Besichtigung und Ausflug

2K 184 10
                                    

Anderswelt

Aufgeregt rannte Adele zur Tür. „Aram, komm. Du hast versprochen, mir das Schloss zu zeigen."

Mit nichts als einer Stoffhose bekleidet erschien er in der Badezimmertür. „Wenn du nichts dagegen hast, Liebling, würde ich mich gerne anziehen."

Fasziniert starrte sein blonder Engel auf seine entblößte Brust. Ein vergnügtes Lachen stahl sich aus seiner Kehle.

„Das solltest du auf jeden Fall tun", meinte Adele und räusperte sich peinlich berührt. In der Menschenwelt hatte er sie kein einziges Mal angefasst oder sich ihr so gezeigt. Hier, in seiner eigenen Welt wirkte er viel entspannter. Immer mehr wurde er zu dem Mann, von dem sie nie wieder fort wollte. Jede Minute verliebte sie sich ein Stückchen mehr in ihn. Dennoch war der Anblick seines nackten Oberkörpers eine Spur zu viel für sie. Hastig suchte sie nach einem anderen, unverfänglicherem Thema. „Das Siegel auf meinem Bein ist übrigens verschwunden. Kannst du dir das vorstellen? Wie durch ein Wunder!"

„Du musst den Rock hochziehen, wenn du es mir zeigen willst", lautete die trockene Antwort aus dem Badezimmer. Prompt lief sie puterrot an. Kurz darauf trat Aram angezogen neben sie. Galant ignorierte er ihren aufgewühlten Zustand. „So, wollen wir?"

Mit hochrotem Kopf folgte Adele ihrem Liebsten. Er zeigte ihr die Quartiere für die Bediensteten, in dessen oberster Etage sie beide wohnten, den Bereich, in dem die Privatgemächer der königlichen Familie begannen, die verschiedenen Veranstaltungssäle und die Tür zum Thronsaal. Vor der eindrucksvollen Flügeltür blieben sie stehen. „Die solltest du niemals nur aus Neugierde öffnen. Wer da durch geht, braucht eine königliche Erlaubnis."

Ehrfürchtig nickte Adele. „Werde ich den Saal jemals betreten dürfen?"

„Machst du dir wirklich deshalb Gedanken?"

Sowohl Adele als auch Aram fuhren überrascht herum. Ria stand hinter ihnen, lässig an die Wand gelehnt. Das Essen hatte seinen Teil getan. Sie sah jetzt nicht mehr aus wie eine wandelnde Leiche. Als erholt wollte er ihren Zustand jetzt auch nicht unbedingt bezeichnen.

„Robin!"

Lächelnd hob Ria ihren Zeigefinger in die Luft. „Ria. Du weißt jetzt was ich bin, also nenn mich bitte bei meinem Namen."

Adele machte große Augen. „Wirklich?"

Schulterzuckend stieß ihre Freundin sich von der Wand ab. „Ja. Robin war nur ein ausgedachter Name für die Schule. Davon habe ich im Laufe der Jahre viele gehabt. Nur mein eigener Name ist mir immer geblieben." Sie zwinkerte ihr aufmunternd zu. „So und jetzt entschuldigt mich, ich muss dem Obervampir erzählen, wie man einen Jäger bei Laune hält. Anscheinend hat er da gar keine Ahnung von."

Erst jetzt viel Aram der leblose Körper neben ihr auf. „Wie bist du denn an den geraten?"

Rias Augen verfinsterten sich. „Die Sicherheitsmaßnahmen hier sind grauenvoll." Beim Sprechen betonte sie jedes einzelne Wort.

„Warum sprichst du auf einmal so komisch?" Adele hatte die Leiche noch nicht gesehen. Sie wunderte sich vielmehr über Rias lauten Tonfall.

Zur Antwort erntete sie ein kesses Lächeln ihrer Freundin. „Weil der Guru da drinnen alles ganz genau mit anhören kann. Der soll ruhig wissen, dass ich mit dem hiesigen Hausservice nicht zufrieden bin."

„Guru?" Adeles ahnungslose Miene nahm einen entsetzten Zug an. „Du meinst doch nicht den König?"

„Fall bloß nicht vor diesem wandelnden Zombie auf die Knie. Das hat der bei weitem nicht verdient."

Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt