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"Guckt doch mal, wie Erin die ganze Zeit lächeln muss!"
Wir sitzen alle im Wohnzimmer am Esstisch und ich kann keinen Bissen nehmen, ohne bis über beide Ohren zu grinsen.
"Erin, warum bist du denn so rooot?" Fast verschlucke ich mich an meinem Abendessen.
"Lass deine Schwester mal für einen Moment in Ruhe, Rick, sonst bekommt sie heute nichts vom Essen runter.", ermahnt Mom meinen kleinen Bruder, aber selbst sie muss sich ein Grinsen verkneifen.
"Pass mal auf, kleiner Mann, wenn du so alt bist wie Erin und auch verliebt bist, dann wirst du genauso rot.", witzelt Dad.
"Ich... bin nicht verliebt." Nein, natürlich nicht.
Frustriert lege ich meine Gabel neben den Teller und lehne mich zurück. "Und danke, ich habe keinen Hunger mehr. Aber es war sehr lecker, Mommy."
"Seht ihr, Jungs, jetzt habt ihr ihr das Essen verdorben. Aber Erin, Schätzchen, jetzt kannst du es ja erzählen. Hast du ein Geschenk von Scott bekommen?" Sie zwinkert mir zu.
"Oh, wer ist denn Scott, etwa Erins neuer Freund?", schreit Rick und handelt sich von mir einen vernichtenden Blick ein.
"Mäuschen, du musst ihn mal mit herbringen, ich muss doch meinen Schwiegersohn begutachten.", sagt Dad und lächelt mich wohlwollend an. Toll. Mom hat es ihm also erzählt. Aber er scheint meiner vermeintlichen Beziehung mit Scott positiv gegenüber zu stehen.
"Wie heißt er? Scott? Wie toll! Erin und Scott sitzen auf'm Baum..." Rick fängt an zu singen. Grandma versucht, ihn davon abzuhalten. Sie lächelt mich an.
"Darf ich hochgehen, Mom?" Ich hoffe, sie sieht das Flehen in meinem Blick.
Lächelnd nickt sie mir zu und ich stehle mich davon.

Oben in meinem Zimmer lasse ich den Teddy nicht aus den Augen. Ich zweifle daran, dass er für mich war. Bestimmt ist er für jemand anderen und Henry hat ihn aus Versehen mir gegeben.
So ein Quatsch. Natürlich ist er für mich. Ich muss mich bedanken.

8.30 p.m.
Danke für das Geschenk.
xoxo

Ich glaube, die Botschaft, die der Bär in der Pfote hält, werde ich mir einrahmen und neben mein Bett stellen, damit ich sie jeden Morgen und jeden Abend sehen kann.
Mein Handy piept.

Henry, 8.33 p.m.
Gerne. Gefällt es dir?

8.35 p.m.
Ja, ich finde es wundervoll. Eine süße Idee. Der Teddy ist fast süßer als du ;-)

Henry, 8.38 p.m.
Puh, nur fast. Da habe ich ja nochmal Glück gehabt, hm?
Es freut mich, dass es dir gefällt. Hast du auch den Zettel gelesen?

8.42 p.m.
Ja.

Henry, 8.43 p.m.
Und ... fürchtest du dich noch?

8.50 p.m.
Die Zeilen auf diesem Zettel sind so ziemlich die schönsten, die ich jemals gelesen habe. Wenn ich bei dir bin, fürchte ich mich vor gar nichts.
... Wir werden sehen, wie es ist, wenn die Schule weitergeht. Da kannst du mich leider nicht beschützen.

Der Gedanke, dass es auch eine Zeit nach den Weihnachtsferien gibt, lässt in mir die Angst aufsteigen. Wenn ich nur daran denke, wieder mitten in der Klasse zu sitzen und das alles über mich ergehen lassen zu müssen, bildet sich ein riesiger Kloß in meinem Hals und ich bekomme Schweißausbrüche. Selbst wenn wir mit Henry Unterricht haben - er kann mich nicht beschützen, nicht so, wie wenn wir alleine sind. Alles, was er tun kann, ist, die Anderen zurechtzuweisen, aber das hilft erfahrungsgemäß eher wenig.
Es dauert eine ganze Weile, bis von Henry eine Antwort kommt. Wahrscheinlich weiß er selber nicht, was er dazu sagen soll. Wer kann es ihm verdenken.

Henry, 9.00 p.m.
Das stimmt.
Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich jedes Mal zusammenreißen muss, wenn sie dich wieder nicht in Ruhe lassen. Aber ich bin der Lehrer und ich kann - ich darf - nichts anderes machen als Strafarbeiten zu verteilen und zu meckern. Aber du weißt ja selbst, wie viel das dir weiterhilft.
Erin, wenn ich nur irgendetwas tun könnte, um dir ein bisschen zu helfen...

Don't.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt