《• 49 •》

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Auf dem Heimweg gehen mir die Worte und Emotionen des Treffens mit Nael immer wieder durch den Kopf.

Ich laufe durch die belebten Straßen, in Neukölln ist es nie ruhig. Auch im späten Winter nicht, wo die Sonne noch früh hinter den Häusern verschwindet. Ein leiser Wind weht durch die Bäume, und ich schlinge fröstelnd den dünnen Mantel enger um meinen Körper.

Ich bin völlig in Gedanken versunken, als plötzlich jemand laut meinen Namen ruft. "Shalia" ertönt die vertraute Stimme von der anderen Straßenseite. Mein Blick schnellt zu einem kleinen, türkischen Barbershop.

Essad steht dort, an die große Fensterscheibe gelehnt, mit einer Zigarette in der Hand. Hinter ihm im Laden sehe ich Jibrail, seinen besten Freund, wie er gerade die letzten Handgriffe seines Haarschnitts bekommt. Essad scheint - seiner akkuraten Frisur nach zu urteilen - bereits fertig zu sein und die Wartezeit draußen mit Rauchen zu überbrücken.

Sein Gesicht erhellt sich, als sich unsere Blicke treffen. Mir hingegen wird heiß und kalt zugleich. Mein Herz schlägt schneller und ein schlechtes Gewissen überkommt mich. Ich drücke die letzten Erinnerungen an das Treffen mit Nael zur Seite und versuche, mich auf Essad zu konzentrieren. Mit schweren Schritten überquere ich die vielbefahrene Hauptstraße und laufe auf ihn zu.

"Was machst du hier, Babe?", fragt er lächelnd, während ich die letzten Meter zwischen uns überwinde.

"Ich war.. Kaffee trinken", sage ich und versuche, entspannt zu klingen, während mein Herz rast.

Essad zieht mich in eine feste Umarmung und küsst mich liebevoll auf die Wange.

Plötzlich hält er inne und schiebt mich etwas von sich. Er sieht mich ernst an, seine Augen verengen sich leicht. "Kann sein, dass ich langsam durchdrehe, aber wieso riechst du nach Nael?"

Meine Augen weiten sich und für einen Moment bin ich sprachlos.

"Wie kommst du darauf?", frage ich heiser.

Er löst sich von mir und tritt einen Schritt zurück, jedoch ohne mich auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

"Das ist keine Antwort auf meine Frage." Seine Stimme ist ruhig, aber so kalt, dass ich noch mehr friere.

Ich weiß, dass ich ihm die Wahrheit nicht länger verheimlichen kann, aber wie soll ich ihm erklären, dass ich mich mit Nael getroffen habe, ohne ihn zu verletzen und sein Vertrauen zu verlieren? Oder ist es dafür schon zu spät?

"Essad, ich.." beginne ich, meine Stimme zittert. "Es gibt etwas, das ich dir erklären muss."

Essad sieht mich weiterhin ernst an, seine Augen durchdringen mich. Er lacht abfällig. "Oh ja, das glaube ich auch."

Ich hole tief Luft und versuche, meine Gedanken auf die Schnelle zu ordnen. "Ich konnte diesen Brief von Nael nicht auf mir sitzen lassen. Ich musste mit ihm reden, um wirklich mit allem abschließen zu können. Also habe ich ihm gestern geschrieben und heute haben wir uns in einem Café getroffen, um uns ein letztes Mal auszusprechen."

Fassungslos starrt er mich an. Er scheint gar nicht glauben zu können, was ich gerade gesagt habe.

"Und? Habt ihr euch wieder vertragen? Hat er seinen Willen gekriegt und dich zurück gewonnen?"

Entschieden schüttele ich den Kopf. "Das war in keiner Sekunde eine Option. Ich will nur dich."

"Wieso riechst du dann nach seinem fucking Parfum?"

"Weil wir uns umarmt haben, als wir Abschied genommen haben."

"Muss ja 'ne lange Umarmung gewesen sein", knurrt er durch zusammegebissene Zähne.

Süß wie Baklava Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt