Vater und Tochter

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Nach der Schule beschloss Ria, ihren griechischen Freunden mal wieder einen Besuch abzustatten. Auf dem Weg zur Kampfsportschule grübelte sie über dieses ominöse Ritual nach. Wie hatte Adele es noch gleich genannt? Blutritual. Das konnte doch nichts Gutes bedeuten. Alleine schon die Tatsache, dass es mit Blut zu tun haben sollte, befremdete sie. Hoffentlich war das nur so eine Art Blutsbruderschaft, bei dem sich jeder in die Hand ritzte und die beiden blutenden Stellen dann im Schwur aufeinander gedrückt wurden. Sie hoffte inständig, dass das nichts mit dem Trinken vom Blut fremder Leute zu tun hatte. Einige der von Menschen geführten Vampir-Poser- Gruppen praktizierten diese Methode wohl. Zumindest hatte Storm - Aleixs Geist - sich darüber lustig gemacht.

„Die wahren Vampire", hatte Aleix ihr vor einigen Tagen erzählt, „geben sich nur selten mit Menschen ab. Die meisten leben unter Ihresgleichen in Sídhe." Er hatte versucht, ihr die verschiedenen vampirischen Kulte zu schildern, die auch er nur vom Hörensagen kannte. Das, was Adele ihr während des Schwärmens so alles verraten hatte, wies gewisse Ähnlichkeiten auf. Es konnte natürlich alles nur Zufall sein, und Ria hoffte inständig dass es so war, dennoch musste sie sich selbst ein Bild davon machen. Solange Ragnarök noch nichts gefunden hatte, konnte sie nichts tun außer warten. Diese Zeit wollte sie nutzen, um ihrer neuen Freundin beizustehen und sie vor dem Schlimmsten zu bewahren - sollte diese Gruppe eine dieser abartigen Möchtegern-Gruppierungen sein. Aleix zufolge fühlte ein Vampir sich anders an. Sollte sie Glück haben und Adeles Schwarm begegnen können, müsste sie es demnach spüren. War er bloß ein charismatischer Mensch, mit berauschender Rhetorik, konnte sie ihm im Nachhinein immer noch ungesehen den Hals umdrehen.

Eine Bewegung am Rande ihres Blickfelds ließ sie anhalten. „Kemal." Mäßig begeistert wartete sie, bis der Jäger zu ihr aufgeschlossen hatte. „Wie lange folgst du mir schon?"

Der dunkelhäutige Araber setzte ein strahlendes Lächeln auf und breitete offenherzig die Arme aus. „Süße, warum sollte ich dich verfolgen?"

„Genau das habe ich dich gefragt." Ihre Stimme klang ihm gegenüber ungewöhnlich hart, doch das war ihr egal.

Kemals Züge wurden ernster. „Was ist los mit dir? Stimmt etwas nicht?"

Ria zögerte. Sollte sie mit ihm darüber sprechen? Schließlich rang sie sich zu einer in ihren Augen unverfänglichen Frage durch. „Weißt du von Vampiren, die sich hier in der Umgebung aufhalten? Oder von Möchtegern-Dämonen?"

„Vampire habe ich schon ewig nicht mehr gesehen. Sie haben äußerst leckeres Blut. Das solltest du bei Gelegenheit mal versuchen."

Der Gedanke allein widerte sie so sehr an, dass sie ihn lieber schnell beiseite schob. „Also gehe ich davon aus, dass du von keinem weißt? Oder soll ich in den Kellern von Blakes Haus nach festgehaltenen Vampiren suchen?"

Ihr Ziehvater schenkte ihr ein spitzbübisches Grinsen. „Du bist ein kluges Mädchen. Nein, Vampire trauen sich in der Regel nicht her, weil diese Stadt uns Jägern gehört."

Bei dieser Bemerkung fragte sie sich, ob er überhaupt von der Existenz Sídhes wusste.

„Es geht um die Mörder von Gian, nicht wahr?" Eiskalte Berechnung blitzte in seinen Augen auf.

Ria reichte es. Sie hatte genug von seiner selbstgerechten Art. „Komm doch mit in den Hinterhof, dann können wir weiterreden."

Als er ihren frostigen Ton registrierte, wurde er nachdenklich. „Was macht dir denn Sorgen, Süße?"

Er wollte sie in den Arm nehmen, doch Ria wich ihm problemlos aus. „Ich sagte, wir reden im Hinterhof weiter. Kannst du nicht einmal warten? Wir sind doch eh gleich da."

Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt