Kapitel 26

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[American Authors - Best Day Of My Life]

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Hannah's Pov

Der Geruch von nassem Asphalt hing noch in der Luft, als ich mein weißes, trägerloses Top zurechtrücke und auf meine Freunde warte. Sie sollten jeden Moment hier sein. Vor Aufregung durchzog ein leichtes Zittern meinen Körper, als ich den Motor hörte. Die wilden Kerle und ich sind verabredet, um an einen Strand zu fahren. Ja, wir könnten einfach hier in der Nähe ans Meer, schon klar, aber wir wollten mal woanders hin. Mal eine Abwechslung. Wir nehmen die Motorräder, weil wir damit einfach schneller sind. Aber auch 40 Minuten Hinfahrt könnten etwas dauern. Neben mir summen die Maschinen meiner Freunde, als ich aufsehe. Der Anblick meiner Freunde gibt mir ein Gefühl von Freiheit. Der gestrige Sturm hatte unsere kleine Stadt erschüttert, aber heute ist der Himmel klar und blau, so als hätte es nie ein Unwetter gegeben.
Es war genau das, was wir brauchten – einen Tag, um genießen zu können und frei zu sein. Vanessa winkte mir zu, als alle vor mir stehen blieben und ihre Helme abnahmen. Ihre Haare schüttelt sie einmal aus und ihr Blick wandert dann zu mir. Ich lächelte ihr zu und sie deutete mir an, zu ihr zu kommen.
Ich spritzte Wasser an meine Füße, als ich durch eine Wasserlacke spazierte und auf Nessi zuging. Begrüße dabei die anderen. Einige mit einer Umarmung, andere mit einem Handschlag. Als das erledigt war, reichte mir Vanessa einen Helm, den ich dankend annahm und mir aufsetze, bevor ich hinter ihr aufs Motorrad stieg.
Die Kälte des Fahrtwindes schnitt in mein Gesicht, nachdem wir losgefahren sind. Aber es fühlt sich lebendig an, wie ein sanfter Schlag ins Gesicht, der mir sagte, dass ich da war – wirklich da bin.
Unser Ziel ist der Red Beach in Archangelos, ein bisschen weiter entfernt, wie schon erwähnt. Und ich hoffe, es sind noch nicht so viele Menschen dort. Eine Stelle, die ich selbst noch nicht besichtigt habe. Und ich freue mich schon sehr darauf, etwas Neues kennenzulernen, mit Menschen, die eigentlich genauso neu sind. Aber irgendwie auch nicht, wenn man versteht, was ich meine. Genau das, was ich jetzt brauche.
Die Fahrt dorthin war ein Traum. Die Bäume, die uns umgaben, waren noch feucht von den gestrigen Regenfällen, und ab und zu fiel ein Wassertropfen von den Ästen herunter, darn ich auf meinen freien Armen spürte. Die Sonne brach durch die Blätter, und ich konnte das Glitzern auf der nassen Straße sehen.
Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf, das Rauschen des Windes in meinen Ohren lässt die Stimmen und Sorgen des Alltags verstummen. Es ist eine gute Pause von allem. Vom Stress der letzten paar Tage, von den unzähligen Gedanken, die mir die Nerven raubten, und von der inneren Unruhe, die sich nach dem Streit mit meinem Vater in meinem Kopf festgesetzt hatte, auch wenn mich mein neues Hobby etwas abgelenkt hatte.
Als wir endlich am Strand ankamen, war es, als würden wir in eine andere Welt eintauchen. Ehrlich, der Sand war noch feucht und kühl unter unseren Schuhen, das Meer rauschte leise, und die salzige Brise brachte den Duft von Liberalität und Abenteuer mit sich.
Vanessa parkte neben den anderen und ich sehe, dass noch nicht allzu viele Autos hier sind. Das muss heißen, dass kaum Menschen am Strand sind.
Als wir alle lächelnd den Kiesweg entlang gingen, bis zum Strand, sehen wir, dass der Ozean vor uns friedlich ist. Das Wasser so ruhig, als hätte es den Sturm gestern längst vergessen.
"Los, lasst uns schwimmen gehen! Wer als Letztes im Wasser ist, ist eine lahme Schnecke!" rief Joschka, der bereits seine Jacke auszog und auf den Sand warf. Seine Augen funkeln vor Freude, aber das sieht bei den anderen nicht anders aus und ich konnte nicht anders, als ihr zu folgen. Wir rannten ins Wasser, sobald jeder nur noch in seinen Badesachen stand. Das kühle Nass umhüllte uns, während wir lachend ins Wasser eintauchten und uns später gegenseitig mit den leichten Wellen anspritzen. Der Sturm, die nassen Straßen, die dunklen Gedanken – all das war jetzt unwichtig. Ich spürte, wie mit jeder Sekunde meine Anspannung aus meinem Körper wich.
Ich schwimme ein Stück hinaus, lasse mich treiben und sehe zurück zum Strand, wo sich einige im Sand niederließen, die Sonnenstrahlen auf ihren Gesichtern rieseln lassen und die anderen noch im Wasser ruhen.
Ich schließe die Augen und lasse mich auf dem Rücken treiben, spüre das sanfte Wiegen der Wellen unter mir. Der Himmel über mir war endlos blau, keine einzige Wolke in Sicht.

Als ich schließlich wieder an den Strand zurückkehrte, war es, als hätte das Meer all meine Sorgen mit sich genommen. Ich legte mich auf die Decken, die die anderen ausgebreitet hatten, lasse die Sonne meinen nassen Körper trocknen. Das Lachen meiner Freunde erfüllte die Luft. Leicht und sorglos, und ich konnte spüren, wie eine weitere Last von mir abfiel.
Maxi liegt neben mir und ich kann nicht verhindern, immer wieder zu ihm zu sehen. Er hat so eine Anziehungskraft. Ich merke, dass er eingeschlafen sein müsste, denn seine Augen sind geschlossen und sein Atem geht ruhig.

Eine Weile später, als sich ein paar unterhielten, andere sich nur ausruhten oder zusammen Karten spielten, winkt mich Marlon zu sich. Ich stehe stirnrunzelnd auf und frage mich, was er von mir möchte. Mache einige Schritte auf ihn zu und bleibe dann vor ihm stehen.
"Was gibt's?", frage ich. Er steht mit verschränkten Armen vor mir.
"In der Nähe ist ein kleines Restaurant und ich habe mir gedacht, die anderen sind hungrig und wir könnten etwas holen. Was sagst du? Willst du mitkommen?", antwortete er mir und lächelte mir zu. Etwas perplex nicke ich ihm zu, aber da ich ihn sowieso noch etwas fragen wollte, kommt die Gelegenheit recht gut.
Wir geben den anderen Bescheid und machen uns durch den Sand und den Kieselweg wieder zurück und steuern das Restaurant an.
Nachdem wir angekommen sind, die Bestellung aufgegeben haben und darauf warten, unterhalten wir uns ein wenig. Ich muss ihn auch endlich fragen, was es mit seiner Arbeit auf sich hat. Denn als ich mit Maxi darüber geredet habe, meinte dieser, ich soll Marlon persönlich fragen, und das werde ich jetzt tun.
"Du sag mal, ich habe letztens mit Maxi darüber geredet, wie ihr alle zusammen so lange weg sein könnt, und da meinte er, dass es bei dir etwas komplizierter ist und ich dich persönlich darauf ansprechen soll. Nur wenn du es erzählen möchtest natürlich."
Marlon sieht überrascht aus, fasst sich aber gleich wieder und lächelt mir zu.
"Klar erzähle ich dir das", meint er. "Es ist so, dass ich immer freitags Abend in einer Bar arbeite und von Montag bis Donnerstag in einer IT-Firma", erklärt er und ich höre gespannt zu.
"Mein Boss und die Angestellten in der Bar sind recht chillig, weshalb ihnen ziemlich egal war, wie lange ich wegbleiben werde, solange ich, wenn ich zurück bin, ein paar Dienste der anderen übernehme", spricht er weiter aus und ich nicke zwischendurch, dass er auch ja weiß, dass ich ihm zuhöre.
"In der Firma sieht das schon anders aus. Ich habe mit meinem Chef darüber gesprochen, wie lange ich Urlaub haben will. Er war nicht begeistert und meinte sowas wie: Geh ruhig, aber ich kann dir nicht versprechen, dass du deinen Job noch hast, wenn du zurückkommst. Somit wird es eine Überraschung sein, wenn ich meine Kündigung zu Hause im Briefkasten liegen sehen werde." Marlon lächelt, was merkwürdig ist: Wer verliert schon gerne seinen Job? Aber vielleicht fühlt er sich durch die Bar abgesichert oder hat Geld gespart, wer weiß das schon. Er scheint mir mutig zu sein. Ich glaube nicht, dass das viele machen würden. Einfach so für ein paar viele Wochen zu verschwinden, obwohl man eigentlich arbeiten muss. Ich sage ihm das auch, aber er winkt nur ab. Warum ihm das so egal ist, wundert mich trotzdem. Aber ich hacke nicht weiter nach.
Wir bezahlen noch anschließend das Essen und machen uns wieder auf den Weg zurück zu den anderen. Am Strand scheinen schon alle sehnlichst auf uns gewartet zu haben, denn sie freuen sich, uns zu sehen. Oder eher gesagt, das Essen.

Am späten Nachmittag, als schon ziemlich viel los ist und die Sonne bald untergeht, packen wir zusammen und gehen zurück zu den Motorrädern und wollen zurück nach Lindos fahren.

Zwischen Herz und VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt