Kapitel 1

3.1K 59 5
                                    



Evelyn:

Ich steige aus dem Flieger und die Luft Englands strömt mir regelrecht ins Gesicht.

Ich nehme kurz mein Handy aus der Hosentasche, um den gerade laufenden Song zu überspringen. Meine Freundin hatte mir nämlich zum Abschied eine Playlist gemacht mit all den Songs, zu denen wir in ihrem Zimmer lauthals gesungen haben. Ich werde sie vermissen. Aber wenigstens bin ich aus dieser Familie raus. Wurde langsam auch Zeit.

Wenn ich darüber nachdenke, war das sogar Rekordzeit. Niemand zuvor hatte mich für stolze 9 Monate aufgenommen. Meisten war ich so schnell wieder weg, wie ich gekommen war. Aber daran bin ich gewohnt. Nichts neues. Und es wird auch hier nicht anders sein.

Ich mache mich auf den Weg zur Gepäcksausgabe. Wie immer warte ich eine halbe Ewigkeit auf meinen blauen Koffer der gefühlt schon die halbe Welt bereist hat. So wie ich.

Aber jetzt bin ich erstmal zurück in Amerika, wo ich ursprünglich herkomme.

Endlich sehe ich meinen Koffer der langsam auf mich zu kommt.

Ich nehme ihn vom Band und laufe schnell Richtung Ausgangshalle. Es ist eindeutig zu voll hier. Wie soll ich hier meine neuen Pflegeeltern finden? Das ist doch wohl ein Witz. Außer sie halten eines dieser Typischen amerikanischen Schilder in die Höhe. Bitte lass es sie nicht tun.

Ich zücke mein Handy, um sie anzurufen. Sofort geht Amy, meine Pflegemutter ran.

„Hey, wo seid ihr? Schreie ich schon fast. Hier ist es echt laut.

„Wir stehen vor der dem kleinen Burger-Restaurant" Als ob ich jetzt wüsste, wo sie sind. Dieser Flughafen ist riesig.

„Ein bisschen genauer, wenn es geht" Ich sehe mich um entdecke mehr als nur ein Restaurant.

„Okay, wir treffen uns beim Starbucks. Hier gibt es nur einen und er ist gleich hier in der Ausgangshalle" erklärt sie. Ich antworte nur noch mit einem okay, bevor ich meinen Koffer nehme und durch die Gegend rolle.

„Evelyn" Eine kreischende Frau rennt auf mich zu und umarmt mich. Oh, Gott. „Hey?" bringe ich schüchtern hervor. Amy lässt von mir ab und mustert mich. „Du bist wirklich schön, Liebes" Mein Gesicht läuft rot an.

„Äh, danke" meine ich verlegen. Ich weiß nicht wirklich, was ich sonst dazu sagen soll. Denn ich bin nicht besonders schön. Ich bin klein, dünn und habe keine Oberweite oder Kurven. Mein Gesicht ist eher niedlich und meine Haare eine Mischung aus Blond und Braun. Ich sehe aus wie ein kleines zierliches 15-jähriges Mädchen. Dabei bin ich siebzehn. „Willkommen, Evelyn" Vor mir steht ein Mann mit blonden Haaren, die aus seiner Cap heraussehen. Mein Pflegevater, Steven.

„Danke, dass ihr mir ermöglicht hier zu sein" Den ich bin wirklich froh weg von meiner alten Familie zu sein.

„Wir freuen uns, dass du da bist" meint Amy und grinst mich an. Wenigstens wirken sie wie zwei sehr Nette Elternteile.

Aber ich sollte keine Voreiliegen Schlüsse ziehen. Wer weiß, was da noch auf mich zukommen wird. Neue Schule, neue Freunde und neue Geschwister.

Im Auto erzählt mir Amy durchgehend von Kalifornien und der Schule. Bei dem Gedanken an die Schule ist mir nicht gut. An meiner letzten Schule hatte ich genau eine Freundin, Silla. Aber das wars dann auch. Ich wurde nicht gemobbt, aber wie Luft behandelt und da Silla ziemlich oft krank war oder schwänzte war ich eben ein Großteil der Zeit allein. Hier wird es hoffentlich anders werden. Vielleicht finde ich ja ein paar Leute?

„Wir sind hier. Kommt bitte alle runter" schreit Amy, als wir das Wohnzimmer betreten. Es sieht gemütlich aus. Die Bilder an der Wand sind eher älter doch immer noch wunderschön. Nacheinander höre ich Schritte auf der Treppe und die erste Person tritt in meinen Augenwinkel. Es ist ein Junge, der etwa in meinem Alter sein müsste. Er hat dunkelblonde Haare und Blaue Augen. Mein neuer Pflegebruder lächelt mich an und ich lächle schüchtern zurück.

„Hey, ich bin Taylor" Er hält mir seine Hand hin und ich schüttle sie dankbar. „Ich bin Evelyn" stelle ich mich ebenfalls vor. Ich glaube er könnte nett sein. Von der Art wie er gerade mit mir umgegangen ist, war er auf jeden Fall viel freundlicher als meine früheren Pflegebrüder. Mit ihm würde ich es eine Zeit lang aushalten-

Keine Minute später stürmen zwei weitere Kinder das Zimmer.

„Oh mein Gott, sie ist da" quietscht das Mädchen und ich zucke zusammen. Sofort klammert sich auch noch das dritte Kind an mein Bein. Er will nichtmehr von mir loslassen auch als Amy ihn ermahnt.

„Das ist so cool! Ich habe eine Schwester". Ich schaue überfordert zwischen Taylor und seinen Eltern hin und her. Ist ganz niedlich dieser Empfang, aber ich weiß nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll?

„Ich heiße Evelyn" versuche ich die beiden in ein richtiges Gespräch mit mir zu verwickeln.

„Das ist so ein schöner Name. Ich bin Stella und werde bald 14. Können wir dann so richtige Mädchen Dinge machen, wie shoppen gehen?" Sie sieht mich erwartungsvoll an.

„Ehm- Ich bin nicht gerade gut in diesem Schwesternzeugs" gestehe ich, aber das scheint Stella nichts auszumachen. Sie zuckt nur mit den Schultern und meint, sie würde es mir schon noch zeigen.

Ich hatte in all den Jahren gerade mal 3 Pflegeschwestern und die waren alle entweder schon alt genug, um nichts mit mir zu tun haben zu wollen oder viel zu jung. Stella ist zwar auch nicht ganz in meinem Alter aber definitiv näher dran.

Dann ist da aber immer noch der Klammeraffe an meinem Bein der zu mir hochblickt. „Hey, kleiner Mann" begrüße ich ihn und er sieht mich sofort finster an.

„Jay nicht klein" meint er trotzig. „Oh, tut mir leid".

„Ich schon so" Er hält mir seine Hand hin und streckt 4 Finger in die Höhe. „Das ist echt schon groß" Als ich das sage fängt er an zu grinsen. Jay ist so süß mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen. Er hat Ähnlichkeiten mit seinem großen Bruder, der uns beide amüsant beobachtet.

„Wir spielen?" Mein kleiner Pflegebruder zeigt auf die Autos die

auf dem Boden liegen. „Lass sie erst einmal ankommen" mischt sich Taylor ein. Wütend sieht Jay zu ihm hoch aber sein Bruder schüttelt nur den Kopf.

„Komm, ich zeig dir dein Zimmer" Vorsichtig löse ich Jay von mir, ehe ich meinem anderen Pflegebruder hinterherlaufe.

„Und? Wie findest du es bisher?" Es verwundert mich ein bisschen, dass er sich dafür interessiert.

„Was ich bisher mitbekommen habe, gut" Er nickt anerkennend, bevor er vor einer Tür stehen bleibt. „Ladys First" meint mein Pflegebruder gespielt und ich öffne die Tür.

„Das ist echt verrückt" murmle ich, als ich eintrete. Taylor wirft mir einen verwirrten Blick zu.

„Es ist ein einfaches Zimmer, mit einem Bett und einem Schreibtisch?"

„Naja. Es ist das Erste Zimmer, das ich nicht teile, und vor allem größer als eine Abstellkammer ist" erkläre ich. Bei meiner Erklärung rümpft er die Nase.

„Klingt nicht so großartig. Aber jetzt bist du ja hier" Er lächelt mich noch kurz an, bevor er mich allein in diesem Zimmer lässt.

Meinem Zimmer. Es fühlt sich surreal an. Als wäre ich in einem Traum. Eine Familie, die mich mit offenen Armen empfängt und ein echt schönes Haus. Dazu kriege ich noch mein eigenes Zimmer mit einem Bett, dass größer ist als mein letztes Zimmer.

Womit habe ich das verdient? Ich hoffe einfach, dass ich dieses Mal ein bisschen länger bleiben kann und nicht nach ein paar Wochen wieder weg bin. Bei dieser Familie habe ich das erste Mal das Gefühl, dass ich vielleicht die Möglichkeit bekomme ein komplettes Schuljahr hier zu beenden.

Obwohl ich mir vielleicht eh wünschen werde, dass ich wieder

gehen kann, falls es doch nicht das ist für das ich es gehalten habe. Irgendwie werde ich das schon überstehen. Ich habe ja jetzt ein Zimmer, indem ich meine Zeit verbringen kann.

Bei mir im Zimmer besitze ich auch zum ersten Mal einen richtigen Kleiderschrank weshalb ich anfange die Kleidungsstücke aus meinem Koffer, in den Schrank zu räumen. Ich habe jetzt nicht Unmengen an Kleidung, aber es reicht definitiv. Außerdem habe ich noch etwas angespartes Geld von meinem Ferienjob in Europa. Damit sollte ich über die Runden kommen. In den nächsten Ferien kann ich dann wieder arbeiten gehen.

Ending LonelinessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt