Menschenwelt
Das unbeleuchtete Dachfenster machte Aleix stutzig. Sollte sie nicht um diese Zeit zuhause sein? Hastig kramte er den Ersatzschlüssel aus seiner Tasche und sperrte die Haustür auf. Auf dem Weg nach oben begegnete er niemandem. Vor der Wohnung angekommen horchte er auf irgendwelche Geräusche aus dem Wohnungsinneren. Doch alles, was er zu hören bekam, war Totenstille. Ob etwas passiert war? Es war ungewöhnlich für Ria, abends nicht in ihrer Wohnung zu sein. Vielleicht machte er sich auch einfach zu viele Gedanken und sie war mit einer Freundin unterwegs. Das machten Mädchen ihres Alters doch normalerweise. Im Gegensatz zu seiner zwanzigjährigen Nichte Ellena benahm Ria sich aber ganz und gar nicht wie ein Teenager. Sie wirkte so viel älter als sie tatsächlich war. Tragischerweise wurde dieser Zustand durch Blakes Ableben nur noch weiter forciert.
Seufzend schloss er die Wohnungstür auf. Sofort streifte eine kläglich maunzende Katze um seine Beine. Alarmiert inspizierte er Coras ausgemergelten Körper. Das war seltsam. Es sah Ria gar nicht ähnlich, ihre über alles geliebte Katze hungern zu lassen. Dieser Missstand musste schleunigst behoben werden.
In der Küche fand er einen Jahresvorrat an Katzenfutter, auf den sich das kleine nachtschwarze Tier gierig stürzte. Er füllte den Wassernapf auf, bevor er ins Wohnzimmer ging. Die Ordnung dort herrschende Ordnung erschien ihm geradezu verdächtig. Nirgendwo flogen Blätter herum, keine Karten lagen verstreut auf dem Boden und keine Bücherstapel zierten den faszinierenden antiken Wohnzimmertisch. Stattdessen befanden sich hier überall Tierkadaver. Cora musste sich selbst versorgt haben. Insgesamt drei Mäuse und vier Vögel. Dass sie dennoch so dürr war, konnte nichts Gutes bedeuten.
Wie lange war Ria schon nicht mehr hier gewesen? Beunruhigt angelte er sich den Briefkastenschlüssel vom katzenförmigen Schlüsselbrett. Hoffentlich gab ihre Post Aufschluss über die Situation.
Ihrer ungeöffneten Post zufolge war sie seit etwa einer Woche nicht mehr hier gewesen. Besorgt griff er zum Telefon und rief Kemal an. Leider konnte dieser ihm nichts sagen, außer: „Ria? Ich sollte am Montag zu ihr kommen, aber sie war nicht da. An ihr Telefon geht sie auch nicht. Anscheinend ist der Akku leer."
Montag. Und heute war Sonntag. Das war gar nicht gut. „Unerledigte Clanangelegenheiten gehen an mich. Melden Sie sich, wenn Sie von ihr hören."
„Ist dein Geliebter ausgerissen?" Ellena lehnte plötzlich im Türrahmen und betrachtete angeekelt die Überreste der kleinen Tierkadaver.
Aleix schenkte ihr einen vernichtenden Blick. „Wolltest du nicht in meiner Wohnung warten?"
„Du warst den ganzen Urlaub über besorgt. Denkst du, ich merke das nicht? Seit Jahren scheint dieser Robin der erste zu sein, der dich beschäftigt."
„Dein er ist eine sie. Und nein, meine Geliebte ist sie nicht."
Mit vor der Brust verschränkten Armen ließ sie sich skeptisch dreinblickend aufs Sofa sinken - um kurz darauf kreischend aufzuspringen. Anscheinend hatte Cora dort eine Ratte verputzt.
Mit unterdrücktem Lächeln legte er sein Handy beiseite. „Ria ist die andere Clanführerin."
Angewidert versuchte Ellena die an ihrem Mantel hängenden Tierüberreste abzuwischen. „Aha. Und was hat das mit dir zu tun? Du willst doch keinen Machtzuwachs. Auch wenn das die ideale Möglichkeit ist."
„Diese Möglichkeit brauche ich gar nicht. Ria hat mir ihren Clan angeboten, bevor sie ihn übernommen hat."
„Und wie alt ist sie?"
Der mäßig interessierte Ton seiner Nichte störte ihn irgendwie. „Warum interessiert dich das?"
„Mensch oder eine von uns?"
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Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]
ParanormalDer zweite Teil der Schattenseelen-Reihe Die Leitung ihres Clans, Der Umgang mit ihren freigelegte Fähigkeiten zu erlernen und den Schulstoff auch noch irgendwie in ihren Kopf kriegen. Ria hat alle Hände voll zu tun - auch ohne eine nervige Mitsch...