Kapitel 7

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[David Guetta ft. Sia - Titanium]

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Hannah's Pov

Na ja, in den paar Tagen, die wir schon hier sind, war ich häufiger hier, die Lüge, die ich Maxi aufgetischt habe, schwirrt mir, seit ich sie geäußert habe, im Kopf herum. Immerhin bin ich nicht zum ersten Mal auf der Insel. Ich fühle mich wie die größte Vollidiotin. Ich habe mich so von Maxi distanziert, ihn kaum an mich herangelassen, obwohl ich das gar nicht wollte, oder doch? Er hat so ein Verhalten gar nicht verdient. Wieso habe ich mich zurückgezogen, irgendetwas in mir hat sich gesträubt, ihm alles über mich zu erzählen, die Wahrheit zu sagen. Denn aus einem Grund will ich nicht, dass er weiß, wie ich lebe. Wie viel meine Familie besitzt, wie wohlhabend wir sind. Zu sehr Angst habe ich davor, erneut einen Fehler zu begehen, den ich schon einmal begangen habe. Mich zu sehr an eine Person geklammert, ihr zu sehr vertraut, nur um dann hintergangen und verletzt zu werden. Obwohl ich mir sicher bin, Maxi würde so etwas niemals tun, will ich es nicht riskieren. Wir können ja Freunde sein, nur enthalte ich mich ein wenig der Wahrheit. Wird schon nicht so schlimm sein.
Er hat mir so viel von sich erzählt, seine ganze Lebensgeschichte, wobei er auch seinen Vater erwähnt hat, dem mehrere Banken gehören. Und da konnte ich einen Entschluss ziehen: Maxi muss auch mehr Geld besitzen und warum traue ich mich dann nicht, ihm zu sagen, wie es bei mir steht? Ich habe ihm so wenig von mir erzählt, dass es schon echt unfair war.

Egal, vergessen wir das mal fürs Erste. Ich war Stunden unterwegs und habe kein einziges Mal an meine Eltern gedacht. Das war auch das, was ich wollte, was ich gebraucht habe, aber jetzt weiß ich nicht, wie ich ihnen gegenüber treten soll, wenn ich sie antreffe. Hoffentlich sind sie nicht im Haus, irgendwo unterwegs, sind sie doch sonst auch immer.
Nachdem ich auf der anderen Seite des Hauses die Tür hinter mir geschlossen habe, lasse ich die Strandtasche, die ich mitgenommen hatte, fallen und streife meine Flip-Flops ab. Ich fahre mir übers Gesicht und versuche nicht mehr so angespannt zu sein. Es gibt keinen Grund, nervös zu werden, trotzdem rast mein Herz wie wild, als wüsste es, was als nächstes passiert.
"Hannah", höre ich nicht weit von mir, schrecke zusammen und sehe dann meinen Bruder um die Ecke kommen. Erleichtert atme ich aus und sehe auch in dem Gesicht meines Bruders, dass er entlastet wirkt. Oh, ich habe ihm nicht auf seine Frage geantwortet. "Nick, ich wollte-
Er hebt seine Hand und unterbricht mich damit, nachdem ich auch einen Schritt auf ihn zugegangen bin. "Mum möchte mit dir sprechen", bringt er hervor. Verräter. "Wir können nachher reden", meint er noch und verschwindet. Ich liebe meinen Bruder, aber muss er mich jetzt echt an meine Eltern ausliefern?
Mein Herz hatte also recht, wusste genau, was auf mich zukommen würde.

Während ich auf dem Weg zu meiner Mutter bin, beginnt mein Herz wieder schneller zu schlagen und ich werde ganz unruhig. Das werde ich jedes Mal, wenn ich meinen Eltern nur näher komme. Und das sollte so eigentlich nicht sein, oder? Meine Hände fangen an zu schwitzen und ich reibe sie an meiner Hose ab. Mir wird ganz kalt und ich frage mich, wie ich schwitzen kann, wenn ich fröstle. Ich bin eigentlich stärker als das, ich weiß, dass ich es bin. Aber ich kann nichts gegen die Panik tun, es hat einfach begonnen und wird wahrscheinlich nicht so schnell verschwinden. Ich sehe meine Mutter im Garten bei der Bar sitzen, sie schreibt etwas auf ihren Laptop und am liebsten würde ich mich wieder umdrehen und davonlaufen.
"Wo ist Papa?", frage ich sie und sie zuckt nicht einmal zusammen, wendet sich nur minimal zur Seite, um einen Schluck von ihrem Kaffee zu trinken, um nur dann wieder weiter zu tippen. "Bei seinen Partnern in der Stadt", antworte sie mir kalt und ich kann nicht anders, als meine Augen zu verdrehen. Nicht nur, weil sie mir so kühl geantwortet hat, sondern auch, weil meinem Vater es anscheinend egal ist, wo ich bin, genauso wie meiner Mutter. Sie fragt ja nicht einmal, wo ich war. Was machen Papas Geschäftspartner überhaupt hier? Ich dachte, wir machen Urlaub. Meine Eltern können wohl niemals ihre Arbeit loslassen, auch nicht für ein paar Wochen.
"Stört es dich nicht, dass er ständig arbeitet?", will ich von ihr wissen und sie rührt sich noch immer nicht, bis auf ihre Finger, die die Tastatur des Laptops berühren. "Ich arbeite doch auch", gibt sie zurück und mir reicht es. Auch wenn sich mein Herz irgendwie beruhigt hat, brodelt es in mir, wie kann sie mich nicht ansehen?
"Du wolltest mich sprechen? Und wenn es um das geht, was ich denke, dann kennst du meine Antwort", lasse ich sie wissen und endlich dreht sie sich zu mir um. "Wir wollen doch nur-
"Das Beste für mich? Ja, das habt ihr schon oft genug erwähnt. So ist das aber nicht, weißt du", falle ich ihr diesmal ins Wort, so wie Nick mir vorhin. Ich gehe mit langsamen Schritten auf sie zu und die Wut in mir steigt, ich versuche sie aber zu unterdrücken, will diesmal anständig mit meiner Mutter reden. Sie weiß, wie ich denke und was ich zu sagen habe, dennoch sammle ich meinen Mut zusammen und hau ihr mal wieder meine Meinung vor die Füße.
"Ihr macht mein Leben durch eine Verlobung, die ihr arrangiert und zu der ihr mich drängt, nicht besser!" Meine Mutter macht den Anschein, etwas sagen zu wollen, aber ich lasse sie nicht. Ich will ein für alle Mal klarstellen, was Sache ist, obwohl ich mir sicher bin, dass ich mich sehr bald wiederholen muss. "Ich bin 19, Mama. Ich will was erleben, mein Ding machen und mich an keinen binden, zumindest nicht so. Ihr seid von einem auf den anderen Tag damit angekommen und habt mein Leben durcheinandergebracht. Und ich verstehe bis heute nicht, wie ihr mir das antun könnt. Eigentlich solle ich alleine über mein Leben entscheiden dürfen, da ich erwachsen bin, aber das ist anscheinend nicht der Fall. Ihr tut mir damit verdammt nochmal weh und ihr könnt es nicht lassen, ihr wisst anscheinen gar nicht, was ihr mir da antut. Ist euch Geld wirklich so wichtig? Also, warum das Ganze, ich will endlich eine Antwort und keine, die lautet: Wir wollen nur das Beste für dich!"
Ich muss Luft holen und für eine Sekunde sehe ich, die Fassade, die meine Mutter jahrelang aufrechterhalten hat, bröckeln. Sie sieht mitfühlend aus und ich weiß, dass sie das auch empfindet, aber irgendetwas wehrt sich in ihr. In ihren Augen wird es wieder eiskalt und ich hasse es. Ist es so schwer, sie davon zu überzeugen, das Richtige zu tun, oder mich immerhin nicht mit irgendeinem wildfremden Typen zu verloben? Ich kenne ihn noch nicht einmal. Ich habe ihn, seit sie mir davon erzählt haben, noch nicht getroffen, kenne nur seinen Namen und als was er arbeitet. Er verdient ein Vermögen und das würde ich auch, wenn ich das Business meiner Eltern zusammen mit meinem Bruder übernehme. Und darum geht es meinen Eltern doch, dass kein Cent verloren geht und ich eine Sicherung hätte, falls es doch so wäre: meinen sogenannten noch-nicht-Ehemann. Immer nur Geld und was ist mit der Liebe?
"Es geht um deine Sicherheit", reißt mich meine Mutter aus den Gedanken. Na, was habe ich gesagt. "Und Niklas, was ist mit seiner Sicherheit?", diese Frage musste ich jetzt einfach stellen. Meine Mutter steht von ihrem Hocker auf und kommt mir einen Schritt näher, ich beginne schon wieder zu schwitzen. "Die hätte er mit dir", antwortet sie mir und ich sehe sie geschockt an. "Ach, ich soll heiraten, damit ich immer fett Kohle habe und mein Bruder darf sich daran bedienen, wenn er keines mehr hat?" Ist das deren ernst? Wie funktioniert das überhaupt, was haben sie jetzt schon wieder mit der anderen Familie beschlossen? Ich frage mich, ob Phillip, derjenige, den ich heiraten soll, damit einverstanden ist. "Achte auf deine Sprach, Hannah", warnt sie mich. "Niklas, wird schon an sein eigenes Geld kommen, aber falls etwas passieren sollte, ja, würde er etwas von dir bekommen", erklärt sie mir. Scheiße, was brocken meine Eltern mir da ein. "Also geht es hier nur ums Geld?", will ich endlich die Wahrheit wissen. "Ja", ist ihre einfache Antwort und ich bin sprachlos. "Warum?", frage ich nach. "Für deine Zukunft, Hannah. Und ihr seid ja nicht verpflichtet gleich zu heiraten", versichert sie mir oder will sie mir eher einreden. "Man kann auch eine Zukunft haben, ohne dermaßen an Geld und man kann dabei glücklich sein, Mutter", ich will sie auf die Palme bringen. Ich hoffe, was ich jetzt sage, werde ich nicht betreuen. "Ich werde auf eure Anforderung nicht eingehen und das weißt du. Ich will eigene Entscheidungen treffen, mein Leben selbst aufbauen, mit Menschen, die ich lieben gelernt habe, und nicht mit irgendwelchen, die mir zugeteilt werden. Ich will leben, Mama."
"Phillip wird dir nicht zugeteilt, Hannah. Was gibst du nur von dir", erwidert meine Mutter enttäuscht und schüttelt leicht ihren Kopf. "Ach nein? So fühlt es sich aber an", gebe ich zurück und verschränke meine Arme vor der Brust. "Ich bitte dich, überlegt euch das nochmal, rede mit Papa und stimme ihn um. Ich weiß, dass du tief in dir nicht willst, dass ich unglücklich bin", spreche ich meine letzten Worte aus, bevor ich wieder ins Innere verschwinde.

Als ich bei meinem Zimmer ankomme, sehe ich Nick davor lehnen und ich weiß sofort, dass er alles gehört hat. "Na super", murmle ich und natürlich hat er auch das gehört. Er stößt sich von der Wand ab und greift dann nach meinem Ellbogen und hält mich somit auf. "Wie geht's dir?", fragt er mich das gerade wirklich? "Das weißt du, Geld-Dieb", spotte ich und er sieht mich verdutzt an. "Du weißt, dass ich nichts dafür kann!", stellt er klar und ich weiß das auch. "Aber du könntest wenigstens für mich einstehen, es sieht nämlich wirklich gerade danach aus, als würdest du das Geld dringend wollen", welches ich noch nicht einmal besitze.
"Du wusstest die ganze Zeit schon davon, oder?", frage ich ihn, als er mir nicht mehr antwortet, und ich dachte immer, er mischt sich nicht ein, weil es zu nichts führen würde.
Als er noch immer nichts sagt und meinen Arm loslässt, ist alles gesagt, es steht sogar in seinem Gesicht geschrieben. "Du willst mich doch verarschen! Warum hast du nie etwas gesagt?", will ich von ihm wissen und ich werde gerade echt wütend...und traurig. Keine gute Kombination. "Jetzt fehlt nur noch, dass du eigentlich derjenige sein solltest, der sich verloben soll und es aber auf mich geschoben hast, mit irgendwelchen Argumenten.

Wieso sagt er nichts? Er sieht mich nur an und gibt keinen Ton von sich, was soll das? "Bitte nicht", flüstere ich schon, aber er schüttelt heftig mit seinem Kopf. "Was, nein! Nein, natürlich nicht und das sollte dir bewusst sein, Hannah. Niemals würde ich so etwas auf dich schieben!" Gott sei Dank, sein Schweigen hat mir jetzt echt Angst gemacht, aber wie konnte ich nur so etwas von ihm denken? Das Ganze macht mich wohl ganz schön verrückt.
Nick nimmt mich in seine Arme, als er merkt, wie erleichtert ich bin, und ich lasse mich fallen. Wenigstens habe ich eine Person, auf die ich zählen kann.

"Niemals, Hanni."

Zwischen Herz und VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt