Kapitel 11 - Lianne

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Um mich herum ist es dunkel. Ich kann nichts sehen. Die Kälte umhüllt mich wie ein Mantel. Mein Körper schmerzt, mein Kopf pocht, und mein Mund ist so trocken, dass es beim Schlucken brennt.


»Lily, renn!«, höre ich jemanden rufen. Lily? Wer ist Lily? Meine Kopfschmerzen verstärken sich, und ich fühle mich desorientiert.
»Lily, renn!«
Schon wieder.
Wer ruft da? Wer ist Lily?

Meine Beine laufen automatisch in eine Richtung. Wahrscheinlich laufe ich im Kreis, dennoch suche ich nach einem Ausweg. Es ist immer noch dunkel, und ich habe das Gefühl, dass mich die Dunkelheit verschlingt. Ich bin ganz allein. Niemand ist hier, um mir zu helfen. Wo bin ich? Mein Atem ist flach. Ich höre nur, wie mein Blut in meinen Ohren rauscht. Die Stimme ist auch verschwunden.


»Hallo? Ist da wer?«, schreie ich verzweifelt in die Leere. Das ist doch alles abgefuckt.
Ein kleiner Junge taucht auf und rennt um mich herum, sein Lachen klingt mir bekannt. »Willst du mir den Ausweg zeigen?«, frage ich ihn, während ich mich hocke und sein Gesicht suche. Doch als ich zu ihm hochschaue, erschrecke ich mich. Sein Gesicht fehlt. Ich falle auf meinen Po zurück, das Lachen von ihm wird lauter und schriller. Er greift nach meinem Handgelenk, und ich versinke in Panik. Ich schlage wild um mich herum, keuche und blinzle vor mich hin. Der Junge ist verschwunden. Die Schmerzen werden heftiger, und ich fühle mich benommen.
»Lily, renn«, höre ich wieder.


Wieder tauchen die Jungen auf, diesmal sind es zwei. Zwei Gesichtslose kommen auf mich zu. Ich krabbele rückwärts, um Abstand zu gewinnen. Es erdrückt mich, die ganze Atmosphäre, als würde jemand meinen Brustkorb zerquetschen. Sie jagen mich. Sie packen mich und ziehen mich hoch. Sie halten mich an den Händen fest. Links und rechts von mir stehen die beiden Unbekannten und ziehen mich mit sich.


Es ist, als wären die beiden Variablen in einer mathematischen Aufgabe, die ich lösen muss. Sie fehlen in meiner Formel.


Am ganzen Körper zittere ich, ich kann vor Angst nicht reden. Ich bleibe stumm. Sie schauen zu mir hoch und sagen: »Lily«. Schon wieder dieser Name.
»Ich bin Lianne, nicht Lily«, flüstere ich zittrig vor mich hin. Die Dunkelheit frisst uns auf. Wieder die unbekannte Stimme, die nach dem Namen Lily ruft. Verwirrt schweift mein Blick durch die Leere. Ich kann nichts in der Ferne erkennen.


»Ich bin nicht Lily. Ich bin Lianne«, rufe ich verzweifelt.


Der Griff der beiden wird stärker und besitzergreifend. Sie schauen zu mir hoch und halten mich weiter fest. Es tut weh. Ein schmerzhaftes Fiepen entweicht meiner Kehle. Ich zerrte an meinen Händen, versuche mich aus ihren Fängen zu befreien. Sie lassen los, und ich falle. Falle in die endlose Leere. Mein Atem beschleunigt sich.


Ich schlage die Augen auf und finde mich in einem Bett wieder. Ich ringe nach Luft, völlig benebelt schaue ich an die Decke. Ich schlucke mehrmals und komme zur Besinnung.
Das ist nicht mein Zimmer. Ich schließe meine Augen wieder. Mein Kopf dröhnt, als würde er gleich platzen. Meine Augen sind schwer, ich kann mich nicht bewegen, und der Schmerz in meinen Gliedern und Muskeln pulsiert. Verdammt, der Muskelkater. Schläfrig versuche ich mich zu bewegen, aber ich kann nicht. Etwas Schweres liegt auf mir. Ich kämpfe dagegen an, bin aber immer noch viel zu müde.


Wenn ich mich schon nicht bewegen kann, dann drehe ich mich einfach um. Nachdenklich denke ich über den Traum nach.


Der Name Lily kommt mir bekannt vor, aber ich höre immer noch die Stimme in meinem Kopf nachhallen. Stimmt. Cyrus hat mich in der Bibliothek so genannt. Vielleicht träume ich so einen Shit, weil Cyrus wie ein Geist um mich herumirrt.


Was ist eigentlich gestern passiert? Und wo bin ich überhaupt? Ich liege in einem fremden Bett, völlig benebelt und noch zu müde. Anstrengend denke ich nach. Wie ein Blitz flackern einzelne Bilder von letzter Nacht in meinem inneren Auge auf. Cyrus und ich haben mit dem Kristall „Wahrheit" gespielt. Wie kindisch. Der Kristall leuchtete immer grün.

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