Es ist ein unauffälliger Oktobertag in der nächsten Woche, als ich meine Jeansjacke überziehe, nach meinem Portemonnaie greife und die Wohnung verlasse. Die Nachmittagssonne scheint mir ins Gesicht, als ich mich auf den Weg zum Supermarkt mache, um ein paar Sachen für meine Mutter zu besorgen.
Ich laufe gerade aus dem Haus und durch den kleinen Vorgarten, einen Schotterweg gesäumt von kleinen Buchsbäumen entlang, da taucht aus dem Nichts ein bekanntes Gesicht vor mir auf. Mein Magen zieht sich zusammen und Übelkeit steigt in mir auf.
Was in Allahs 99 Namen will er hier?
Ich habe ihn seit Wochen nicht gesehen und ich hatte ehrlich gesagt auch nicht vor, das zu ändern.
Er läuft zielstrebig auf mich zu, die Kapuze seines schwarzen Hoodies tief ins Gesicht gezogen. Er sieht noch schlimmer aus, als bei unserer letzten Begegnung, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass das überhaupt möglich ist.
Er ist regelrecht abgemagert und blass. Er wirkt unrasiert und sogar gänzlich ungepflegt. Der einst bildhübsche junge Mann mit der schönen, karamellfarbenen Haut und den strahlend braunen Augen ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
Seine Augen sind glasig und gerötet. Sofort spüre ich, dass etwas nicht stimmt. "Shamsi", nuschelt Nael und ein unnatürliches Grinsen breitet sich in seinem Gesicht aus. "Ich habe dich so vermisst."
Nach all der Zeit den Kosenamen zu hören, den er mir einst aus Liebe gegeben hat, verpasst meinem Herzen einen Stich.
Bevor ich reagieren kann, packt er meinen Arm und zieht mich an sich. Seine Finger graben sich unangenehm in meine Haut, und ich rieche den stechenden Geruch von Alkohol und kaltem Qualm.
Ich stemme mich dagegen, doch habe keine Chance. Seine Berührungen sind unangenehm, sein Geruch widern mich an. Ich will das hier nicht.
"Lass mich los, Nael", sage ich fest und versuche, mich aus seinem Griff zu befreien, doch er lässt nicht locker. "Was willst du überhaupt hier? Ich habe seit Ewigkeiten nichts von dir gehört."
"Ich musste dich sehen, Shalia", lallt er und seine Hand wandert über meinen Rücken. Nael hat mich oft so berührt, doch im Gegensatz zu früher ekelt mich seine Nähe mittlerweile an. "Jeder Tag ohne dich fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Mein Leben macht keinen Sinn mehr, seitdem du weg bist."
Mein Herzschlag beschleunigt sich, und Panik breitet sich in mir aus. "Nael, khallas, hör auf. Ich will das nicht. Geh weg von mir." Meine Stimme wird lauter, während ich erneut versuche, mich loszureißen.
Doch Nael scheint taub für meine Worte. "Wir sollten nochmal über alles reden", sagt er dringlich, fast flehend. "Bitte komm zurück zu mir, Shalia." Seine Stimme bricht.
Ich sehe mich verzweifelt nach Hilfe um, aber niemand ist in Sichtweite. "Nein, Nael. Es gibt nichts mehr zu reden. Wir haben tausendmal geredet. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Du bist für mich gestorben."
Er lacht bitter, verzweifelt. "Du verstehst es nicht", wiederholt er. "Wir gehören zusammen. Du kannst dich nicht einfach von mir trennen. Wir haben uns geschworen, dass wir heiraten werden und für immer zusammen bleiben."
Tränen steigen mir in die Augen. Ich fühle mich wie in einem Alptraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Den Mann, den ich einst besser kannte als jeden anderen Menschen auf dieser Welt, erkenne ich nicht mehr wieder. Er ist so in einem Drogenrausch, er wirkt beinahe, als hätte er eine Psychose.
"Du machst mir Angst, verdammt. Lass mich endlich los!", schreie ich jetzt. Meine Nerven liegen blank.
Nael engt mich ein, nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Er lässt mich nicht aus dieser Situation entkommen, dabei will ich einfach nur weg von ihm.
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Süß wie Baklava
Novela JuvenilNael und Shalia kennen sich seit dem Kindergarten, denn genauso lange ist Nael schon der beste Freund ihres älteren Bruders Zayn. Deshalb treffen die beiden sich auch heimlich, als ihnen klar wird, dass sie mehr füreinander empfinden als Freundschaf...