𝖪𝖺𝗉𝗂𝗍𝖾𝗅 𝟪

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Ich habe die ganze Stunde über nur viermal meinen Kopf gehoben, und zwar jedes Mal, wenn Mr. Ross eine neue Gleichung an die Tafel geschrieben hat, die wir berechnen sollten. Ansonsten blieb ich die ganze Zeit mit gesenktem Haupt, denn beim Gedanken, ihm auch nur sekundenlang in die Augen zu schauen, spürte ich ein unbehagliches Ziehen in der Magengegend.

Wieso muss ich ausgerechnet in der ersten Unterrichtsstunde an diesem Montag gemeinsam mit ihm sein?
Hasst mich das Universum wirklich so sehr?

»Da Mr. Baker sich mal wieder verspätet hat, muss er zum Abschluss nun seine Lösungen an die Tafel schreiben«, erklärt unser Mathelehrer lautstark und streckt Zayne den Tafelstift entgegen.

Ein genervter Seufzer ertönt neben mir und Zayne erhebt sich, um den Tafelstift entgegenzunehmen und gelassen zur Tafel zu gehen.

Mehrere Sekunden lang steht er mit dem Rücken zur Klasse da, wobei sein Kopf immer wieder zwischen der Tafel und der Uhr, welche über der Klassentür hängt, hin- und herschaut.
»Kann das nicht einfach irgendein Streber machen?«, sagt er gereizt.
»Ich habe echt keine Lust auf diese Scheiße.« Er dreht sich genervt zur Klasse um und sieht mit einem strengen Blick an mir vorbei zu den kichernden Mädchen hinten im Raum.

»Miss Davies, bitte zeigen Sie doch ihren Mitschülern, wie man die Gleichungen löst«, ertönt Mr. Ross' Stimme neben mir.

Er steht neben mir, Arme überkreuzt und betrachtet aufmerksam meinen Block voller aufgeschriebener Rechnungen.
Mit einem Nicken erhebe ich mich von meinem Stuhl und gehe auf Zayne zu.

Ich greife mir den Tafelstift aus seiner Hand, ohne meinen Kopf zu heben. Dann schreibe ich die einzelnen Rechenschritte mit der Lösung neben die ursprüngliche Aufgabe an die Tafel. Hinter mir ist ein leicht gereiztes Seufzen zu hören, welchem ich jedoch keine Aufmerksamkeit schenke.

»Sehr gut, Miss Davies«, lobt mich Mr. Ross.
»Sehen Sie, Mr. Baker? So einfach ist das.« Ich lege den Tafelstift auf dem Lehrerpult ab und in dem Moment ertönt das Schulglöckchen, das das Ende der Stunde verkündet. Ohne, dass der Lehrer noch etwas sagen kann, stürmen die Schüler bereits alle gleichzeitig aus dem Raum.

Ich eile hastig zurück zu meinem Platz, als ich plötzlich angerempelt werde.
Es ist niemand Geringeres als Zayne.
»Steh nicht im Weg herum!« Sagt er ziemlich ruppig zu mir.

Damals hätte ich mich auf der Stelle auf eine Mädchentoilette verkrochen und mich hinter einer der Kabinen versteckt, um niemandem meinen verletzten Ausdruck zu zeigen.

Mein heutiges Ich hingegen würde sich niemals dieserart Behandlung gefallen lassen.
Allerdings stehe ich nur stumm da und kein einziges Wort dringt über meine Lippen, während er bereits aus dem Klassenraum stürmt.

Seine bitteren Worte schallen in meinem Kopf wie ein Echo in einer endlosen Schleife. Das Bild seines verbissenen Gesichtsausdrucks, als würde er gerade dabei sein, einen Käfer zu zertreten, wollte einfach nicht verschwinden, egal, wie sehr ich es mir versuche.

Mit einem kräftigen Schwung werfe ich die Tür meines Spinds zu, nachdem ich mein Mathebuch hineingelegt und stattdessen mein Biobuch herausgenommen habe.
Die Tür kracht mit einem Knall ins Schloss, der noch durch den überfüllten Flur hallt.

»Bereit für die nächsten beiden Stunden?« Höre ich plötzlich Sierras Stimme neben mir.
Sie hebt freudestrahlend ihr Biobuch in die Höhe. Glücklicherweise habe ich die nächsten zwei Stunden gemeinsamen Biounterricht mit ihr.

Warum tut er so, als hätte ich etwas falsch gemacht?
Als wäre ich hier diejenige, die sich gegen ihn gestellt hat!

»Nicht wirklich ...«, seufze ich.

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