Kapitel 25

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[Snow Patrol - Chasing Cars | Piano Cover ]

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Hannah's Pov 

Wie ich es gestern geahnt habe. Draußen herrscht tobendes Wetter. Bäume schlagen um sich herum, so stark ist der Wind. Planen wehen umher. Es regnet in Strömen, obwohl die Regenzeit in Rhodos eigentlich eher in den Wintermonaten stattfindet. Man hört auch die Wellen brausen. Ich lausche nicht nur der Musik durch meinen Kopfhörer, sondern auch den Regentropfen, die ans Fenster prallen. Bei der Musik, die in meinen Ohren dröhnt, muss ich daran denken, wie ich Maxi erzählt habe, dass ich einen Song schreiben will. Und dieses Bedürfnis stärkt sich jetzt irgendwie. Ich höre gerade ein Piano-Cover von Chasing Cars und das Schlagen in die Tasten hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Ist Klavierspiel eigentlich schwer? Ich setze mich in meinem Bett auf. Sehe dem Video auf meinem Handydisplay zu und recherchiere ein paar Minuten später, wie schwer es ist, sich selbst Klavierspielen beizubringen. Nach meiner intensiven Recherche, die ich über eine Stunde lang betrieben habe, bin ich fest davon überzeugt, mir das Spielen beizubringen. Wie lange es dauern wird und wie viel Anspruch es nehmen wird, ist mir egal. Ich habe ein neues Ziel und das möchte ich umsetzen. Ich krame einen Block und Stift aus der Kommode neben der Fensterbank und setze mich dann darauf. Ich schreibe auf, in welcher Musikrichtung ich vorhabe, Klavierspielen zu lernen. Wie lange ich mir ungefähr dafür Zeit gebe und wie intensiv. Wie oft und wie lange ich pro Tag üben möchte. Ich sehe zur vollgeschriebenen Seite herunter und überfliege noch einmal meinen Plan. Das kann funktionieren, wenn ich fokussiert bleibe. Innerlich freue ich mich richtig, dass ich endlich mal wieder etwas gefunden habe, auf das ich mich konzentrieren kann. Und was mir vielleicht Ablenkung schenkt. Was ich für mich haben kann, wenn ich mal von der Realität flüchten möchte. Um meinen Plan weiter umsetzen zu können, springe ich auf, sprinte schon fast in den Flur hinaus und stürme einen Abstellraum an. Ich kann von Glück sprechen, dass Nick etliche Bandphasen hatte und gefühlt, jedes Instrument lernen wollte. Er es aber nicht mehr als zwei Wochen durchgezogen hat. Einige dieser Instrumente haben meine Eltern wieder entsorgt oder wir haben sie gespendet. Aber ein Paar wollte mein Bruder dann doch behalten. Wie zum Beispiel die klassische Gitarre, der ich gerade entgegenblicke. Dahinter steht das Keyboard. Das muss es fürs Erste sein.
Meine Eltern haben die Instrumente hierher bringen lassen, weil sie sie in unserer Villa nicht mehr sehen wollten. Das Schlagzeug, das Niklas noch besitzt, steht in seinem Zimmer, so wie die E-Gitarre. Von den anderen Instrumenten, die er alle ausprobiert hat, will ich gar nicht erst anfangen. Das waren zu viele.
Ich stelle die Gitarre zur Seite und erreiche somit das elektrische Klavier. Überlege, wie ich es am besten in mein Zimmer tragen kann. Ich kratze mich am Hinterkopf und starre die Tasten vor mir an. Hoffentlich funktioniert es noch.
"Niklas!", brülle ich in die Richtung des Zimmers meines Bruders und verschwinde daraufhin wieder im Abstellraum. Ich höre, wie sich eine Tür öffnet und Schritte folgen. "Hannah?" Mein Bruder erscheint hinter mir und ich sehe über die Schulter. "Kannst du mir helfen, das in mein Zimmer zu tragen?", frage ich und zeige auf das Piano. "Was willst du denn damit?", will er wissen, aber ich habe jetzt keine Zeit, ihm das zu erklären. Also nehme ich die Kurzfassung. "Wonach sieht's denn aus? Ich will spielen." Er betrachtet mich skeptisch, aber ich setze nur mein zuckersüßes Lächeln auf. Er zuckt mit seinen Schultern und tritt dann in den Raum, hilft mir, das Bord anzuheben. Er trägt es weiter in mein Zimmer und ich nehme die Ständer und folge ihm. Nachdem alles abgestellt ist, wendet sich mein Bruder zu mir um.
"Kannst du das überhaupt spielen?"
"Nein, aber ich werde es lernen", antworte ich ihm selbstbewusst. Ich schließe das E-Piano mit dem Kabel an und stecke dieses dann in eine Steckdose. Kurz darauf betätige ich den Einschaltknopf und freue mich, als es angeht. Es funktioniert noch. Gott sei Dank.
"Du meinst es wirklich ernst", stellt mein Bruder fest und ich nicke ihm enthusiastisch zu.
"Ich will nicht nur spielen lernen...sondern auch Songs schreiben", gestehe ich. Nicks Augenbrauen heben sich vor Überraschung. Er scheint zu überlegen und lächelt dann.
"Das klingt so nach dir. Das könnte was werden, Hanni!" Augenblicklich breitet sich auch ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Mein Bruder steht wirklich immer hinter mir, egal um was es geht. "Ja könnte es, und ich glaube, es würde mich auch von dem ganzen Drama ablenken", meine ich und sehe zu, wie mein Bruder nickt. 

Nachdem Nick mir noch gezeigt hat, wie was funktioniert, ist er wieder in seinem Zimmer verschwunden und ich habe mich meinem neuen Projekt und Hobby gewidmet. Ich sehe mir Videos zum Notenlesen an und informiere mich weiter darüber im Internet. Ich lerne die Grundlagen und suche nach Apps, die mir helfen könnten. Des Weiteren übe ich die Handhaltung und Fingerpositionen, um Verspannungen zu vermeiden. Ich gehe auch die einfachen Tonleiter und Akkorde durch, bleibe aber immer wieder hängen, weshalb ich erstmal beim Notenlernen bleibe. So schwer kann das nicht werden. 

Zwischen Herz und VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt