Kapitel 19

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[Jennifer Lopez - Let's Get Loud]

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Hannah's Pov

"Hannah!" Ich drehe mich um und sehe meinen Bruder auf mich zukommen. "Wohin gehst du?", fragt er mich, als er vor mir zum Stehen kommt. Ich war gerade dabei, meine Schuhe anzuziehen, um mich mit Maxi zu treffen. Aber ich kann Nick schlecht davon erzählen, oder? Irgendwann wird er es aber wahrscheinlich so oder so herausfinden. Es wäre schlecht für mich, wenn ich mich in noch mehr Lügen hinein reite. Also gut, here we go.
"Auf ein Date", platzt es atemlos aus mir heraus. Habe ich die Luft angehalten? Ich sehe zu, wie die Augen meines Bruders größer werden. "Du tust was?"
"Ich treffe mich mit jemandem?" Ich starre ihn an und rede daraufhin weiter. "Ist das ein Problem?" Auf eine Antwort wartend sehe ich zu ihm auf und es scheint so, als müsste er die Nachricht verdauen. Ich glaube, er ist etwas vorsichtig. Er weiß das von mir und meinem Ex und seitdem ist er auch etwas schützend. "Nein natürlich nicht, aber pass auf dich auf." Sag ich doch. Ich beuge mich nach unten und verschließe mir noch den Schuh, den ich nicht mehr zubekommen habe, da Nick mich unterbrochen hat. "Klar, Bruderherz." Ich stehe wieder auf und mein Lächeln verblasst, als ich seiner ernsten Miene entgegensehe. "Was ist?", will ich von ihm wissen.
"Von wo kennst du ihn überhaupt?" Er will immer so viel wissen, da denke ich mir, er würde einen super Polizisten abgeben. "Woher willst du wissen, dass es ein Typ ist?" Lächelnd sehe ich ihn an und kann erkennen, wie sich auch ein kleines Lächeln auf seinen Lippen abbildet. "Also, woher?" Er ist echt stur. "Ich habe ihn auf einer der Partys kennengelernt, auf der wir waren", gebe ich dann schließlich von mir. "Auf der ersten, um genau zu sein, wo du einfach abgehauen bist." Ich nehme es ihm überhaupt nicht mehr übel, dass er das gemacht hat, aber sein fallendes Lächeln ist unbezahlbar. "Schau nicht so, ich mache nur Spaß, war halb so schlimm." Maxi hat mir ja Gesellschaft geleistet. Maxi! Ich komme noch zu spät.
Ich sehe auf die goldene Uhr an meinem Handgelenk, und tatsächlich, ich muss mich beeilen. "Ich muss jetzt aber echt los, Nick. Bis später!" Ich gebe ihm als Entschuldigung und Verabschiedung einen schnellen Kuss auf die Wange und verschwinde aus der Tür.
Zusätzlich zu der Armbanduhr ziert mich noch ein Vivienne Westwood Perlen Armband. Diese zwei Accessoires prallen schon nach Reichtum, aber was solls, ohne fühle ich mich nackt, wenn das Sinn ergibt und vielleicht fallen sie nicht so auf. Außerdem trage ich eine weiße Stoffhose, die mir bis zu den Knöcheln geht und ein dunkelblaues Top, dazu eine kleine weiße Handtasche, mit meinem Handy, den Schlüsseln und der Geldbörse, in der diesmal nicht so viel Geld ist, drinnen. Die weißen und leicht hohen Sandaletten lassen mich etwas größer wirken und ich fühle mich, als wäre ich aus dem Film Mamma Mia entsprungen. Ich weiß nicht, was Maxi geplant hat, aber ich freue mich schon.

Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als ich mich auf den Weg zum kleinen Café, in dem Maxi und ich schon einmal waren, machte. Es war ein warmer Sommerabend in Lindos, und die Luft war von dem Duft des salzigen Wassers erfüllt. Mein Herz klopfte schneller als gewöhnlich. Ich habe Maxi in den letzten Tagen immer besser kennengelernt, und jetzt habe ich etwas bange davor, dass unser Treffen ein Reinfall wird. Wieso weiß ich nicht.
Maxi ist schon da, als ich ankomme. Er sitzt an einem Tisch mit Blick auf das Meer und winkt mir lächelnd zu. Sein braunes Haar leuchtete in der Sonne, und seine braunen Augen funkelten tatsächlich vor Freude, als er mich kommen sieht. Oh mein Gott, das macht mich nur noch aufgeregter.
"Hey, Hannah!", rief er und stand auf, um mich zu begrüßen. "Du siehst toll aus." Na toll, jetzt werde ich auch noch rot, das kann ich spüren.
"Danke."
Maxi setzte sich wieder und ich tat es ihm gleich. Nach unserer Bestellung wurden zwei kalte Limos vor uns hingestellt und wir begannen zu quatschen. Das Gespräch floss Gott sei Dank unbeschwert. Er erzählte mir von weiteren Geschichten, die die wilden Kerle erlebt haben und ich könnte diese Geschichten immer wieder hören, ich hänge förmlich an seinen Lippen.
"Ich würde gerne mal einen Song über diesen Sommer schreiben", platzt es aus mir heraus. Wie komme ich jetzt darauf? An so etwas habe ich noch nie gedacht.
Ich sehe Überraschung in Maxis Blick und das wundert mich nicht. Ich bin genauso überrascht. Ich habe doch gar keine Ahnung, wie man überhaupt einen Song schreibt.
"Interessant. Den möchte ich dann aber gerne hören. Versprochen? Und dann hättest du auch ein Hobby gefunden, weißt du noch?", meint er und sieht mich motivierend an. Und ich nicke, natürlich weiß ich das noch. Wir haben über Hobbys bei unserer ersten Begegnung gesprochen. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen soll, da ich nicht wirklich eins habe.
Aber wie kann er nur so herzlich sein? Er glaubt mehr daran, dass ich einen tollen Song zustande bringe als ich.
"Klar, wenn ich hinbekommen einen zu schreiben", sage ich schüchtern und werde schon wieder rot. "Aber sicher bekommst du das hin. Wenn du's genug willst, schaffst du es."
Nach einer Weile schlug Maxi vor, das Café zu verlassen und einen Spaziergang am Strand zu machen. Die Sonne tauchte die Landschaft in ein goldenes Licht, und das Rauschen der Wellen bot eine perfekte Hintergrundmusik für unsere Unterhaltung.
Mittlerweile habe ich meine Schuhe ausgezogen und trage sie in der Hand. Maxi tat das Gleiche. Der Sand ist warm, wir spüren das kühle Wasser an unseren Knöcheln, da wir nah am Wasser spazieren gehen und lachen über die Wellen, die uns manchmal überraschen. Es fühlte sich wirklich an, als ob wir uns schon ewig kannten. Nur ist das definitiv nicht der Fall. Bei ihm vergesse ich einfach alles.
"Ich liebe diese Aussicht", gebe ich von mir und bleibe stehen, um den Blick über das glitzernde Meer zu genießen.
"Wirklich wunderschön", stimmt Maxi zu, sieht aber statt auf den Horizont hinaus, zu mir hinunter. Ich muss augenblicklich lächeln und er tut es auch. Sein Grinsen ist wunderschön. "Wollen wir ins Dorf? Ich habe gehört dort soll es auch recht schön sein", fragt er mich und sein Lächeln verrutscht keinen Millimeter.
Ich nicke begeistert und wir machen uns auf den Weg in die Altstadt von Lindos. Die engen, gepflasterten Gassen waren voller Leben. Ehrlich, überall war irgendwas los. Touristinnen und Touristen und Einheimische schlenderten vorbei, und aus den kleinen Tavernen drang der Duft von gegrilltem Fisch und frischen Kräutern. Bunte Laternen hingen zwischen den Häusern und verliehen dem Abend eine romantische Atmosphäre. Einfach nur Perfekt.
Maxi reichte mir seine Hand, damit wir uns nicht verlieren und dies schlich ein Kribbeln zuerst in meine Hand, aber dann durch meinen ganzen Körper. Wir bleiben auch immer wieder stehen, um kleine Geschäfte zu bewundern oder sich über eine besonders hübsche Ecke zu freuen, wo Einheimische einfach ihr Leben leben. Sowas wünsche ich mir auch zu gerne.

Als wir von weiter entfernt Musik wahrnehmen, sehen wir uns an und auf Anhieb wussten wir, dass wir dorthin wollen. Aber mal ganz ehrlich, befinden wir uns überhaupt noch auf Rhodos, die Musik sagt da irgendwie etwas anderes. Als wir bei einem Dorfplatz ankamen, sahen wir, wie ungefähr 30 - oder sogar mehr - Menschen zu dem Song Let's get loud tanzten.
Wir stellen uns an den Rand und beobachten die tanzenden Menschen und das zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Alle sehen so gelassen und zufrieden aus. Man erkennt auch, dass Touristinnen und Touristen mitmachten, denn sie beherrschen die Schrittfolge nicht so gut wie die lokalen Bewohnerinnen und Bewohner. Ungefähr in der Mitte des Songs kommt eine braunhaarige, recht große und ungefähr Ende zwanzig Jahre alte Frau auf uns zu und zieht Maxi an seinem Arm in die Mitte der Fläche. Zuerst wollte er nicht, gab dann aber nach. Ich stehe nur lachend auf der Seite und muss zusehen, wie Maxi keine Ahnung hat, was er tun soll. Er steht so unbeholfen zwischen den ganzen Tänzerinnen und Tänzern, dass es schon fast niedlich ist. Schneller als mir recht ist, stehe ich jetzt auch auf der Tanzfläche. Ich kann aber noch immer nicht aufhören zu lachen, es ist einfach zu schön. Im Gegensatz zu Maxi, der trotzdem weiter entfernt steht, versuche ich den Einheimischen zu folgen. Einfach mal an nichts denken und machen. Es macht wirklich Spaß und später sehe ich, wie Maxi es auch versucht. Wir sehen sicher nicht perfekt aus, aber darum geht es auch nicht.
Am Ende des Liedes treffen Maxi und ich auf einmal zusammen und stehen voreinander. Ich kann nicht anders als ihn anzulächeln. Ihm scheint es aber nicht anders zu gehen. Als die Musik langsamer wurde, wurden wir beide von hinten angestupst und somit näher zusammen gebracht. Echt klischeehaft, aber auch schön. "Willst du tanzen?", fragt mich Maxi und sieht dabei ein bisschen verlegen aus. Ich nicke nur lächelnd und schon reicht er mir seine Hand.

Als die Sonne langsam dabei war unterzugehen, suchten wir uns eine gemütliche Taverne aus, um Abend zu essen. Wir fanden auch recht schnell eine gute und ziemlich vollbesetzte Schenke und setzten uns an einen Tisch im Freien, und bestellten griechische Spezialitäten wie: Moussaka, Kykladen Salat und griechisches Pita. Es gab so viel Auswahl, dass wir uns zuerst gar nicht entscheiden konnten. Aber nachdem der Salat kam und wir ihn gekostet hatten, wussten wir, dass wir uns richtig entschieden haben. Das Moussaka schmeckt genauso himmlisch.
"Das Essen hier ist unglaublich", meine ich zu Maxi, als ich einen weiteren Bissen von der Moussaka nahm.
"Ja, es ist wirklich gut", antwortete Maxi und reichte mir den Teller mit dem griechischen Brot.
Wir genossen das Essen und unser Gespräch, welches wir führten und lachten darüber, wie Maxi und danach auch ich auf die Tanzfläche gezogen wurden. Zum Nachtisch bestellten wir uns dann noch Honigbällchen.
Als der Kellner schließlich mit der Rechnung kam, griff Maxi sofort danach. Ich schaute ihn nur an und war auch dabei, meine Geldbörse aus der Tasche zu nehmen.
"Das geht auf mich", sagte er mit einem Lächeln.
"Das musst du ehrlich nicht", protestierte ich, doch Maxi bestand darauf. "Doch, ich will." Ich bedanke mich natürlich bei ihm und er bezahlte.
Wir verließen die Taverne und schlenderten langsam zurück zum Strand. Dorthin, wo wir unseren ersten Abend miteinander verbracht haben, dort landen wir irgendwie öfter. Der Mond spiegelte sich im Wasser, und die Sterne funkelten hell am Himmel.
"Ich bin froh, dass ich dich hier getroffen habe, Hannah", sagte Maxi plötzlich und leise.
"Ich auch", musste ich zugeben. Wie könnte ich nicht? Maxi nahm erneut meine Hand und ich ließ es natürlich zu. Wir gehen also Hand in Hand weiter, und ich wusste irgendwie, dass dieser Abend der Beginn von etwas ganz Besonderem war. Ohne Lügen. Deswegen beschloss ich, erstmal nichts zu sagen, um unsere Momente nicht zu zerstören.

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