Five

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Am nächsten Tag als Ardy aufwachte, war das erste, was er sah Taddl, der ihm den Rücken zugedreht und sich in seine Kissen gekuschelt hatte. Überall an den Kissen, der Decke und ihren Körpern war schwarze und grüne Farbe verteilt.
Oh fuck...
Irgendwie hatte er die Hoffnung gehegt, dass er sich einfach nur eingebildet hatte, dass sie sich letzte Nacht wirklich so nahe gekommen waren, dass sie nach einem gegenseitigen Handjob nackt zusammen in einem Bett eingeschlafen waren. Er hoffte es wirklich. Doch als er unter die Decke sah, sah er, dass er nicht nur nackt war, sondern dass sogar dort überall schwarze Farbe verteilt war, weil Taddl vorher noch sein Gesicht gestreichelt hatte, bevor er ihm einen runter geholt hatte. Da wusste er, dass es wohl wirklich passiert war.
Ratlos ließ er sich in die Kissen zurück fallen und fuhr sich durch seine vom Gel verklebten Haare. Scheiße. Das war nicht gut. Gar nicht gut.
Klar, es hatte passieren müssen. Irgendwann hatte es passieren müssen, da war er sich ziemlich sicher. Noch länger hätten sie diese sexuelle Spannung zwischen ihnen nicht ausgehalten. Aber was sollte er denn jetzt machen? Wie zum Teufel sollte es weitergehen? Was wollte Taddl? Was er selbst wollte war ihm nur allzu schmerzlich bewusst. Aber Taddl? Mit Sicherheit nicht. Der Oberproll, der gerne bei jeder Gelegenheit von irgendwelchen Exfreundinnen erzählte oder von Sex redete - heterosexuellem Sex? Nein, der wollte ihn bestimmt nicht.
Noch bevor Taddl aufwachte und sie so zweifelsohne gezwungen waren, miteinander zu sprechen, stand er vorsichtig auf, sammelte seine Hose und Boxershorts vom Boden und verließ Taddls Zimmer dann ohne noch einen Blick zurück zu werfen.
Überall im Flur lagen ihre Klamotten verteilt und Ardy kickte sie alle zu dem Haufen an dreckiger Wäsche, der schon neben der Waschmaschine lag.
Sein nächster Weg führte ihn ins Bad, wo er sich erst mal einschloss und ewig lange brauchte, um die schwarze Farbe von seinem Gesicht zu kratzen, bevor er unter die Dusche stieg und sich auch dort von jeglicher Farbe befreite. Ausnahmsweise benutzte er dafür sein eigenes Duschgel und nicht wie in den letzten Wochen meist das von Taddl. Aber da er den heimlichen Verdacht gehegt hatte, dass Taddl auch nicht immer sein eigenes Duschgel verwendet hatte, war das schon in Ordnung gewesen.
Aber heute, jetzt... jetzt ging das nicht. Jetzt musste er riechen wie er, musste aussehen wie er, musste denken wie er. Er brauchte einen klaren Kopf und musste allein sein.
Schnell rubbelte er sich die Haare trocken und föhnte dann noch kurz darüber. In seinem Zimmer zog er ein paar frische Klamotten aus dem Schrank, schnappte sich sein Handy und seine Kopfhörer. Im Flur zog er Schuhe und Jacke an, versteckte seine ungestylten Haare unter einer dicken Mütze, schnappte sich sein Longboard und den Schlüssel und verließ dann die Wohnung. Schnell rannte er nach unten durchs Treppenhaus und wäre dort fast mit Izzi zusammengestoßen, der gerade eben zur Eingangstür hereinkam.
„Heeey, na wie wars gestern auf der Party?", fragte Izzi ihn grinsend und klopfte ihm auf die Schulter.
„Ääähm...." Party? Oh fuck... ja, richtig. Erst jetzt drang wieder so richtig in sein Bewusstsein, dass sie gestern Abend nicht nur Sex gehabt hatten, sondern dass sie davor auch noch auf einer Party gewesen waren. Und dort schon rumgemacht hatten. Vor allen Leuten. Ach du scheiße...
„Ardy? Alles klar?"
„Äh, ja... sorry. Bin noch bisschen müde. Will gerade Frühstück holen", versuchte er sich zu erklären, während er sich schon halb an Izzi vorbei gedrückt hatte.
„Mach das, Bruder. Ich schau mal zu Felix, wie sein Date gelaufen ist", antwortete Izzi mit einem Grinsen und klopfte ihm zum Abschied wieder auf die Schulter.
Wie gut, dass seine Freunde sich schon gar nicht mehr wunderten, wenn er irgendwie verplant und langsam war.
Endlich vor der Tür angekommen ließ er sein Longboard auf den Boden gleiten, schaltete seinen Ipod an und fuhr los. Weg, einfach weg.
Er musste einige hundert Meter fahren, ehe er irgendwie wieder frei atmen konnte. Erst nach und nach drang alles wieder in sein Bewusstsein. Er hatte es einfach alles ausgeblendet und auch, wenn er sich jetzt nicht konzentrierte, war alles, was er vor seinem inneren Auge sah Taddls Augen, die die Seinen suchten, sein verschleierter Blick und sein leicht geöffneter Mund, als er mit einem lauten Stöhnen über seine Hand kam, sein Gesicht, das sich für einen weiteren Kuss dem Seinen näherte.
Schnell schüttelte er den Kopf und wäre beinahe in einen Mann mit Kinderwagen hineingefahren. Er wollte lieber nicht mehr darüber nachdenken, wie es dazu gekommen war, denn sonst würde er nur wieder hart werden. Das merke er schon, als er kurz daran zurück dachte, wie Taddl ihn gestern von hinten angetanzt hatte und mit den Händen auf seinem Körper ihre Hüften im Takt bewegt hatte, sein heißer Atem an seinem Hals.
Nicht daran denken, Ardy. Denk an was anderes.
Taddls tiefe Stimme in seinem Ohr, die ihm vorschlug, nach Hause zu gehen, sein Arm, der sich um seine Schulter gelegt hatte...
Nein, das brachte alles nichts. Er musste einfach akzeptieren, dass er mit Taddl Sex gehabt hatte. Sex unter besten Freunden, zwischen zwei Brudis. Das passiert schon mal. Zumindest würde Taddl es vielleicht so sehen - wenn er Glück hatte. Aber schließlich hatte er ihn gestern so verdammt heiß angemacht, hatte ihn eifersüchtig abgeschirmt, als dieser seltsame Riku ihn anmachen wollte, hatte ihn mit nach Hause in sein Bett genommen und dafür gesorgt, dass er gekommen war. So betrunken waren sie wirklich nicht gewesen, dass sie das irgendwie leugnen oder auf den Alkohol schieben konnten. Also musste er sich damit abfinden, dass er das Glück gehabt hatte, endlich mit Taddl Sex gehabt zu haben. Blieb nur noch die Frage, wie es jetzt weitergehen sollte. So richtig wusste er es nicht.
Auch nachdem er weit über eine Stunde mit dem Longboard viel zu schnell durch die Stadt gebrettert war, war er zu keiner anderen Lösung gekommen, als am besten so zu tun, als wäre nichts gewesen. Darüber reden und hören, wie Taddl sagte, dass es für ihn nur Sex gewesen war... nein, das würde er wirklich nicht aushalten.
Also beschloss er, ihr erstes Zusammentreffen nach der gestrigen Nacht so wenig seltsam wie möglich zu gestalten und hielt bei ihrem Lieblingsbäcker an, kaufte für Taddl sein liebstes Schinken-Käse-Croissant und für sich ein Käsebrötchen, bevor er sich - nun etwas sicherer - auf den Nachhauseweg machte.
Als er die Wohnung betrat, hörte er Musik aus Taddls Zimmer. Seine größte Angst, dass Taddl einfach fluchtartig die Wohnung verlassen hatte, war also schon mal nicht eingetreten. Er zog Schuhe und Jacke aus, legte das Longboard auf dem Schuhregal ab und ging dann in die Küche, um ihr Frühstück auf Tellern anzurichten. Dazu ließ er ihnen beiden noch einen heißen Kakao aus ihrem tollen Automaten und ging dann mit leicht schwitzigen Händen zu Taddls Zimmer. Wie immer klopfte er kurz, wartete keine Antwort ab und steckte seinen Kopf dann zur Tür hinein.
„Jo Bruder, Frühstück!"
Taddl saß gerade an seinem Schreibtisch und schnitt ein Video. Mit einem skeptischen Blick drehte er sich zu ihm um.
„Was gibt es?", fragte er ihn misstrauisch und Ardy war heilfroh, dass Taddl so reagierte, wie er ihn kannte.
„Schinken-Käse-Croissant und Kakao."
Bei dieser Antwort hellte sich Taddls Gesicht auf und er folgte ihm in die Küche.
Als sie gemeinsam am Tisch saßen und aßen, redeten sie nicht viel. Vor allem nicht über irgendetwas Wichtiges. Ardy erzählte ihm, dass Izzi wohl gerade Felix besuchte und Taddl zitierte ihm die neuesten gruseligen Kommentare unter ihrer letzten Brudicraft-Folge. Alles ganz normal.
Wären da nicht diese Blicke. Unsicher, abtastend, sich fragend, wie weit sie gehen konnten, ohne den Bereich der Freundschaft wieder zu überschreiten. Sich fragend, wie weit sie gehen konnten, so dass der andere es noch zulassen würde. Mit keinem Wort sprachen sie über die gestrige Nacht, über ihre Kostüme, die Party oder Taddls mit Farbe versaute Bettwäsche.
Scheinbar hatte sich Taddl ebenfalls dazu entschieden, einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen. Es tat weh, aber es war in Ordnung. So weit in Ordnung, wie es eben sein konnte.
Doch kaum waren das Croissant und das Brötchen aufgegessen und ihre Hände hatten keine Beschäftigung mehr, wurde es irgendwie schlimmer. Sie wussten nicht mehr, was sie sagen sollten, konnten sich kaum in die Augen sehen und drucksten nur noch herum, bis sie schließlich beide in ihre Zimmer verschwanden mit der Ausrede, irgendwas arbeiten zu müssen.
Statt wirklich zu arbeiten, setzte er sich jedoch seit langer Zeit wieder einmal vor den Fernseher und zappte sinnlos hin und her. Eigentlich war ihm egal, was lief. Hauptsache irgendwas, das ihn davon ablenken konnte, dass der Sex mit seinem besten Freund, den er sich schon so lange erhofft hatte, womöglich ihre Freundschaft zerstört hatte.
Als es Abend wurde, merkte Ardy am deutlichsten, dass etwas zwischen ihnen einfach nicht mehr stimmte. Normalerweise würden sie jetzt entweder gemeinsam Videos aufnehmen, gemeinsam auf Taddls Bett liegen und irgendeine Serie ansehen, zusammen Essen gehen oder sich zumindest etwas zu Essen bestellen.
Stattdessen lag er mittlerweile alleine in seinem Bett, hörte wie Taddl im Flur rumorte und dann die Wohnung verließ, ohne ihm überhaupt Bescheid zu sagen, dass er ging.
Das war neu und das tat weh. Verdammt weh.
Er zerbrach sich den Kopf und dachte wieder und wieder darüber nach, wie er aus dieser verdammt beschissenen Situation wieder herauskam. Doch ihm fiel einfach nichts ein. Nichts, außer mit Taddl darüber zu sprechen, aber das wollte er nicht. Erstmal abwarten, wie die nächsten Tage so liefen. Doch wenn es so weiterging wie heute, dann würde er etwas unternehmen müssen. Denn es war zwar krank und irgendwie besorgniserregend, aber schon nach diesen wenigen Stunden, in denen sie nun nicht miteinander gesprochen hatten, vermisste er seinen besten Brudi unglaublich.
Wie bescheuert es gewesen war, das alles aufs Spiel zu setzen. Nur für Sex und weil er sich eingebildet hatte, dass Taddl genauso fühlte wie er. Als ob.

T zu dem ArdyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt