Falls Reiji es herausfand, hatte ich Vertrauen, dass ich mich herauswinden konnte, ohne, dass drastischere Handlungen nötig wurden. Ich wollte mich zu Kanato drehen, aber der war schon mit dem Flakon verschwunden. Mit einem Kopfschütteln folgte ich ihm zu Fuß in den Keller.
Er warf nur einen kurzen, aufgeregten Blick über die Schulter, als ich eintrat.
"Was hast du so lange gemacht?" Ich zog mich neben Teddy auf den Steintisch mit Werkzeugen.
"Ich kann mich nicht teleportieren." Kanato hielt inne, die kleine Sprühflasche in der Luft, und starrte mich eine Weile lang verwundert an.
"Achja." Ich konnte die Stimmungsschwankung sehen, bevor sie ihn traf. Kanatos Augenbrauen zogen sich zusammen, die kindliche Freude verschwand und er starrte abschätzig auf den Flakon in seiner Hand.
"Es funktioniert nicht." Lila Augen richteten sich auf mich und für einen Herzschlag war ich wieder im Haus, umgeben von lila Flammen. "Menschen sind zu nichts zu gebrauchen." Ich verschränkte meine Hände im Schoß, bevor ich eines der Werkzeuge nach ihm warf. Es hätte eine schöne Platzwunde gegeben. Ob Blut bei Vampiren auch spritzte, wenn sie nicht gerade getrunken hatten?
"Mach weiter. Es soll den Geruch neutralisieren, nicht den Raum verpesten." Für ein paar Sekunden bewegte sich Kanato nicht und ich fragte mich, ob er gerade seine Emotionen sortierte, dann verschwand die Wut aus seinem Gesicht und er wandte sich wortlos wieder den Opferbräuten zu. Er hatte erst zwei geschafft. Stumm beobachtete ich ihn dabei, wie er weitermachte. Irgendwann fiel mein Blick auf den Teddybären neben mir und erneut bemerkte ich die schwarz verkohlten Stellen im Fell. Kurz hatte ich Angst, dass ich wieder in der Vergangenheit landete, aber der kalte Stein unter mir hielt mich in der Gegenwart. Bevor ich genauer hinschauen konnte, sagte Kanato: "Reiji hat dich nichtmal verdächtigt. Dein eigenes Alibi war kein Grund, Laito eins zu geben." Es überraschte mich, dass er es bemerkt hatte. Ich brummte nichtssagend. Er hatte recht. Zum Teil. Reiji hätte es mir nicht angehängt. Genaugenommen war Laito nur eine weitere Variable, die ich koordinieren musste.
"Vielleicht hätte er seine Meinung geändert. Vielleicht hätte Laito versucht mich reinzuziehen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen." Kanato brummte so nichtssagend wie ich zuvor und machte weiter. Langsam breitete sich ein angenehmer Geruch nach Zuckerwatte aus und Kanato sah zunehmend zufriedener aus. Nach einer langen Pause murmelte er: "Wir sind froh, dass du hier bist." Ich wartete darauf, dass er 'Teddy und ich' sagte, aber er tat es nicht.

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Kleiner Teaser für nächste Woche: Sayoko und Shu bekommem quality time ;)

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