Ich trete mit dem riesigen Strauß roter Rosen in der Hand durch die Wohnungstür. Der süßlich-florale Duft der Blumen breitet sich im Flur aus. Essad hat vorgeschlagen, sie bei ihm stehen zu lassen, damit ich nicht in Erklärungsnot bei meinen Eltern gerate, aber sie sind wunderschön und ich wollte sie unbedingt mitnehmen.
Ich streife meine Sneaker im Flur von den Füßen und schiebe sie beiläufig an die Wand. Ich will nur schnell die Rosen in mein Zimmer bringen, bevor ich meine Eltern begrüße uns so eine unnötige, nervenaufreibende Diskussion längstmöglich vermeiden.
Doch als ich herumfahre, ist es schon zu spät dafür. Meine Mutter steht im Flur, einen schwarzen Zweiteiler aus Strick an ihrem schlanken Körper und ein gleichfarbiges Kopftuch aus fließendem Chiffon über ihren dunklen Haaren gebunden.
Sie schenkt mir ein herzliches Lächeln, bis ihr Blick auf die langstieligen, dunkelroten Baccara-Rosen in meiner Hand fällt. Ihr Gesicht friert ein.
"Sag mir bitte nicht, dass du dich wieder mit Nael getroffen hast?", fragt sie ernst und ohne jegliche Begrüßung. Ihre geschwungenen Augenbrauen zieht sie misstrauisch zusammen, die schmalen Lippen fest aufeinander gepresst.
"Um Gottes Willen, nein!", entfährt es mir schockiert. Das wird in diesem Leben garantiert nicht mehr passieren.
"Woher hast du die dann?" fragt sie neugierig, ihre Augen immer noch skeptisch auf den prächtigen Strauß gerichtet.
Ich spüre, wie meine Wangen heiß werden. Für einen Moment überlege ich, zu lügen, um es mir einfacher zu machen. Ich könnte behaupten, sie mir selbst beim Floristen gekauft zu haben, auch wenn sie mir das ausgerechnet bei roten Rosen wahrscheinlich nicht glauben würde.
Doch dann denke ich an Essad und daran, was er alles für mich getan hat und wie viel er in all den Jahren zurückgesteckt hat, um mich glücklich zu sehen. Ihn zu verleugnen würde sich falsch anfühlen, vor allem am heutigen Tag. Heute, als wir zum ersten Mal "Ich liebe dich" gesagt haben, als er mich gefragt hat, ob ich seine Freundin sein möchte und als ich obendrein mein erstes Mal mit ihm hatte. 22.11.2013. Ein Tag, den ich niemals vergessen werde. Essads und mein Tag.
"Ich habe jemanden kennengelernt," beginne ich, meine Stimme fest, obwohl mein Herz rast. "Ich bin verliebt und er macht mich sehr glücklich."
Meine Mutter sieht nicht begeistert aus. "Shalia," sagt sie, die Stirn in Sorgenfalten gelegt, "du hast doch gerade erst die Verlobung gelöst und dich von Nael getrennt. Ist das nicht ein bisschen früh? Vielleicht solltest du dich erst einmal auf die Schule konzentrieren, bevor du dich in die Arme des nächsten Jungen stürzt."
Ich beiße mir auf die Zunge und schlucke meine aufkeimende Wut hinunter.
"Mama, ich stürze mich in gar nichts und ich vernachlässige auch die Schule nicht. Dieser Mann ist bereits seit Monaten an meiner Seite und hat mir geholfen, die Trennung von Nael zu verarbeiten. Er war in dieser schweren Zeit für mich da und hat sich jeden Tag bemüht, mich glücklich zu machen. Nur dank ihm geht es mir wieder gut."
Sie zieht eine Augenbraue hoch. "Seit Monaten, ja?"
Taktisch klug war dieses Eingeständnis definitiv nicht.
"Mama, ja, seit Monaten," antworte ich, während ich den kritischen Blick meiner Mutter kaum ertragen kann. Die Spannung im Raum ist spürbar und ich trete unruhig von einem Bein aufs andere.
Sie seufzt tief und verschränkt die Arme vor der Brust. "Und in dieser ganzen Zeit hast du uns nichts davon erzählt? Wer ist dieser ominöse Mann überhaupt?"
Ich zögere kurz, dann offenbare ich: "Es ist Essad."
Ihre Augen weiten sich leicht vor Überraschung. "Essad?"
DU LIEST GERADE
Süß wie Baklava
Teen FictionNael und Shalia kennen sich seit dem Kindergarten, denn genauso lange ist Nael schon der beste Freund ihres älteren Bruders Zayn. Deshalb treffen die beiden sich auch heimlich, als ihnen klar wird, dass sie mehr füreinander empfinden als Freundschaf...