6. Kapitel

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Soo, so langsam nähern wir uns dem Ende des ersten Viertels. Und keine Sorge, bald wird es fröhlicher ;)

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Den Violinenkoffer in der Hand, blieb ich in der Tür zu meinem Zimmer stehen. Jetzt, wo mein Kopf wieder klarer war, schaute ich mich zum ersten Mal richtig um. Eine Kommode, ein Schreibtisch mit Stuhl und das Bett, alles aus hellem Holz. Die schweren Vorhänge am Fenster bestanden aus dem gleichen Grün junger Blätter, wie der Baldachin über dem Bett. Absicht? Eine Erinnerung an den Wald? An die, die ich war? Oder war das zu paranoid? Das Bett war ordentlich zurechtgemacht, obwohl die Decke – ebenfalls grün – halb auf dem Boden gelegen hatte, als ich es verlassen hatte, und mein Rucksack lehnte ordentlich am Bettpfosten. Ich sollte ihn neu packen. Ausmisten. Leichter machen. Auch wenn er bei einer Verwandlung verschwand, blieb das Gewicht auf meinen Schultern liegen. Ich legte den Violinenkoffer auf die Kommode neben der Tür, bevor ich sie hinter mir schloss und vom Rucksack abwandte. Es war sowieso kaum etwas darin. Die Vorhänge waren aufgezogen und die aufgehende Sonne war die einzige Beleuchtung, unter der ich eine Schublade nach der anderen aufzog. Die meisten waren leer, aber in den oberen beiden befanden sich Handtücher und ein kleiner Stapel weißer Nachthemden. Ich zog eines heraus und schob die Schublade wieder zu. In meinem Rucksack wäre kaum genug, um eine der Leeren zu füllen. Das Nachthemd bestand aus langem weichen Stoff und ich machte mich daran die Schuluniform aufzuknöpfen. Egal wie sehr ich darüber nachgedacht hatte, blieb mein Eindruck, dass die Sakamaki-Brüder keine Gefahr für mich darstellten. Offensichtlich wussten sie nur meinen Namen. Ich schlüpfte aus der Schuluniform und zog mir das Nachthemd über. Die Frage war nur, warum sie so wenig wussten und was ihr Vater damit bezweckte. Der Holzboden war kalt unter meinen nackten Füßen, als ich zum Fenster lief und die breiten Stoffbänder öffnete, die die Vorhänge zusammenhielten. Ihr Stoff war dick und schwer und ich zog sie zu, bis das Zimmer hinter mir dunkel wurde und nur noch Schemen zu erkennen waren. Ganz zugezogen, sperrten sie das Licht vollständig aus. Mein Blick blieb an dem schmalen Lichtstreifen am Boden hängen, der noch durch die Vorhänge schien. Ich hatte einiges von Karlheinz gehört – die meisten, die Kontakt mit der Dämonenwelt hatten, kannten diesen Namen – aber ich bildete mir nicht ein, alles zu wissen. Die Größe der magischen Macht und des Wissens des Vampirkönigs war beinahe absurd und er zeigte keine Anzeichen damit aufzuhören immer mehr anzuhäufen. Ich drehte den Kopf zum Bett und meine Augen passten sich der Dunkelheit an. Gedankenverloren starrte ich den ledernen Einband des Buches an. Ein Kreis mit der Silhouette zweier Menschen war darin eingebrannt worden. Zwischen ihnen stand ein Baum mit einem einzigen Apfel daran. Dass er sich nicht selbst die Finger schmutzig machte, war typisch für ihn, aber was erhoffte er sich damit seinen Söhnen nichts über mich zu erzählen? Plante er überhaupt etwas? Ich schüttelte den Kopf, ließ die Vorhänge los und trat vom Fenster zurück, um unter die Bettdecke zu schlüpfen. 'Natürlich plant er was. Und wenn es nur die Möglichkeit für einen späteren Plan ist.' Solche Gedanken führten zu nichts. Also beschloss ich mich weiter auf meinen Instinkt zu verlassen und der sagte mir, dass von den Brüdern derzeit keine Gefahr für mich ausging. Ayato und Subaru wussten sicher nichts von seinem Plan. Shu und Reiji vielleicht. Zu den anderen zwei konnte ich mir noch keine Meinung bilden. Trotzdem würde ich vorsichtig bleiben. Es sollte mir nach all den Jahren mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, auch wenn die Ränkespiele weiterhin nicht meins waren. Ich wusste nicht, ob ich noch anders konnte. Mit einem müden Ausatmen ließ ich mich aufs Bett fallen, rollte mich auf die Seite und zog die Decke um mich, um die Kälte zu vertreiben, auch wenn ich wusste, dass es sinnlos war. Die Kälte in meinem Inneren hatte nichts mit meiner Körpertemperatur zu tun. Gleichzeitig war sie der Beweis, dass ich noch etwas fühlen konnte. Mit dem Beschluss, das Buch zurückzustellen, sobald ich aufwachte und, trotz der Vorsicht den Vampiren gegenüber, nicht allzu verschlossen an die ganze Situation heranzugehen, schlief ich ein.

Als ich aufwachte, rührte ich mich nicht. Eine neue Präsenz im Zimmer hatte mich geweckt.
"Dein Herz verrät dich." Shu. Als Vampir bemerkte er die kleine Veränderung vom Schlaf zum Aufwachen leichter. Im nächsten Herzschlag war er über mir. Ich schlug die Augen auf. Ein wenig mehr Zeit und ich konnte ihn von den anderen unterscheiden, bevor ich sie mit menschlichen Sinnen wahrnahm.
"Was hast du vor?"
Obwohl es dank der Vorhänge dunkel im Zimmer war, sah ich ein Paar weißer Eckzähne aufblitzen.
"Ich bin durstig. Dein Blut hat etwas an sich, das nach mir verlangt. Dabei hat es nie deine Haut benetzt, seit du durch die Tür gekommen bist. Es ist höchste Zeit das zu ändern." 'Ich bin seit einem Tag hier.' Ich öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass ich keine Opferbraut war und er sich nicht einfach von mir nehmen konnte was er wollte, aber ich hielt inne, bevor mir die Worte über die Lippen kamen. Es war viel lustiger, wenn er durch Zufall herausfand, wer ich war. Erschütternder, aber vor allem beeindruckender, wenn er mich vorher maßlos unterschätzte. "Ich werde dir eine ganz neue Welt zeigen", raunte er. Also schloss ich den Mund, ohne etwas zu sagen und rang das kurz aufflatternde Vergnügen nieder, bevor er es bemerken konnte, nur um im nächsten Moment überrascht an die Decke zu starren. Das war neu. Kalter Atem an meinem Hals war die einzige Vorwarnung, bevor sich Zähne in meine Halsbeuge bohrten. Ich unterdrückte ein Zischen, als der Schmerz aufflammte, über meinen Hals und bis zur Schulter zog. Die wenigen ersten Sekunden fühlte es sich an wie kleine Nadelstiche, dann gewöhnte ich mich an den Schmerz und er ebbte ab. Hätte es nicht so sehr an meinem Stolz gekratzt, dass Shu dachte, er könne sich mein Blut auch einfach gegen meinen Willen nehmen, hätte es vielleicht sogar auf seltsam aufregende Art interessant sein können. Shu löste sich nach wenigen Schlucken und seine Augen glühten in der Dunkelheit, als sie sich in meine bohrten. Erstaunt über die Intensität des Blicks, starrte ich zurück. Shu fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, als versuchte er die Erinnerung an den Geschmack meines Blutes aufzufrischen und ein zu flüchtiger Ausdruck, als dass ich ihn hätte deuten können, flackerte über sein Gesicht. Seine Augen zuckten zu der Bisswunde an meinem Hals und ich rechnete damit, dass er erneut zubeißen würde, als er sich vorlehnte, aber dann stieß er sich plötzlich vom Bett ab und löste sich in Luft auf. Das Zimmer war leer, seine Präsenz verschwunden und mit ihr das vorfreudige Vergnügen.
Plötzlich hatte ich das Gefühl von der Leere verschluckt zu werden. 'Eigenartig.'


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