[Harry - LoriWriteBlue]
Gedankenverloren blickte ich in die Ferne, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. „Komm schon, Haz, lass den Kopf nicht hängen", sagte Niall sanft. Stumm nickte ich, wohlwissend, dass meine Laune sich im Laufe des Tages nicht verändern würde. Es war nun sieben Tage her. Sieben Tage, seit ich Louis geküsst habe. Sieben Tage, seit ich kein Sterbenswort von ihm gehört habe. Jeden Abend saß ich auf der Steinmauer und beobachtete den Horizont. Vergebens, denn er ließ sich nicht blicken. „Warum kommt er nicht mehr her? War das zu viel? Hätte ich ihn nicht küssen dürfen?", fragte ich beinahe verzweifelt. „Hat er den Kuss erwidert?", fragte Niall. „Ja, weißt du doch", sagte ich. „Also durftest du ihn küssen. Einfache Rechnung und zudem die gleiche Rechnung wie in den letzten sieben Tagen. Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen, er kommt wieder", sagte Niall zuversichtlich.
Seit Tagen tat ich jedoch genau das, ich zerbrach mir den Kopf darüber, warum er nicht mehr auftauchte. Ich hätte mich an seine abendliche Anwesenheit gewöhnen können, doch der Zug schien abgefahren. „Komm schon, in einer halben Stunde ist Abfahrt", sagte Niall und verschwand in der Küche des Haupthauses. Einmal im Monat gingen wir mit den Kindern in den Zoo, so auch heute. In der Regel mochte ich die Ausflüge in den Zoo, denn unsere Kinder waren bestens erzogen. Nur ein einziges Mal sind wir versehentlich mit einem Kind zu viel wieder im Waisenhaus angekommen. Als wir Emily's Eltern endlich erreichen konnten, hatte sie ihre wenigen mitgebrachten Sachen schon in einem der Zimmer verstaut. Um die Wiederholung dieses Vorkommnisses auszuschließen, begleiteten uns Ella und Sophie.
Die Fahrt bis zum Londoner Zoo dauerte ungefähr eine Stunde. Eine Stunde, in denen ich meine Gedanken hätte sortieren können, wenn Niall nicht der Meinung gewesen wäre, mich ablenken zu müssen. „Es geht mir gut", sagte ich, nachdem er nun schon das dritte Mal in meine Grübchen piekste und mich währenddessen dümmlich angrinste. „Niall, lass das", forderte ich ihn augenrollend auf. Emma beobachtete die Situation von der gegenüberliegenden Sitzbank im Bus, bis sie von ihrem Sitz sprang und auf meinen Schoß kletterte. Sie schlang ihre kleinen Arme fest um meinen Körper und lehnte ihren Kopf an meiner Brust ab. „Ich hab dich lieb", sagte sie zufrieden lächelnd. „Ich dich auch, Süße", antwortete ich und streichelte sanft über ihren Kopf.
Auch wenn meine Laune hätte grundlegend besser sein können, zauberte meine Prinzessin mir doch ein Lächeln ins Gesicht. Ich ließ meinen Blick schweifen und beobachtete das hektische Treiben der Londoner Innenstadt. Es war anders, als auf unserem abgelegenen Grund und Boden. Ich mochte London, doch die Ruhe mochte ich noch mehr, weshalb wir uns damals für genau dieses Haus entschieden. Wir waren anfangs unschlüssig, ob wir dem ehemaligen Bauernhof nicht auch ein paar Tiere zuführen sollten, doch der Plan verfestigte sich erst in den letzten Wochen immer mehr. Vielleicht verfestigte er sich auch nur, weil Emma sich ein Alpaka wünschte. Sie wusste, dass ich ihr kaum einen Wunsch hätte abschlagen können.
„Hat jeder seinen Sitznachbarn?", rief Niall in die Runde, als der Bus zum Stehen kam. Als er bestätigendes Geschrei hörte, stiegen wir aus dem Bus und liefen zum Eingang des Zoo's. „Kümmere du dich doch schon mal um die Getränke, wir werden vermutlich direkt im Kinderland die erste Rast machen", sagte Niall schmunzelnd, denn es wiederholte sich bei jedem Besuch. Direkt nach dem Eingangsbereich befand sich das Kinderland mit einem riesigen Ballhaus, unzähligen Rutschen und diversen elektrischen Fahrzeugen. Der Zoo glich somit einem Freizeitpark und die Kinder liebten es. Einen richtigen Freizeitpark hatten wir bislang noch nicht besucht, denn es war schwer auf achtundzwanzig Kinder unterschiedlichsten Alters zeitgleich aufzupassen.
Ella, Sophie und Niall gingen mit den Kindern vor, während ich zu dem kleinen Kiosk lief. Niall hatte die Getränke im Waisenhaus vergessen, weshalb wir dringend nachjustieren mussten. Ich war selbst Schuld, denn ich verzichtete darauf Niall zu fragen, ob er an alles gedacht hat. Ich hätte wissen müssen, dass er das nicht getan hat. „Guten Morgen", begrüßte ich die ältere Dame, die mich aus dem völlig überladenen Fenster der Holzhütte heraus ansah. „Guten Morgen, was darf es sein?", fragte sie mit einem sympathischen Lächeln. Ich gab meinen Wunsch ab und ließ den Blick zum neben der Holzhütte befindlichen Zeitungsständer gleiten, als ich Louis auf dem Titelbild entdeckte. Sofort griff ich nach der Zeitung. „Und die hier bitte", sagte ich und reichte ihr das Geld. „Schönen Tag noch", verabschiedete ich mich.
Mit den Getränken und der Zeitung setzte ich mich vor die Zugangstür des Kinderlandes und blätterte zu der Seite, die sich um Louis drehte. Zu meinem Entsetzen drehte sie sich jedoch nicht nur um Louis, sondern um ihn und seine Verlobte. ‚Prinz Louis und die schwedische Herzogin Catherine auf Wolke sieben' lautete die Überschrift der Titelstory. Mein Magen zog sich vollständig zu, als ich einen ersten Blick auf die Bildstrecke warf. Catherine war unglaublich schön. Sie bediente jedes Klischee, welches ich über schwedische Frauen kannte. Sie hatte lange blonde Haare, die in perfekt gestylten Wellen im Wind wehten. Ihre Augen so strahlend blau wie die von Louis und ihr Körper entsprach ausnahmslos jedem veralteten Schönheitsideal. Sie war etwas größer als Louis, was dem Bild eines perfekten Paares keinen Abbruch tat.
Der Grund, warum Louis sich nicht mehr bei mir sehen ließ, befand sich direkt vor mir. Er befand sich in einer perfekten Beziehung. Auf den Bildern strahlten sie sich an. Sie liefen Hand in Hand und lachten, doch es war kein aufgesetztes Lachen, viel mehr sagte es pures Glück aus. Und ich hasste es mit jeder Faser meines Körpers. Wollte er sich vor der Hochzeit nur noch einmal ausprobieren? Wollte er die Bestätigung für seine Sexualität haben? Warum hat ihn der Kuss mit mir so offensichtlich erregt, wenn seine Zukunft doch die Beziehung mit Catherine zu sein schien. „Trauerkloß, kommst du rein? Ich habe gute Nachrichten", sagte er, während er den Kopf durch die Tür steckte und mich musterte. „Fuck Haz, was ist passiert?", fragte er, als er die Träne entdeckte, die gerade mein Gesicht herunterlief.
„Ich weiß, warum er sich nicht meldet", sagte ich und hielt ihn die Doppelseite voll Brechmittel hin. „Oh", kommentierte er unbeeindruckt. „Oh?", fragte ich mit zusammengekniffenen Augenbrauen. „Was willst du hören? Ich kenne den wahren Grund für seine Abwesenheit", sagte Niall mit einem selbstgefälligen Lächeln. „Aha", kommentierte ich. „Aha?", fragte er sichtlich irritiert. „Niall, ich habe den leisen Verdacht, dass sich dieses Gespräch im Kreis dreht", sagte ich kopfschüttelnd. „Dann guck hier", sagte er und reichte mir sein Telefon. Der Absendenamen lautete ‚Zayn Malik'. „Du hast Zayn's Nummer? Warum hast du Zayn's Nummer? Woher hast du Zayn's Nummer?", fragte ich. „Lies", forderte er mich jedoch auf.
‚Hallo Niall. Ich möchte dich darüber in Kenntnis setzen, dass unser letzter nächtlicher Ausflug aufgeflogen ist und Louis unter Arrest gestellt wurde. Bitte richte es Harry aus und sag ihm, dass Louis an ihn denkt.'
Langsam blickte ich vom Display auf. „Er steht unter Arrest?", fragte ich mit zusammengekniffenen Augenbrauen. „Ich habe exakt den selben Kenntnisstand wie du", sagte Niall. „Aber wieso war er dann mit Catherine zusammen? Und wie lange dauert der Arrest?", fragte ich weiter. „Selber Kenntnisstand, Harry. Selber Kenntnisstand", wiederholte er. Stand Louis überhaupt unter Arrest oder war dies nur eine Ausrede, um mich nicht mehr sehen zu müssen? „Was tun wir jetzt?", fragte ich. „Mach dir darum mal keine Sorgen. Ich habe einen Plan", sagte Niall mit einem teuflischen Grinsen. „Niall, als du das letzte Mal einen Plan hattest, habe ich eine Nacht in einer Gewahrsamszelle übernachtet. Ist der aktuelle Plan besser?", fragte ich.
„Der aktuelle Plan sieht keine Gewahrsamszelle vor. Maximal einen richtigen Gefängnisaufenthalt", sagte er mit zufriedenen Lächeln. „Wir werden nicht in den Buckingham Palace einbrechen!", sagte ich. „Nein", erwiderte er. „Sprich mir nach!", forderte ich ihn auf. „Wir werden nicht in den Buckingham Palace einbrechen", sagte er, gefolgt von einem viel zu übertriebenen Zwinkern, als dass es seiner Aussage nicht die komplette Glaubwürdigkeit hätte nehmen können. „Niall!", fuhr ich ihn an. „Ich habe nach der Nachricht mit Zayn telefoniert und er könnte uns in den Buckingham Palace bringen", sagte er. „Und dann? Was soll ich sagen, wenn wir erwischt werden? Soll ich mich als die Person vorstellen, die gerne mit dem Prinzen schlafen würde?", fragte ich beinahe fassungslos. Niall hingegen sah mich mit leuchtenden Augen an und wackelte leicht mit seinen Augenbrauen.
„Was?!", fragte ich. „Du denkst darüber nach, mit ihm zu schlafen, seine königliche Erektion zu begutachten", sagte Niall kichernd. „Halt die Klappe, Niall", sagte ich ebenso kichernd und vergrub mein Gesicht in den Händen, um die aufgestiegene Röte zu verbergen. „Scheiß auf den Artikel, Harry. Wer weiß, was das ist oder von wann das ist. Du kannst ihn ja fragen, wenn wir in den Buckingham Palace einbrechen", sagte er. „Wir werden nicht in den Buckingham Palace einbrechen!", wiederholte ich lachend und schlug ihm leicht gegen den Oberarm. „Natürlich nicht, Haz. Natürlich nicht", sagte er und warf mir erneut ein überspitztes und äußerst unglaubwürdiges Zwinkern zu.
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Blue Crown | L.S.
FanfictionEine gemeinsame Story von @susiiTomlinson und @LorWriteBlue. ______________________________ Nur einen Moment Ruhe. Nur einen Moment durchatmen und die Geschehnisse der letzten Tage verarbeiten. Mehr wollte Louis, Sohn des Königs des Vereinigten Köni...