14. Kapitel

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Die Minuten hatten sich zu Stunden, geschwänzten Fächern, blauen Flecken, einer blutigen Nase, einer abgefahrenen Limousine und einem nassen Heimweg mit Gewitter bei Morgendämmerung entwickelt. Und einem wütenden Reiji. Ayato und ich waren unerwartet zufrieden mit der Nacht gewesen.
Den Beginn der nächsten, verbrachte der Haushalt mit der Flucht vor Reiji. Jeden Monat verdonnerte er die ersten zwei, die ihm am Tag des monatlichen Dinners unter die Augen traten, zum Putzdienst mit ihm. Subaru war verschwunden, Ayato und Laito waren ihm rechtzeitig ausgewichen. Ich hatte erfolgreich ein Schulprojekt für Musik vorgebracht, bei dem ich Shu ausfragen wollte. Es hatte nicht nur dafür gesorgt, dass Reiji mich wie erwartet von der Putzaktion als befreit angesehen, sondern er auch vergessen hatte, Shu wie üblich als Taugenichts zu verspotten. Diesmal mussten also Kanato und Yui dran glauben. Normalerweise befreite sich Kanato mit einem Gefühlsausbruch, aber scheinbar gab es diesmal etwas, für das es sich zu putzen lohnte.
Ich saß, statt in meinem Sessel im Wohnzimmer vorm Kamin zu liegen, schief auf der Lehne des Sofas im Spielezimmer, hatte meine Füße auf einen der ungemütlichen Stühle gelegt und balancierte ihn auf der Kante. Shu lag ausgestreckt neben mir auf dem Sofa und ich spielte gelangweilt mit seinen blonden Strähnen, während ich in einem Buch blätterte. Ayato saß ebenfalls auf einem der Stühle und starrte schon so lange missmutig die Wand an, dass ich mich fragte, ob er mit offenen Augen eingeschlafen war. Ein eigenartiges Sirren hatte sich unter meiner Haut eingenistet und machte mich rastlos. Bevor Shu aufgetaucht war, hatte ich Mühe gehabt den Text vor mir zu lesen, geschweige denn still zu sitzen. Jetzt war seine Gegenwart das einzige, was verhinderte, dass ich vor Nervosität aus der Haut fuhr. Ich war gerne aktiv, aber diese Art von Rastlosigkeit war von der unproduktiven Art und kurz davor gewesen mich wahnsinnig zu machen. Ich sollte die Zeit lieber dazu nutzen, mehr über Karlheinz' Pläne herauszufinden – vor allem jetzt, da Reiji die nächste Stunde mit Sicherheit nicht im Büro sein würde – aber ich hatte keine Lust. Gerade jetzt, da Shu mit mir auf dem Sofa lag. Als Laito auftauchte, hielt ich den Blick auf das Buch gerichtet, aber meine Aufmerksamkeit lag auf dem rothaarigen Vampir. Noch immer wusste ich nicht, ob er sich nicht erinnerte oder einen Grund hatte, nur so zu tun. Vielleicht war es ihm auch egal und ich interpretierte zu viel hinein. Laito seufzte theatralisch.
"Ah, Bitch-chan, mir ist schrecklich langweilig." Nein, ich war mir ziemlich sicher, er erinnerte sich nicht.
"Habt ihr Himbeeren?" Seine Hand rutschte in seiner Überraschung vom Billardtisch ab, an dem er sich gerade hatte abstützen wollen. Er strauchelte kurz.
"Was?" Die Erinnerung, wie er zusammengesunken an der Wand gelehnt und sich das weiße Oberteil langsam rot gefärbt hatte, tauchte in meinem Kopf auf. Er war kein besonders mächtiger Vampir, aber ich hätte nicht gedacht, dass der Kräfteunterschied so groß war. Es war lange her, dass ich das volle Ausmaß meiner Stärke ausgetestet hatte. 'Oder besessen habe.' Laito lehnte sich, längst wieder gefasst, vor. Kalte Finger streiften meine Wange. Ich löste die Hand aus Shus Haaren. Sofort verdoppelte sich das Sirren unter meiner Haut. Das Sofa neben mir knarzte kaum hörbar und kurz flackerte mein Blick zu Shu. "Willst du etwa, dass ich dich füttere, Bitch-chan?" In diesem Moment fühlte ich mich bedrängt. Das, was ich schon in der Badewanne mit Shu erwartet, aber nicht erlebt hatte. Die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. Mein erster Instinkt war es, ihm den Fuß in den Bauch zu stoßen. Nur als Warnung. Dann dachte ich an das Loch in der Wand.
"Habt ihr denn welche?" Eine Frage, damit er nichts dummes tat, bevor ich meinen Instinkt unter Kontrolle hatte. Bevor Laito antworten konnte, schnitt ein dumpfes Klacken durch die Spannung in der Luft. Ein Pfeil steckte in der Dartscheibe. Laito verschwand und tauchte daneben wieder auf. Er zog ihn mit einem Kichern heraus. Meine Anspannung ließ nach. "Interessant." Sein Blick wanderte von Shu, der sich auf dem Sofa aufgesetzt hatte, zu mir und musterte mich. "Lust auf ein Spiel, Bitch-chan?" Er legte den Kopf schief. "Der Verlierer-"
"Oh scheiße, Ayato." Ich lachte und strauchelte durch das schnelle Aufstehen. Durch meine verbesserte Heilung, hatte ich den Muskelkater vom dritten Tag, schon am Morgen danach. "Aua." Ayato grunzte amüsiert, losgerissen von seiner intensiven Tapeten-Studie. Laitos Augenbrauen schossen in die Höhe und verschwanden beinahe in seinem Ansatz. "Spielst du mit?" Missfallen und Gereiztheit blitzten in Laitos Augen auf. Ich klappte mein Buch zu und legte es auf dem Billardtisch ab. "Je mehr, desto lustiger, nicht?" Als ich mich zurückdrehte, war sein Blick nachdenklich.
"Nun gut. Je mehr desto lustiger. Ayato!"
"Nein." Laito zog einen Schmollmund.
"Eine Schande. Dann bleiben wohl doch nur wir zwei, Bitch-chan." Ich hatte den Eindruck er bedauerte es nicht allzu sehr. Er trat vor und streifte beinahe meine Wange, als er sich zu meinem Ohr lehnte. Meine Finger zuckten. 'Vorsicht.' "Erzählst du mir was ihr gemacht habt?" Ein rauer Klang hatte sich in seine Stimme und ein Rosaton auf seine Wangen geschlichen. Offensichtlich hatte er eine ganz falsche Idee davon, weswegen Ayato und ich geschwänzt und Ärger bekommen hatten. Ich nahm ihm den Dartpfeil ab und schob ihn beiseite. Vorsichtig. Ich deutete mit dem Dartpfeil auf einen gelangweilt aussehenden Ayato. Dabei war mir überdeutlich bewusst, wie Laito hinter mir stand.
"Ich fordere eine Revanche." Er schnaufte abfällig.
"Ich hab gestern bereits bewiesen, dass ich besser bin."
"Ich musste dir keine reinhauen, um an den Ball zu kommen, Ayato-sama." Das ließ ihn auffahren.
"Versehen!" Ich hatte richtig vermutet, dass er die Behauptung nicht auf sich sitzen lassen würde, dass er nur durch Betrügen gewonnen hatte.
"Mhm. Hast du Angst ich gewinne, wenn du fair spielst, Ayato-sama?" Plötzlich stand er direkt vor mir. Sein Gesicht so nah, dass sich unsere Nasen berührten. Ich reckte das Kinn und erwiderte den herausfordernden Blick. Ayatos Augen wurden schmal und einen langen Moment bewegte sich niemand. Dann: "Ich gewinne, du erwähnst es nie wieder, es war Gleichstand."
"Deal." Der Vampir nahm mir den Dartpfeil ab, stapfte vor die Scheibe und streckte fordernd die Hand nach den anderen Pfeilen aus, die Laito noch immer hielt. Auch seine Bewegungen waren steifer als sonst. Grinsend wog ich drei Dartpfeile in der Hand. Sie waren eigenartig leichg und ich wusste jetzt schon, dass ich lieber große, scharfe Gegenstände warf. Darts hatte ich noch nie gespielt.
"Wir haben Basketball gespielt."
"Basketball?" Erst jetzt bemerkte ich, dass sich Laitos gesamter Ausdruck geändert hatte. Als würde er etwas ganz Neues abwägen. Ich nickte.
"Der Verlierer?" Das spielerische Lächeln kehrte zurück und er trat einen Schritt zur Seite. Dabei änderte sich etwas in der Atmosphäre. Das aufdringliche verschwand und damit die Sorge, ihm versehentlich alle Rippen zu brechen.
"Ah, ja. Der Verlierer macht Himbeerpudding." Ayato und ich starrten ihn an.

Old BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt