"Ehekrise"

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Einen Augenblick später war alles vorbei. Ria stand keinen Schritt von ihm entfernt und starrte ihn ungläubig an. „Was war das?"

Entschieden schüttelte er seinen Kopf. „Komm jetzt, wir haben schon genug Zeit verloren." Er hatte es gewusst. Warum hatte er nicht weiter auf Distanz bleiben können? Jetzt war alles verloren. Und das nur, weil er sich nicht genug unter Kontrolle hatte.

„Elea!" Vor Zorn kochend schloss Ria zu ihm auf. Warum blockte er auf einmal alles ab? „Was zur Hölle war das?" Blödmann!

Er hielt inne und beobachtete die zitternde Schattenseele neben sich. Um nichts auf der Welt würde er es ihr erklären. „Bist du verletzt?"

„Was?" Fassungslos fixierte sie ihn. Weshalb sollte sie sich verletzt haben? „Warum antwortest du mir nicht?" Waren Themenwechsel jetzt neuerdings in Mode gekommen?

Mit aufeinander gepressten Lippen beugte er sich über sie. „Es ist meine Schuld. Entschuldige, ich habe nicht aufgepasst."

Irritiert erwiderte sie seinen Blick. „Was...?" Geradezu hilflos zuckte sie mit den Schultern. „Vergiss es." Mit hängenden Schultern stolzierte sie durch den Wald davon.

Frustriert raufte Eleasar sich die Haare. Das alles war zum Verrücktwerden. Es war jedoch zu spät, um sich Vorwürfe zu machen. Ihre Sicherheit hatte nun mehr Priorität denn je. Und dafür musste er sich mit ihr gut stellen. Es war unter normalen Umständen schon schwer genug dafür zu sorgen, dass sie sich nicht regelmäßig in Lebensgefahr begab. Nur zu deutlich hatte er die Szene vor sich, als sie aus dem Dorf aufgebrochen waren und sie gleich durch tödliche Sträucher hatte kriechen wollen.

„Was hältst du davon, wenn wir uns gegenseitig Fragen stellen? Ich bin mir sicher, du hast einige Fragen." Es war ein schwacher Versuch, sie auf andere Gedanken und gleichzeitig mehr über sie in Erfahrung zu bringen.

Skeptisch beäugte sie ihn von der Seite. Das war doch ein schlechter Scherz. „Meinst du wirklich, dass ich jetzt in der Lage bin, mich davon abzuhalten dir an die Gurgel zu gehen, solltest du eine Frage stellen, die mir nicht passt? Mit meiner Selbstbeherrschung ist es nicht sonderlich weit her, seit ich hier bin."

Das hatte er auch schon bemerkt. „Du solltest lernen, dich damit abzufinden, dass du hier nichts unter Kontrolle hast und verglichen mit den älteren Wesen schwach bist." Dass sie kampftechnisch einiges drauf hatte, musste er ihr ja nicht gerade auf die Nase binden.

Sie lächelte ihn schwach an. „Früher war ich nicht so", erklärte sie überraschenderweise mit alles anderer als fester Stimme. „Ich bin damit aufgewachsen, mich einzuschleichen und Menschen umzubringen. Jeder neue Auftrag war eine Herausforderung an mich, die ich nur allzu gerne annahm."

„Was ist passiert?" Dieses Mal formulierte er seine Frage bewusst sanft.

Ein unendlich großer Schmerz trat in ihre Augen. Ihr Blick wurde unfokussiert, als sie ihre Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit richtete. „Alles und nichts. Ich bin bei Freunden meiner Eltern großgeworden. Besser gesagt, bei einem der beiden. Der andere hat mich unter seine Obhut genommen, als ich sechzehn war. Ich hatte meine eigene Wohnung und gelegentlich Aufträge, einen umzulegen. Es war ein erträgliches Leben, bis er entschloss, mich an sich zu binden." Bei diesen Worten ballte sie ihre Hände krampfhaft zu Fäusten. „Ich kann deinem Vater nicht verzeihen, dass er das all diesen Mädchen antut."

Wortlos musterte er sie. Welche Bindung hatte sie hinter sich? „Bist du noch gebunden?" Wenn ja, musste dieser Umstand schnellstens beseitigt werden.

Traurig-bestimmt schüttelte sie ihren Kopf. „Nein, er ist tot. Ich habe erst viel später erfahren, dass er es getan hat, um mich zu beschützen. Sein Freund und der Mann, der mich großgezogen hat, hat Verrat begangen. Er hat einen clanlosen geschaffenen Jäger angeheuert, der sich mit seinen Leuten an allen vergriffen hat, die meine Wahlfamilie darstellten. Ich habe sie umgebracht. Nur meinem Ziehvater konnte ich nichts nachweisen. Es war ein Verdacht, gestützt auf eine vage Erinnerung. Kurz vor meiner Entführung in diese Welt habe ich erfahren, dass er wirklich der Auftraggeber war. Aber ich konnte ihn nicht töten." Verzweifelt fuhr sie sich durch die Haare. „Ich konnte es einfach nicht. Der Verrat galt ja nicht mir, sondern Blake." Ein gehetzter Ausdruck huschte über ihr Gesicht - er ließ sie um Jahre gealtert aussehen. „Du ahnst gar nicht wie verwirrend es ist herauszufinden, dass dein eigener Ziehvater in dich verliebt ist."

Dunkel wie die Nacht [Schattenseelen 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt