Das Haus an sich war nicht übermäßig groß oder auffallend. Sein Aussehen war durchschnittlich, dem Vorort, in dem es stand gut angepasst. Es war weiß verputzt, hatte einen kleinen Vorgarten und eine kleine Veranda vorzuweisen. Von außen betrachtet gab es hier nur zwei Stockwerke. Von innen betrachtet wirkte es weitaus geräumiger, als man von außen schließen konnte. Der untere Bereich war komplett offen gestaltet. Eine sich durch die Stockwerke schraubende Wendeltreppe führte nach oben und unten. Die Einrichtung konnte man als minimalistisch bezeichnen.
„Okay", begann Adele und stellte die Einkäufe auf den Küchentresen ab. „Ihr geht mal nach oben und Aram und ich kümmern uns um das Essen."
Das ließ Eleasar sich nicht zweimal sagen. Seine Frau war immer noch seltsam still. Seit sie das Haus betreten hatten, war sie nicht nur still, sondern irgendwie in sich gekehrt. Behutsam führte er sie die Treppe hinauf und sah sich oben im Flur um. Drei Türen führten davon ab. An einer waren die blassen Spuren von Buchstaben zu erkennen. Haruhi, wenn er es richtig entzifferte.
Langsam, als sei sie in Trance, machte Ria einen Schritt auf die Tür zu. Mit gerunzelter Stirn beobachtete er, wie sie beinahe liebevoll die Buchstaben nachfuhr. Von ihr ging eine Wehmut aus, die er sich nicht erklären konnte. „Du hast Erinnerungen an dieses Haus."
Sie drehte sich nicht um, nickte aber leicht. „Es ist mir wieder eingefallen, als ich im Flur gestanden bin."
Er spürte, dass es sie in den Raum zog, sie sich aber nicht weiter traute. Also trat er hinter sie, legte seine Hand auf ihre auf der Klinke ruhende und öffnete mit ihr die Tür. Plötzlich fühlte er sich in der Zeit zurückversetzt.
Ria erstarrte und begann dann zu zittern. „Mein Kinderzimmer."
Überrascht sah er auf sie hinab. Ihr Kinderzimmer? Ihr Blick ruhte auf dem Raum. Aufmerksam nahm er den Anblick in sich auf. Der Raum war viereckig. Links von Ihnen stand ein weißer Schrank mit vereinzelten dunkelgrauen Pfotenabdrücken drauf. Direkt daran grenzte eine große Kreativecke. Ein Maltisch, Stifte, Blätter, jede Menge Bücher und Spielzeug waren dort verstaut. An der Wand ihnen gegenüber stand ein Bett. Sofern man es denn als solches bezeichnen konnte. Ein großer Holzdrache blickte ihnen von der Wand entgegen. Vom flachen Körper wand sich ein langer Schwanz ums erhöhte Kinderbett, das direkt vor dem Drachenkörper begann. Der Schwanz war als Rutsche designt worden. Am Kopfende des Bettes war der Kopf auf vergleichbare Weise angebracht worden, sodass es wirkte, als umschlinge der Drache schützend das Bett. Hinter dem Kopf waren geschickt und kaum sichtbar Treppenstufen eingelassen. Es war nicht schwer zu erraten, weshalb sich in ihrem Kinderzimmer das Drachenmotiv wiederfand.
Ria ging zum Drachenkopf und stupste gegen die geschlossenen Augen. Das Lid rutschte nach oben und gab den Blick auf ein dunkelrotes Holzauge frei. Dieser Drache war zweifelsohne eine Nachbildung von Ragnarök. Neugierig ließ er seinen Blick durch das Zimmer wandern. Der Fußboden war aus hellem Holz, vereinzelt lagen grüne Teppiche mit Grasstruktur herum. Die Wand um den Drachen herum war einem Dschungel nachempfunden. Von rechts fiel durch ein großes Panoramafenster das Dämmerlicht der untergehenden Sonne in den Raum.
„Ich hatte es völlig vergessen", flüsterte sie beinahe tonlos. In ihrer Stimme schwangen unzählige Emotionen mit. „Ich wusste nicht, dass ich hier aufgewachsen bin."
Er spürte ihre Rührung, den Schmerz über den Verlust ihrer Eltern und den Ärger darüber, dass sie vergessen hatte. Er kniete sich neben sie und schloss sie fürsorglich in seine Arme. „Wie alt warst du damals?"
Ratlos schüttelte sie ihren Kopf. „Ich weiß es nicht. Im Flur habe ich mich erinnert." Eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel und kullerte verloren ihre Wange hinunter. Liebevoll küsste er sie weg.
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Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]
ParanormalDer zweite Teil der Schattenseelen-Reihe Die Leitung ihres Clans, Der Umgang mit ihren freigelegte Fähigkeiten zu erlernen und den Schulstoff auch noch irgendwie in ihren Kopf kriegen. Ria hat alle Hände voll zu tun - auch ohne eine nervige Mitsch...