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"Nael?"

Ich starre wie gebannt auf den Chat, bis sich sein Status auf online ändert. Mein Herz klopft heftig gegen meine Brust, meine Finger zittern.

Da ist sie wieder, die Ungewissheit, die mich überkommt. Kurz denke ich an Essad. Hätte ich ihm sagen müssen, dass ich Nael schreibe?

Vielleicht. Aber irgendwie plagt mich das Gefühl, das mit mir selbst ausmachen zu müssen. Mit mir und mit Nael.

Ich muss diesen Schritt gehen, um wirklich mit der Vergangenheit abzuschließen.

Ich starre auf den Bildschirm, während die drei Punkte erscheinen, die anzeigen, dass er tippt. Mein Herz schlägt schneller, und ich frage mich wieder, ob ich das Richtige tue.

Was, wenn er gar nicht mir mir reden will? Wenn der Brief sein Abschluss war?

"Shamsi, ich hätte nicht damit gerechnet, dass du mir schreibst.."

"Ich habe deinen Brief bekommen. Danke für deine Worte, sie haben mich sehr berührt. Ich habe mich oft gefragt, wie es dir geht. Schön zu hören, dass es besser wird und du dir Hilfe gesucht hast. Es tut mir leid, dass ich dir damals nicht geholfen habe, sondern dich alleine gelassen habe."

Ich schreibe ungefiltert, was mir durch den Kopf geht und schicke die Nachricht ab. Die drei Punkte erscheinen wieder, und ich halte vor Nervosität den Atem an.

"Du musst dich nicht entschuldigen, Shamsi. Dich trifft keine Schuld. Mir tut das alles leid, was passiert ist. Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen."

"Ich würde dir gerne verzeihen, Nael, aber ich habe noch so viele Fragen in meinem Kopf."

"Wenn du möchtest, können wir uns treffen, dann beantworte ich sie dir alle."

Seufzend starre ich an die Decke. Ich würde mich gerne mit ihm treffen. Antworten auf meine Fragen zu erhalten klingt verlockend. Aber ich habe auch Angst davor, was es in mir auslöst, Nael zu treffen. Dass er mich immer noch liebt, hat er in seinem Brief klargemacht. Ich hingegen liebe Essad, doch welche alten Gefühle hochkommen, wenn Nael vor mir steht, und wir gemeinsam unsere Vergangenheit beleuchten, kann ich nicht einschätzen.

Apropos Essad. Der wird von diesem Vorhaben auch überhaupt nicht begeistert sein - verständlicherweise.

Unsicher kaue ich auf meiner Unterlippe herum und wäge Pro und Contra gegeinander ab. Minutenlang sitze ich wie erstarrt von dem kleinen Bildschirm meines Smartphones und zermatere mir das Hirn, bis ich meine Entscheidung getroffen habe.

Ich bin mir nicht sicher, ob es die richtige ist, aber es ist die einzige, die für mich in Frage kommt.

Buchstabe für Buchstabe tippe ich in mein Handy. "Okay. Wann und wo?"

...

Am nächsten Nachmittag stehe ich nervös vor dem kleinen Café, das Nael für unser Treffen vorgeschlagen hat. Die Sonne scheint, die ersten Vögel beginnen nach der Winterruhe wieder hell und freudig zu zwitschern, die ersten Krokusse und Narzissen blühen am Straßenrand. Der Frühling kommt, das ist nicht zu übersehen.

Ich spüre, wie eine Mischung aus Adrenalin und Anspannung durch meinen Körper rauscht.

Mit unsicheren Schritten laufe ich in das Innere des Bistros mit französischer Aufmachung. Das warme Licht wirft sanfte Schatten auf die gemusterten Tapeten und die dunklen Holzmöbel. An den Wänden hängen Bilder von Pariser Straßenszenen, die dem Raum eine nostalgische Atmosphäre verleihen. Ein leichter Duft von frisch gebackenem Baguette und geröstetem Kaffee liegt in der Luft, während im Hintergrund leise Chansons spielen. Die Tische sind mit karierten Tischdecken bedeckt, und die gedämpfte Geräuschkulisse von leisen Gesprächen und klirrendem Geschirr schafft eine einladende, gemütliche Stimmung.

Süß wie Baklava Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt