Zwei alte Bekannte

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Ein unerwarteter Geruch wehte an ihr vorbei, als er sich abwandte. Eine willkommene Ablenkung. „Wer ist sie?"

Überrascht drehte er sich zu ihr um. „Wer?"

„Na die Frau, nach der du riechst", meinte sie, mit einem verschmitzten Grinsen. Nicht an Elea denken, nicht an Elea denken! Dieses Mantra spulte ihr Unterbewusstsein in einer Endlosschleife ab.

„Ah", erheitert zuckte er mit den Schultern. „Was denkst du denn?"

„Dass du Opa endlich eine Frau gefunden hast." Breit grinsend stemmte sie die Hände in die Hüften. „Scheinst endlich über deinen Schatten gesprungen zu sein."

„Nicht direkt", entgegnete er seltsam verhalten. „Meine Nichte ist bei mir eingezogen."

Enttäuscht ließ Ria die Hände sinken. „Oh. Na, dann mach doch mal Kaffee." Nachdenklich machte sie es sich auf dem Sofa bequem. Sie hatte gehofft, er hätte sich in ihrer Abwesenheit verliebt. Denn bevor sie ihren persönlichen Idioten kennengelernt hatte, hätte sie sich vermutlich auf eine Liebschaft mit ihm eingelassen. Wie brachte sie es ihm jetzt bei? Musste sie das überhaupt?

Ausgerüstet mit zwei Tassen dampfenden Kaffees kehrte Aleix zurück ins Wohnzimmer. „Du hast dich dazu entschlossen, in einer turbulenten Zeit zu verschwinden", begann er langsam.

„Ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich wurde sozusagen verschwunden." Finster starrte sie auf das dunkle Gebräu, das er ihr reichte. Die Erinnerungen an diese Bindungsgeschichte musste sie jetzt auch nicht wieder aufwärmen. „Was ist aus Sanne geworden? Dem kleinen Mädchen? Und ihrer Mutter?" Es lebe der völlig unauffällige Themenwechsel.

Aleix musterte sie scharf, entschied sich dann jedoch dazu, sie nicht auf ihr Ablenkungsmanöver anzusprechen. In wenigen Sätzen berichtete er ihr, was sich während ihrer Abwesenheit zugetragen hatte. „Nachdem Andreas mich auf den Stand gebracht hat, hat sich schnell herausgestellt, dass der Familienvater schon wieder Spielschulden angehäuft hatte. Ich habe ihn nach Frankreich geschickt, seine Frau und Tochter leben hier in einem Frauenhaus. Deine beiden Freunde unterrichten sie in Selbstverteidigung, wie du es gewünscht hast."

Zufrieden lächelnd stellte sie ihre Tasse auf den Tisch. „Gut. Sonst noch etwas?"

„Du wolltest deinen Clan neu strukturieren? Jetzt ist es an der Zeit." Aufmerksam musterte er sie. Sie hatte den Eindruck, er wollte testen, wie sie dazu stand, wieder hier zu sein.

Ria seufzte. Er konnte ja nicht wissen, dass sie gedachte, bald schon wieder zu verschwinden. Ihrer unliebsamen Aufgabe als Clanmeisterin würde sie ganz bestimmt nicht nachtrauern. „Ich muss mir erst mal wieder einen Überblick verschaffen. Musst du heute nicht arbeiten?"

Aleix lächelte schwach. „Ich bin dienstlich hier. Du musst eine Aussage machen und dich untersuchen lassen."

Sie zog eine Grimasse. „Ja, ich liebe es, mich betatschen zu lassen." Dann wurde ihr Blick kritisch. „Und du akzeptierst einfach so, dass ich dir nicht sage, wo ich war?" Nicht an Elea denken, nicht an diesen Idioten, summten ihre Gedanken weiterhin munter vor sich hin. Konnte sie diesen Teil nicht irgendwie abstellen? Sie waren lästig und machten ihr nur unnötig das Herz schwer.

Skeptisch dreinblickend trank er einen Schluck Kaffee. „Das glaubst du wirklich? Du hast noch einen Brief von Marjan bekommen und eine Begegnung mit Vampiren gehabt. Da kann ich mir gut vorstellen, wo du warst. Mich interessiert viel mehr, wen du eigentlich erwartet hast."

Bei seinen Worten tauchte ein Bild von Eleasar vor ihrem inneren Auge auf. Wortlos konzentrierte sie sich auf ihr Getränk. Nein, dieser Idiot war einfach abgehauen. Sollte er sich doch mit hirnlosen Weibern vergnügen! Sie würde so schnell nicht wieder auf einen Kerl hereinfallen. Wie hatte sie überhaupt so dumm sein Können? Sein ganzes Gerede über Seelenbünde und so weiter hätte er sich doch sparen können. Eigentlich hätte er auch gleich wieder verschwinden können, nachdem er sie hergebracht hatte.

Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt