[Sara Bareilles - Barve]
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Hannah's Pov
Als ich in den Essbereich komme, wundere ich mich, dass der Tisch gedeckt ist. Überall auf dem Esstisch steht etwas zum Essen. Von aufgebackenen Brötchen, Toast und Waffeln über Speck, Rührei, Wurst, Käse und Aufstriche bis hin zu Obst und Gemüse.
Wir mussten unser Frühstück im Ferienhaus eigentlich immer selbst zubereiten - da das Personal nicht mitkommt -, oder wir gingen frühstücken, also frage ich mich, wer das hergerichtet hat.
"Morgen." Mein Bruder sieht verschlafen aus, als er neben mir stehen bleibt. Seine Haare sind zerzaust, er gähnt und streckt sich - dabei zuzusehen, lässt mich wieder müde werden. "Was ist denn hier los?", will Nick von mir wissen, da ich ihm aber keine Antwort geben kann, zucke ich einfach nur mit meinen Schulter. "Glaubst du, haben wir Besuch?", gähnt mein Bruder hervor. "Glaube ich nicht, dafür ist es zu ruhig, aber es kann dennoch sein, dass erst jemand kommt." Ich frage mich gerade, ob wir uns einfach hinsetzen sollen - da kommen schon unsere Eltern aus dem Garten und strahlen uns an. "Morgen, Kinder", flötet Dad und setzt sich an den Tisch, unsere Mutter tut es im gleich und Nick und ich sehen uns nur verwirrt an. "Was ist? Wollt ihr euch nicht setzen?", hinterfragt Mum, woraufhin ich meinen Bruder nochmal irritiert ansehe. Sein Ausdruck im Gesicht sieht nicht anders aus, obwohl er geradeaus starrt und diesmal nicht zu mir sieht. Wir setzen uns vorsichtig, wissen aber nicht, was wir sagen oder tun sollen, als unsere Eltern sich etwas zum Essen nehmen und zu frühstücken beginnen. Das Ganze hier ist echt merkwürdig, wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr zusammen gefrühstückt. Also ja schon, in einem Restaurant oder einer Bäckerei, aber nicht so.Bevor Nick nach einem Brötchen greift, wirft er mir nochmal einen überraschten Blick zu und beginnt dann auch zu essen. Ich sitze aber nur da und will wissen, was los ist. Es kann nicht sein, dass meine Eltern sich von heute auf morgen dafür entschieden haben, zusammen zu frühstücken, und das sollen sie noch alles selbst gemacht haben? Vielleicht haben sie es auch einfach herbringen lassen und es soll so aussehen, als hätten sie es zubereitet...das würde schon mehr Sinn ergeben.
"Was ist los?", hinterfrage ich, verschenke meine Arme vor meiner Brust und lehne mich an die Stuhllehne. Alle hören auf mit dem, was sie gerade tun, und sehen zu mir. "Was soll los sein, mein Schatz?", statt mir zu antworten, stellt mir meine Mutter eine Frage zurück, war so klar. "Ich will wissen, warum ihr auf einmal auf glückliche Familie macht." Meine Miene wurde ernster und ich ziehe eine Augenbraue fragend nach oben. Ich sehe zwischen meinen Eltern hin und her und merke, dass ich genau ins Schwarze getroffen habe. Ich erblicke den Ausdruck im Gesicht meiner Mutter, den ich unter Tausenden erkennen würde, sie sieht verlegen und gleichzeitig ertappt aus, während mein Vater verdächtig schluckt. Ich erkenne, was sie vorhaben. Sie wollen sich ernsthaft mit einem Frühstück, das vermutlich nicht mal von ihnen ist, einschleimen. Sie wissen genau, was sie tun, und es provoziert mich so sehr, dass ich einfach nur zu gerne aufspringen und verschwinden möchte. Aber nicht, bevor ich ihnen meine Meinung gegeigt habe. Ich bin erwachsen, ich werde mit Sicherheit nicht das machen, was meine Eltern von mir verlangen. Ich werde mich noch öfter wiederholen, aber es würde mein Leben verdammt nochmal verändern, in eine nicht ganz so angenehme Richtung.
"Wir wollen doch nur in Ruhe frühstücken", dringt die Stimme meines Vaters zu mir hindurch, er lehnt sich nach vorne und stützt sich am Tisch ab. Er versucht mächtig zu wirken, größer, aber das kann er sich bei mir sparen. Die Ich-bin-hier-der-Boss-und-du-machst-was-deine-Eltern-dir-sagen-Masche klappt bei mir nicht mehr, dafür habe ich schon zu viele Erfahrungen gesammelt.
Meine Eltern waren nicht immer so, ich weiß nicht den genauen Grund, warum sie uns, mir, auf einmal alles vorschreiben. Aber es hat damit begonnen, als wir nach Heidelberg gezogen sind, da sie ein besseres Jobangebot bekommen haben, wobei sie noch mehr Geld verdienen. Vielleicht hat sie das so verändert. Anfangs hab ich ja noch auf sie gehört und das gemacht was sie wollten, aber irgendwann wurde es mir zu viel. Ich kann mich zwar nicht genau an die Zeit vor Heidelberg erinnern, aber ich weiß ganz genau, dass sie nicht so kontrollsüchtig waren. Und was alles noch ungerechter macht, ist, dass nur ich davon betroffen bin, mein Bruder bekommt nichts davon ab. Hannah muss dies und jenes machen, aber Niklas wird davon verschont.
Er weiß zwar, was vor sich geht, was mich hier so verrückt macht, und er unterstützt und versteht mich auch, aber er kann auch nichts dagegen tun und dass er quasi Null betroffen ist, macht mich nur noch wütender. Es betrifft ihn zwar schon auf einer Art und Weise, aber noch lange nicht so stark wie mich. Warum kann nicht einmal etwas fair ablaufen, ist das zu viel verlangt?
"In Ruhe Frühstücken, ist das euer Plan? Oder wollt ihr euch noch weiter in mein Leben einmischen und glaubt, mit einem Frühstück, zusammen so als wunderbare, glückliche Familie, könnt ihr zu mir durchdrängen?" Ich hab die Nase voll, eigentlich sollte mich das alles nicht mehr wundern, immerhin versuchen sie mir den Blödsinn schon seit einem halben Jahr einzutrichtern. Schrecklich, was Eltern so von ihren Kindern erwarten und wozu sie sie drängen. "Falsch gedacht! Ich lasse mich von euch nicht herumschubsen, so wie es euch gerade passt. Ich werde euch immer wieder dasselbe sagen und es wird euch aufs Neue nicht gefallen. Ich verstehe einfach nicht, wie ihr mir das antun könnt", außer Puste rapple ich mich auf, nicht so energiegeladen, wie ich es vorgehabt habe, und blicke meine Eltern eiskalt an. Ich darf meine Fassade jetzt nicht verlieren, ich muss sie aufrechterhalten. "Aber, Schatz, jetzt beruhig dich doch mal, setz dich wieder hin und wir reden in Ruhe darüber." Sie können es einfach nicht lassen. Das widert mich so an, dass sich mein Magen verkrampft und ich darauf achten muss, mich nicht zu übergeben, obwohl ich noch nicht einmal etwas gegessen habe.
"Ich werde mich nicht beruhigen, Mutter", sie hasst es wenn ich sie so nenne. Langsam nimmt die blasse Farbe in ihrem Gesicht einen rötlichen Ton an und daran erkenne ich, dass sie bald die Nerven verliert.
Dieses Problem hatte sie früher auch nicht, sie hat immer Lösungen gefunden für irgendwelche Probleme oder Anliegen. Sie war die Ruhe in Person und ich hasse den Grund für ihre Veränderung, auch wenn ich ihn nicht kenne. Sie hätte mich nie zu etwas gezwungen, was ich nicht machen möchte, aber mittlerweile glaube ich, dass es einfach nur noch ums Geld geht und das finde ich echt schade.
"Jetzt reicht es, Hannah. Wir wollten einfach nur nochmal die Möglichkeiten und Vorteile mit dir besprechen", zischte meine Mutter schon fast, auch wenn sie versucht, ihren ruhigen Ton zu bewahren. "Ein Schwachsinn wollt ihr", schrie ich schon fast mit einem Hauch Ironie. Ich konnte schlecht vor meinen Eltern sagen 'Ein Scheiß wollt ihr", dafür bin ich nun doch zu gut erzogen worden.So schnell konnten meine Eltern und mein Bruder, welcher schon sichtlich seinen Kopf eingezogen hat, gar nicht reagieren, da war ich schon verschwunden. Ich habe keine Nerven mehr dafür, mir reicht es endgültig. Ich weiß aber jetzt schon, dass sie nicht aufhören werden, mich damit voll zu quatschen, werden immer wieder mit diesem Thema anfangen, bis ich einknicke und zustimme, obwohl ich mir gar nicht mehr so sicher bin, ob ich überhaupt noch ein Mitspracherecht habe.
🎹
Nachdem ich einfach abgehauen bin, habe ich meine Strandsachen zusammengepackt und bin zum Strand gegangen. Ich brauche Abstand von meinen Eltern, sollen sie doch Nick nerven. Wäre ich länger geblieben, wäre es wahrscheinlich eskaliert, aber ich will jetzt auch nicht länger darüber nachdenken, mich beruhigen und die Sonne genießen.
Als mein Handy vibriert, will ich zuerst gar nicht darauf schauen, tue es dann aber trotzdem.Wo bist du?
Natürlich will Niklas wissen, wo ich bin, er ist wahrscheinlich auch der einzige, der sich diese Frage stellt, aber ich antworte ihm erstmal nicht. Wie gesagt, ich will meine Ruhe. Ich scrolle noch kurz durch die sozialen Netzwerke, als mir einfällt, dass ich ja seit gestern die Nummer eines gut aussehenden Typen habe. Wenn er Zeit hat und sich treffen will, könnte er mich sicher ablenken. Ein Versuch ist es wert.
Was machst du gerade? Lust zum Strand zu kommen?
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Ein etwas längeres Kapitel und ich versuche, die Kapitel jetzt auch länger zu machen, damit ihr mehr von der Story habt und sie nicht so schnell endet :)
Hoffe, es gefällt euch bis hier her.
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Zwischen Herz und Verstand
FanficHannah verbringt diesen Sommer erneut mit ihrer Familie in ihrem Ferienhaus auf einer griechischen Insel. Da sie seit ihrer Kindheit jeden Sommer hier verbracht hat, gibt es nichts Neues, was sie erleben kann. Doch wie das Schicksal es so will, lern...