Bist du okay?

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Jasper lehnte an der Hausmauer. Sein Gesichtsausdruck war mehr als nur angespannt. Immerhin war er nach Hause gekommen und Alice hatte ihm von den Ereignissen berichtet. Danach musste er sich zusammenreißen und das Haus verlassen, um nicht in seiner Wut Rosalie an die Gurgel zu gehen. Jasper wusste, dass Rosalie nichts dafür konnte. Er war sehr froh, dass er nicht dabei war. Denn vermutlich hätte er sich nicht zurückhalten können und hätte sich im Nachhinein dafür gehasst seiner Schwester wehgetan zu haben. 

Er sah hoch, als er ein Auto die Straße entlang fahren hörte. Sofort als Carlisle geparkt hatte, öffnete er die Autotür und sah Aryll an. "Bist du okay?", fragte er. Aryll nickte. "Mir geht's gut." "Bist du sicher?" Aryll nickte erneut. Sie nahm die Krücken und platzierte sie auf dem Boden. Sie stieg vorsichtig aus dem Wagen. Jasper verkniff sich direkt einzugreifen oder die Sache mit ihrem Bein zu kommentieren. Er wusste, dass es nichts ändern würde. 

An der Treppe blieb sie stehen und seufzte. "Komm", sagte Jasper. "Nein, ich schaff das schon. Ist kein Problem. Muss mich nur erst dran gewöhnen", meinte Aryll und verhinderte so, dass er sei hochhob. Jasper seufzte, ließ aber zu, dass Aryll sich mit den Krücken die Stufen hochkämpfte. Immer dicht hinter ihr gingen sie so die Treppe nach oben. Fünf Minuten später waren sie angekommen. Aryll war ziemlich außer Atem. "Komm, setz dich", meinte Jasper und zwang sie schon fast dazu auf ihn zu hören. Er sah sie besorgt an. "Mir geht's gut." "Das hast du bereits gesagt." "Aber es stimmt. Es ist nur ein gebrochener Knöchel, mehr nicht." "Aryll...wir wissen beide, dass das nicht das ist, worüber wir uns unterhalten müssen." Sie seufzte. 

"Wenn du jetzt auch an meiner Loyalität euch gegenüber zweifelst..." "Das hab ich nicht gesagt." "Aber du hast es gedacht. Und versuch gar nicht erst es abzustreiten. Wir wissen beide, dass das eine Lüge wäre..." Jasper wusste, dass sie ihn zu gut kannte. "Bist du dir wirklich sicher, dass du dich weiterhin ständig dieser Gefahr aussetzen willst?" "Ich dachte wir hätten uns darauf geeinigt, dass du mir diese Frage nicht mehr stellen wirst?" Sie sah ihn an. Und er sah sie an. Aryll atmete tief durch. "Ich weiß, dass ich heute großes Glück gehabt habe. Ich weiß, dass es ganz anders hätte ausgehen können und ich würde lügen, wenn ich sage, dass es nicht stimmt, dass die Situation so brenzlich war, wie sie war. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich vermutlich tot wäre, wenn Carlisle mich nicht in letzter Sekunde weggeschubst hätte", sagte sie und pausierte dann für einen kurzen Augenblick. "Aber ich habe für mich beschlossen, dass ich nicht zulassen werde, dass dieser Vorfall etwas an meinen Gefühlen zu dir oder der Freundschaft mit Alice ändern wird. Ich werde nicht zulassen, dass die Angst vor dem was passieren könnte mein Leben bestimmt - nicht mehr. Ich bin es leid ständig vor allem und jedem davonzulaufen. Ihr habt mich von Tag 1 so akzeptiert, wie ich bin und ich werde mich definitiv nicht von den einzigen Menschen entfernen, bei denen ich jemals ich sein konnte, ohne, dass dafür verurteilt zu werden." 

Jasper wollte etwas sagen, doch Aryll lies ihn erst einmal nicht zu Wort kommen. Erst wollte sie alles gesagt haben, was sie sagen wollte. "Seit ich weiß, dass ihr Vampire seid, ist mir bewusst, in welche Gefahr ich mich begebe, wenn ich in eurer Nähe bin. Auch wenn ihr keine Neugeborenen seid und euch besser unter Kontrolle habt als Rosalie, weiß ich, dass...sowohl du als auch Alice mich jederzeit töten könntet. Ihr könntet jederzeit die Kontrolle verlieren. Aber ich habe mich damit abgefunden, dass es so ist. Aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich. Und das weißt du...denn das habe ich dir immer und immer wieder gesagt." 

Jasper machte den Mund auf, schloss ihn dann aber wieder. Er überlegte lange, was er sagen wollte. Es gab so vieles, doch nichts, was auf ihre Worte Bezug nehmen würde. Es wäre nur wieder der blinde Selbsthass und die Angst, sie würde nicht wissen, was ihre Entscheidung mit ihm zusammen zu sein für Auswirkungen auf ihr Leben haben könnte. Doch er wusste, dass sie das sehr wohl tat. Deswegen würden sie sich nur wieder im Kreis drehen und einen Streit wollte er auch nicht unbedingt provozieren. 

Alice hatte lange überlegt, ob sie nicht anklopfen und sich mit Aryll unterhalten sollte. Doch sie fand, dass es erst einmal besser war, wenn Jasper und sie sich aussprachen. "Ich kann morgen nach der Schule immer noch mit ihr darüber sprechen", dachte sie sich. Denn auch Alice hatte sich natürlich Gedanken zu der ganzen Sache gemacht. Eine Vision des Vorfalls hatte sie nicht, jedoch gab es Visionen, in denen Aryll ein Vampir ist. Diese hatten sich seit der Beziehung mit Jasper gehäuft. Doch weder mit ihr noch mit Jasper noch mit Carlisle hatte sie je darüber gesprochen. 

Ein paar Stunden vergingen. "Ich denke, ich sollte dann mal nach Hause gehen." "Wie denkst du, werden deine Eltern reagieren?", fragte Jasper besorgt. Aryll seufzte. "Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass Carlisle sie dazu bringen kann mir zu glauben. Ansonsten darf ich mir die gleichen Vorwürfe wie im Krankenhaus anhören." 

Carlisle wartete am Ende der Treppe. Schweigend gingen sie zu seinem Auto und stiegen ein. Carlisle hatte sich die letzten Stunden erneut Gedanken darüber gemacht. Auch wenn Aryll nicht mehr darüber sprechen wollte, der Vorfall hing wie eine unüberwindbare Wolke über allem. Es würde Zeit brauchen, bis diese sich wieder gelegt hatte. Auch bei Alice und Jasper.

Carlisle parkte vor dem Haus und sah Aryll an. "Wird schon schiefgehen", versuchte er die Situation aufzulockern. "Da kennst du meine Mum schlecht...", sagte sie nur und stieg dann aus dem Wagen. 

"Mrs. White", begrüßte Carlisle ihre Mutter, "es freut mich, sie kennenzulernen." "Dr. Cullen. Diese Freude teile ich. Sie sind ein Mann mit einem sehr guten Ruf hier in der Stadt." "Das freut mich zu hören." Arylls Mutter erkannte den Gips und die Krücken. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich sofort. "Liebling...Was ist passiert? Geht es dir gut?" "Ja Mum, mir geht es gut. Ich hab mir nur den Knöchel gebrochen, als ich auf der Treppe ausgerutscht bin." "Es tut mir sehr leid Mrs. White. Meine Frau Esme hat heute Nachmittag den Boden gewischt und als Alice und Aryll in die Küche gehen wollten, ist Aryll ausgerutscht und hat sich den Knöchel verdreht." Aryll versuchte nicht auffällig zu reagieren, als in ihrem Kopf die Erinnerungen an den wahren Vorfall abspielten. "Warum hast du mich nicht angerufen?", stellte sie die Frage an Aryll. "Weil Dr. Cullen sich direkt um mich gekümmert hat und mit mir ins Krankenhaus gefahren ist. Es ging alles so schnell und ich hab nicht dran gedacht. Tut mir leid." "Ich muss mich auch entschuldigen. Ich hätte sie im Krankenhaus anrufen und sie über den Unfall ihrer Tochter informieren sollen", versuchte Carlisle die Sache zu verteidigen. Daran hatte er nämlich überhaupt nicht gedacht. "Ist...ist schon gut. Ich hätte auch nicht mehr tun können als mit ihr ins Krankenhaus zu fahren. Vermutlich war es sogar besser, dass Sie sie direkt hingebracht haben." "Ich habe gebeten die Sache zu beschleunigen, also hat sie sich eine Menge Wartezeit gespart." 

"Hast du mit Dr. Norton gesprochen?" Aryll sah ihre Mutter verwirrt an. "Weiß er von deinem Unfall?" "Ich...Ich weiß nicht ganz, wieso er davon wissen sollte. Ich hab mir den Knöchel gebrochen. Er ist dafür nicht zuständig." "Ich meine ja nur...Er ist dein Psychiater, er sollte wissen, wenn du die Treppe runterfällst..." "Willst du mir damit unterstellen, dass ich es absichtlich gemacht habe?" Carlisle sah in Arylls Blick, dass er todernst war. So hatte er sie noch nie erlebt. Sie war schon oft auch mit ihm aneinander geraten - gerade nach dem Vorfall mit der Klippe. Das jedoch war nochmal eine ganz andere Aryll. "Um deine Frage zu beantworten: Ja, Dr. Norton weiß davon. Nicht, weil ich ihn informiert habe, sondern weil ich ihm zufällig über den Weg gelaufen bin und er mich gefragt hat, was passiert ist." "Und was hat er gesagt?" "'Gute Besserung' und 'Mit den Krücken hast du zumindest ein gutes Unterarmtraining'." "Mehr nicht?" Aryll biss die Zähne zusammen. "Mehr nicht." Dann sah sie Carlisle an. "Danke für's nach Hause fahren Carlisle." "Kein Problem. Wir sehen uns. Hat mich gefreut Mrs. White." "Gleichfalls." 

Bis(s) zum Schluss - Twilight FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt