Kapitel 23

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[Declan J Donovan - Perfectly Imperfect]

1:03 ──⚬──── 3:45

Maxi's Pov

"Kann mir jemand die Zange reichen?", gab Markus von sich. Er wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn, vermutlich, weil der heiße Grill ihn zum Schwitzen bringt.
Die Sonne stand nicht mehr so hoch am Himmel, als wir beschlossen hatten, zu grillen.
Jetzt steht Markus am Grill, den wir von den Nachbarn ausgebohrt haben, und Joschka reicht ihm die Zange, nach der er gefragt hat. Der Duft von Rauch steigt mir in die Nase und das Knistern der Holzkohle ist nicht zu überhören. Raban und Joschka, die immer eine unendliche Energiequelle zu haben scheinen, außer wenn sie früh aufstehen müssen, kümmern sich um die Getränke, während Vanessa und Leon das Fleisch aus der Packung tun und die Salate vorbereiten.
"Hey Maxi, kannst du bitte die Würstchen aus dem Kühlschrank holen, die habe ich vergessen?" rief Nessi.
"Klar." Ich nicke ihr zu und machte mich auf den Weg ins Haus zum Kühlschrank, als plötzlich mein Handy vorm Eingang zu vibrieren beginnt. Ein Blick aufs Display zeigte mir, dass Hannah anruft. Das tut sie normalerweise nie, hat sie zumindest bis jetzt nicht. Ich hoffe, es ist nichts passiert.
Ich zögere keine Sekunde und nehme sofort ab.
"Hannah?", meine ich nur und warte auf eine Reaktion. Ihr Atem geht unregelmäßig, das kann ich hören. Warte. Weint sie etwa?
"Kannst du dich nochmal mit mir treffen?", fragt Hannah leise und mit zittriger Stimme. Ich spüre sofort, dass etwas nicht stimmt.
"Natürlich, wo soll ich hinkommen?" frage ich besorgt und ohne zu zögern.
Sie sagt mir noch mit brüchiger Stimme, wo ich hinkommen soll, und ich drehe mich sofort um. Vergesse die Würstchen im Kühlschrank und setze nur besorgt einen Fuß vor den anderen.
"Ich muss nochmal weg", bringe ich schnell hervor und hoffe, dass mich irgendjemand gehört hat.
"Wo willst du hin?", fragt Marlon und steht vom Stuhl auf, auf dem er bis gerade eben noch gesessen und den Nachtisch mit Juli hergerichtet hat.
Ich drehe mich langsam um und ich bin mir sicher, dass Marlon die Sorge in meinem Gesicht ablesen kann. "Sie braucht mich", hauche ich vor mich hin. Marlon blinzelt einige Male langsam, fixiert mich und lässt mich zappeln. Dann nickt er endlich in Richtung Ausgang. "Hau schon ab", meint er lächelnd."Danke." Damit wende ich mich wieder ab und marschiere aus dem Garten hinaus Richtung Strand.

Marlon's Pov

"Den hat's echt erwischt", brumme ich und setze mich wieder hin, kann aber das Lächeln auf meinen Lippen vor Stolz nicht unterdrücken. "Ist doch lieb von ihm, wenn er geht und sich um Hannah kümmert", kam es von Vanessa. Das hat sie mitbekommen? Ich stimme ihr mit einem Nicken zu und wende mich wieder zu meinem Kumpel. Und Vanessa ist jetzt diejenige, die wohl oder übel das restliche Fleisch aus dem Kühlschrank holen muss.
Juli und ich waren dabei, Schokoladentafel Stücke in eine Banane zu stecken, damit wir diese nachher auf den Grill tun können und wir Schokobananen daraus machen können.
Außerdem wollen wir auch S'mores, weshalb ich die Butterkekse aus der Packung nehme und sie auf einen Teller platziere. "Ich muss ehrlich sagen, die beiden passen aber auch echt gut zusammen", murmelt Juli vertieft und erneut muss ich einer meinen Freuden recht geben. Maxi und Hanna wirken, als würden sie sich schon ewig kennen. In- und auswendig. Ich freue mich führ ihn. Ich würde es ihm gönnen, wenn zwischen ihnen mehr entsteht und es länger hält, als seine letze Beziehung. Hannah und Maxi könnten wirklich etwas werden. Mal sehen. Vielleicht muss man auch einfach ein wenig nachhelfen.

Maxi's Pov

Als ich am Strand in der Nähe unseres Ferienhauses ankam, sah ich Hannah schon von Weitem. Auch wenn es schon relativ dunkel ist. Sie sitzt auf einer Strandliege - keine Ahnung, wieso hier welche sind, normalerweise räumt die jemand über die Nacht weg -, hat die Beine angezogen, ihre Arme drumherum geschlungen und ihr Kinn auf den Knien. Mit schnellen Schritten wate ich durch den Sand. Bei ihr angekommen, setzte ich mich vorsichtig hinter sie und sie zuckte nicht einmal zusammen. Sollte mich das beruhigen oder eher das Gegenteil bewirken?
Eine Weile sagte keiner von uns beiden etwas, ich wollte ihr Raum geben. Sie nicht bedrängen. Sie wird schon reden, wenn sie bereit ist.
"Ich habe mich mit meinem Vater gestritten", sagt sie leise. Ich sehe auf und beobachte sie genau. Ich kann aufgrund der Dunkelheit nicht viel erkennen, aber man hört aus ihrer Stimme, wie traurig sie ist.
"Es war wirklich heftig", fügte sie hinzu.
"Könnt ihr das wieder klären? Es war vielleicht nur ein Missverständnis, oder -"
"Ist es mit Sicherheit nicht", bringt sie stauchend hervor. Aber ein wütender Unterton in ihrer Stimme entgeht mir nicht. Was ist zwischen ihr und ihrem Vater vorgefallen, dass sie so reagiert? Ich meine ja, ich habe mich auch schon oft mit meinem Vater geschritten, aber da war meistens nichts dahinter. Nur falsche Kommunikation oder Eltern-Kind-Zeugs, worüber man so streitet als Teenager mit seinen Eltern. Aber wir sind keine Teenager mehr und womöglich steckt mehr hinter dem Streit zwischen Hannahs Vater und ihr. Etwas, das viel tiefer geht als jeder sinnlose Streit, der nicht nach einigen Minuten oder Stunden schon wieder vergessen ist.
"Habt ihr schon öfter gestritten?" Ich will definitiv nicht zu aufdringlich sein, aber ein klein wenig muss ich schon wissen, um ihr zu helfen. Sie nickt. Mehr nicht. Wieso redet sie denn nicht mit mir? "Und heute über das Gleiche wie sonst auch?" Wieder ein Nicken. Naja, wenigstens kommen wir etwas voran. "Willst du darüber reden?", frage ich vorsichtig. Rutsche auch ein wenig näher an sie heran.
Ich merke, dass sie zögert. Wie eigentlich jedes Mal, wenn ich etwas Privates von ihr wissen möchte. Warum sie immer dicht macht und nicht zu viel von sich preisgibt, weiß ich noch immer nicht. Aber ich habe mir eingeredet, dass es einen Grund geben wird und sie schon erzählen wird, wenn sie es möchte.
"Es...es geht um meine Zukunft. Er will -" Sie bricht ab und fährt sich mit den Händen übers Gesicht. Ich lege ihr eine Hand auf die Schulter. Sie soll wissen, dass ich für sie da bin und ihr zuhöre. "Er will, dass ich etwas mache, was ich definitiv nicht will." Okay. "Zumindest eine Sache", fügt sie noch murmelnd hinzu, sodass ich sie fast nicht verstanden hätte. Irgendetwas passt hier nicht zusammen. Ihr Eltern ermöglichen ihr und ihrem Bruder einen Urlaub, obwohl sie kaum Geld haben. Dann streitet sie sich mit ihrem Vater, weil er ihr etwas vorschreibt, was sie aber nicht möchte. Und ich dachte, ihre Familie wäre so eine, die immer zusammenhält. Aber vielleicht habe ich auch etwas falsch verstanden. Denn ein harmloser Streit scheint das nicht gewesen zu sein, zudem, dass er schön öfter vorgekommen ist. Ich muss mehr wissen, um die Lücken zu füllen.
"Willst du mir auch erzählen, worum es in seiner Entscheidung geht?", frage ich weiter nach. Irgendwie müssen wir ja vorankommen, wenn sie sich nicht von selbst erklärt. Sie sieht aufs Meer hinaus. Das leise Wellenrauschen scheint sie zu beruhigen, dennoch grübelt sie, das spüre ich. Sie überlegt und überlegt, da denke ich, sie wird mir überhaupt keine Antwort mehr geben. Aber mit einem Kopfschütteln hätte ich auch nicht gerechnet. Sie will nicht darüber reden, das akzeptiere ich. Muss ich respektieren. Aber vertraut sie mir nicht? Oder fällt es ihr einfach nur schwer, darüber zu reden? Wieso redet sie nicht mit ihrem Bruder darüber? Soweit ich weiß, hat sie ein gutes Verhältnis mit ihm, so viel hat sie mir erzählt. Ich muss trotzdem die Frage stellen, immerhin sitzt sie mit mir hier und nicht mit ihrem Bruder. Oder mit sonst irgendjemandem.
"Vertraust du mir nicht?" Hannah hebt ihren Kopf und dreht sich so, dass sie im Schneidersitz vor mir sitzt. Am Ende der Liege. Meine Beine sind beide über den Rand hinweg und stecken im Sand. "Natürlich vertraue ich dir, Maxi", antwortet sie mir mit Nachdruck. Ich kann aber dennoch Hemmungen in ihren Augen erkennen, die der Mond erleuchtet. Dass sie mir nicht zu hundert Prozent vertraut, tut etwas weh, kann ich ihr aber nicht verübeln. Vermutlich kennen wir uns einfach zu wenig dafür. Obwohl ich ihr alles anvertrauen würde, aber ich kann mich mit ihr natürlich nicht vergleichen.
"Gut und dass du nicht darüber reden kannst, ist okay, aber ich bin für dich da, Hannah, klar?" Nach einigen Sekunden nickt sie, sie sieht müde aus und alles, was ich tun möchte, ist, sie in den Arm zu nehmen.

Einige Minuten nachdem wir einfach so da gesessen haben, Hannah mit ihren Fingern gespielt hat und ich sie nur beobachtet habe, beugt sie sich hinunter zu ihrer Tasche und holt ein Buch mit Stift heraus.
"Stört es dich, wenn ich kurz -", fragt sie und zeigt auf das Buch. Als ich meinen Kopf schüttel, schlägt sie es auf, dreht sich wieder um und legt das Buch vor sich hin. Sie schrieb drauflos. Wahrscheinlich ist es eine Art Tagebuch.
Ich sehe, wie ihre Hand leicht zittert, aber nach und nach ruhiger wird, während sie ihre Gedanken zu Papier bringt. Ich lasse sie in Ruhe, merkte aber, dass meine Nähe ihr trotzdem irgendwie Halt gibt.
Nach einer Weile legt Hannah das Tagebuch zur Seite und dreht sich wieder zu mir. Ich bin in der Zwischenzeit auch wieder etwas nach hinten gerutscht, um ihr Platz zu geben.
"Danke, dass du gekommen bist", murmelt sie mit einem schwachen Lächeln.
"Ich bin immer für dich da, Hannah", flüstere ich zurück und spüre, wie sie sich ein wenig weiter entspannt. "Komm her", fordere ich sie auf und strecke meine Hände nach ihr aus. Jetzt kann ich ihr die Umarmung geben, die sie braucht. Ihr Halt geben. Sie überbrückt den Abstand zwischen uns und schmiegt sich in meine Arme. Ihr Haar kitzelt an meiner Nase, als ich mich an die Lehen zurücklege und sie enger an meine Brust drücke. Ich sehe zum Sternenhimmel hinauf und möchte Hannah einfach nur beschützen, so gut ich kann. Dieses Mädchen hat es mir angetan, und wenn ich ihr das nicht bald gestehe, wird es vielleicht zu spät sein.
Hannahs Atem wird immer ruhiger und ich glaube, sie schläft bald ein, immerhin etwas gelöster, nicht so wie ich sie gefunden habe.

⚽️

Als ich am nächsten Morgen aufwache, höre ich sofort das sanfte Rauschen der Wellen und spürte die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Aber das ist nicht das einzige, was ich wahrnehme. Neben mir liegt Hannah, ihr Gesicht friedlich und entspannt, an meiner Brust.
Für den Moment ist alles perfekt. Sie ist perfekt.

Zwischen Herz und VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt