Kapitel 22 - Lianne

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Es sind ein paar Tage vergangen, seitdem ich in diesem neuen Zimmer lebe. Die drei haben es tatsächlich geschafft, ein paar Sachen aus meinem alten Zimmer zu retten. Es ist nicht viel, aber ich bin ihnen dankbar. Auch Cyrus verhält sich mir gegenüber freundlich. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich mich wieder an ihn erinnere. Doch es ist seltsam—er ist distanziert, und die anderen sind es ebenfalls. Vielleicht ist es auch besser so. So kann ich mich voll und ganz auf die bevorstehende Prüfung konzentrieren.

Mein neues Zimmer befindet sich am Ende des Flurs. Es ist geräumig, mit vielen Fenstern, die das kühle Licht des Winters hereinlassen. Morgane und Dorian haben mir geholfen, es gemütlicher zu gestalten. Sie haben sogar eine Fotowand für mich gebastelt, wo ich die Bilder von uns aufhängen kann, die wir in den letzten Monaten gemacht haben. Die Luft draußen ist klar und eiskalt, der erste Frost hat die Natur in eine stumme, schlafende Welt verwandelt. Drinnen hingegen ist es warm und behaglich.

Fiora und die anderen haben mir seit dem Vorfall mit dem Shadow kein Haar gekrümmt. Doch ihre Blicke bleiben feindselig, ihre Kommentare abfällig, auch wenn ich gelernt habe, sie zu ignorieren. Die Nächte sind oft still, außer wenn die Jungs verschwinden. Ich vermute, dass sie Shadows jagen, die immer wieder in der Nähe auftauchen, obwohl es keine von den intelligenten Wesen zu sein scheinen. Zwei Mal hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, gegen eines dieser Wesen zu kämpfen. Es bleibt ein Rätsel, wie sie trotz des verstärkten Schutzwalls auf den Campus gelangen können. Vielleicht habe ich den Fünfer Rat doch falsch eingeschätzt.

Trotzdem bleibt da diese leise Wut. Cyrus hat nur zugesehen, als die anderen mich schikaniert haben. Die Erinnerung daran schmerzt noch immer.

»Schon eingelebt?« Die Stimme an der Tür lässt mich aufblicken. Es ist Ashton, der im Türrahmen lehnt und mich mit einem schiefen Lächeln ansieht. »Es ist... eigenartig«, gebe ich zu und stemme die Hände in die Hüften. Er lacht leise und tritt ins Zimmer.

»Wo sind die anderen?«, frage ich, mehr aus Neugier als aus wirklichem Interesse. Sein schelmisches Grinsen verrät jedoch alles. »Nicht hier. Wir sind ganz allein«, antwortet er und sein Tonfall lässt mein Herz schneller schlagen.

Sein Blick streift über mich und bleibt auf meinen Augen ruhen. »Bist du eigentlich sauer, dass ich euch vergessen habe?«, frage ich und lächle unsicher. Er schüttelt den Kopf, doch ich glaube ihm nicht. Sie sind sauer, und das hat mir Cyrus in der Bibliothek deutlich gezeigt.

»Hör auf zu lügen, Ashton-Lucas Gray«, ermahne ich ihn und mache einen Schritt zurück. Seine Miene verfinstert sich kurz, aber dann lacht er, während er mit der Hand durch sein blondes Haar fährt. Seine Augen fangen meinen Blick auf, und wie so oft verliere ich mich in ihnen.

»Es ist... kompliziert«, sagt er nach einer Weile und klingt dabei bedrückt. »Was genau ist kompliziert?«, hake ich nach. Früher haben wir uns doch immer alles erzählt. Doch jetzt scheint es, als gäbe es Mauern zwischen uns, Mauern, die ich nicht verstehe.

Er hebt meine Hand zu seinem Gesicht und küsst sie leicht. »Vertraust du mir?«, fragt er, und obwohl ich skeptisch bin, nicke ich.

Bevor ich weiter nachhaken kann, fragt er plötzlich: »Hast du schon ein Kleid für den Ball?« Überrascht blinzle ich ihn an. Der Winterball—ich hatte ihn vollkommen vergessen vor lauter Prüfungsstress.

»Fuck, ich hab's total vergessen!«, stöhne ich und lasse meinen Kopf in den Nacken fallen. »Und jetzt ist es wahrscheinlich zu spät, noch eins zu bestellen.«

Ashton lacht und zieht mich aus dem Zimmer. »Keine Sorge, wir kriegen das hin.«

Er führt mich hinaus in die eisige Kälte, wo bereits eine Limousine wartet. »Harry, bring uns zur Boutique Noir«, sagt Ashton zu seinem Butler. »Guten Tag, Lady Lily«, begrüßt Harry mich höflich und öffnet die Tür der Limousine.

Celestial University - Dunkle GeheimnisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt