„Was? Nein, so ein Quatsch. Ich dachte nur, ich könnte dich... wir haben uns ja schon so lange nicht mehr gesehen und..."
Doch seine Mutter sah ihn nur mit einem allzu verständnisvollen Lächeln an, strich ihm über die Haare und schob ihn dann durch die Tür, während sie nur meinte:
„Jaja, jetzt komm erst mal rein. Da reden wir dann später drüber."
Er war wirklich sehr froh, dass sein Vater seiner Mutter „nur" das Herz gebrochen, aber ihr wenigstens das große Haus gelassen hatte. So stand sein altes Zimmer immer noch fast genauso zur Verfügung, wie er es zurück gelassen hatte. Die Regale und der Schrank waren fast leer geräumt. Aber sein Bett stand noch im Zimmer, ein Fernseher und seine alten Konsolen, die er gar nicht erst mitgenommen hatte, weil Taddl die gleichen hatte und es unnötig war, zweimal die gleiche Konsole in der Wohnung stehen zu haben, wenn sie eh nur gemeinsam zockten.
Und schon wieder dachte er an Taddl. Schon wieder tat es weh.
Er hoffte einfach nur, dass es in den nächsten Tag besser wurde. Doch wenn seine Mutter, die ihm gerade einen heißen Kakao kochte und ihn dann fragte, welche frischen Kuchen sie ihm denn backen sollte, ihn weiterhin so verwöhnte, würde es vielleicht gar nicht so lange dauern. Zumindest hoffte er das.
Doch da seine Mutter arbeiten musste und seine Geschwister nicht da waren, war er dann doch die meiste Zeit allein im Haus und hatte keinen Antrieb für gar nichts. Er lag lange im Bett ohne zu schlafen. Klickte seine schon aufgenommenen Videos durch, ohne eines zu schneiden oder gar hochzuladen. Insgesamt waren auf seinem Kanal jetzt schon seit fast zwei Wochen keine neuen Videos mehr erschienen.
Sein Handy hatte er mittlerweile wieder an, ignorierte jedoch zumindest alle Nachrichten von Taddl. Und das war nicht ganz so einfach, da von ihm pro Tag mindestens 5 Nachrichten ankamen und alles in ihm danach schrie, ihm einfach zu antworten. Aber irgendwie konnte er einfach nicht. Stattdessen hatte er ein kurzes Telefonat mit Simon geführt, der ihn angerufen hatte.
„Boah Ardy, was machst du für ne Scheiße? Wo bist du? Wir machen uns alle total Sorgen", warf er ihm ungehalten vor - für Simon eher untypisch.
„Tut mir leid", antwortete er zerknirscht und erklärte ihm dann, dass er bei seiner Mutter war.
„Geht's dir einigermaßen gut? Taddl macht mich sonst nämlich noch absolut wahnsinnig, wenn ich das jetzt nicht erfahre."
„Wieso das?", fragte er verwirrt und kuschelte sich wieder in seine Bettdecke. Denn er lag noch immer im Bett. Den ganzen Tag schon. Der Fernseher lief, aber er sah nicht hin. Der Laptop war auch an, stand jedoch nur unbeachtet neben ihm. Sogar sein alter Gameboy inklusive blauer Pokemon-Edition lag spielbereit und dennoch unberührt auf seinem Nachttisch.
„Wieso? Weil der arme Junge bald durchdreht vor lauter Sorge um dich. Dann antwortest du ihm auch nicht und er rennt mir jeden Tag die Bude ein und sitzt den ganzen Tag bei mir oder bei Dner rum, falls du dich bei einem von uns beiden melden solltest, damit er wenigstens weiß, dass es dir gut geht."
„Hm..."
Irgendwie bekam er langsam wirklich ein schlechtes Gewissen, dass er Taddl nicht mal ein einziges Lebenszeichen geschickt hatte. Schließlich hätte er ihm einfach sagen können, dass er nur eine kurze Auszeit, ein bisschen Abstand brauchte, um seinen Kopf wieder klar zu kriegen. Taddl hätte es verstanden. Er verstand ihn immer. Wenn nicht er, wer dann.
„Kannst du das - was auch immer da ist - bitte bald mal in den Griff kriegen? Der macht mich echt wahnsinnig. Das ging schon gleich am ersten Tag los, als du weg warst. Da ist er schon fast durchgedreht, weil du die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen bist."
„Ja, das... das war..."
„Ist schon okay. Ich bilde mir da kein Urteil drüber. Ich seh nur, dass es dir scheiße geht, dass es ihm scheiße geht und dass die beiden besten Brudis scheinbar nicht ohneeinander können." Nun war Simon wieder ganz der alte, verständnisvolle Youtube-Haus-Papa.
Simons Worte hatten ihm wirklich zu denken gegeben und schon bald darauf hatten sie ihr Telefonat auch schon wieder beendet. Doch Ardy fühlte sich nach diesen paar Minuten schon gleich wieder ganz anders. Viel lebendiger - oder zumindest ein bisschen, Und das warme Taddl-Gefühl, das sein Herz immer umschlungen hielt, war wieder ein klitzekleines bisschen zurückgekehrt. Taddl machte sich Sorgen um ihn und ihm ging es scheiße. Also ihre Freundschaft wollte er scheinbar auf jeden Fall schon mal wieder. Ob er nun mehr wollte oder nicht konnte Ardy mittlerweile überhaupt nicht mehr einschätzen. Dafür hatte er in den letzten Tagen alle ihre Konversationen und gemeinsamen Unternehmungen, alle ausgetauschten Worte und versandten Nachrichten der letzten Wochen so kaputt gedacht, dass er am Ende schon fast nicht mehr wusste, was wirklich passiert war und was er sich vielleicht nur eingebildet hatte. Doch an Taddls Lippen auf seinen würde er sich immer erinnern. Denn die waren echt gewesen.
Während er sich seine Bettdecke bis zum Kinn hoch zog, öffnete er das erste Mal seit drei Tagen seinen WhatsApp-Chat mit Taddl. Wie viele Nachrichten er ihm hinterlassen hatte war wirklich unglaublich. Anfangs war er noch wütend gewesen, dann eher traurig und verzweifelt, zwischendrin noch ein wenig ratlos und seine letzte Nachricht war einfach nur noch gewesen:
„Ich vermisse dich, Bruder."
Nicht mehr und nicht weniger. Und diese Nachricht war um 4 Uhr nachts bei ihm angekommen.
Was nun wirklich den Ausschlag gab, ob Simons Worte, Taddls letzte Nachricht oder die Uhrzeit, um die er sie abgeschickt hatte, er wusste es nicht. Aber seine Finger zitterten leicht und sein Herz pochte etwas schneller gegen seinen Brustkorb, als er seine erste Nachricht an Taddl seit ihrer gemeinsamen Nacht abtippte.
„Tut mir leid, Brudi. Ich brauchte einfach nur ein bisschen Zeit."
Bevor er lange darüber nachdenken und den Satz noch zehn Mal verändern konnte, bis er gar nicht mehr nach ihm selbst klang, schickte er die Nachricht einfach ab. Es war ein erster Schritt. Wie Taddl darauf reagierte, blieb abzuwarten.
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T zu dem Ardy
FanfictionKöln. Es sollte die Zeit ihres Lebens werden. Eine neue Stadt, eine neue Wohnung, eine gemeinsame Wohnung. Eine gemeinsame Zukunft mit den geilsten Menschen, die er sich vorstellen konnte. Und vor allem mit Taddl. Zumindest hatte er das geglaubt. Do...