Achtundzwanzig

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Der Nachmittag war ungewöhnlich still, als wir uns am Waldrand der wechselnden Jahreszeiten versammelten. Die Bäume, die sonst in lebendigen Farben prangten, wirkten jetzt wie leblose Statuen, ihre kahlen Äste streckten sich gespenstisch gen Himmel. Ein bleiernes Grau hatte sich über den Wald gelegt, als ob das Leben selbst aus ihm gewichen wäre. Der Wind war fort, und selbst die Blätter, die normalerweise unter unseren Füßen raschelten, lagen reglos auf dem Boden. Die Luft, die uns umgab, fühlte sich schwer an, fast so, als würde sie unsere Bewegungen bremsen, und eine unheimliche Stille drückte auf uns nieder. Etwas Unsichtbares schien in der Luft zu lauern, eine Bedrohung, die wir nicht greifen konnten, aber die uns alle spürten.

Ara, die trotz ihrer Heilung noch schwach wirkte, lehnte sich an einen Baum und schloss für einen Moment die Augen. Ihre Hände zitterten leicht, und ich konnte die Erschöpfung in ihrem blassen Gesicht erkennen. Sie bemühte sich, stark zu wirken – stark für uns alle. Doch nach dem, was gestern geschehen war, wusste jeder von uns: Auch Ara, die uns immer wieder Kraft und Halt gegeben hatte, war nicht unbesiegbar.

„Wie fühlst du dich, Ara?" fragte ich vorsichtig und trat einen Schritt näher an sie heran. Ich wollte nicht aufdringlich sein, aber ihre schwankende Gestalt beunruhigte mich. Ihre blassen Lippen bebten leicht, als sie die Augen öffnete und mir ein schwaches Lächeln schenkte.

„Es geht schon", sagte sie, ihre Stimme klang rau und brüchig. „Ich bin nur... etwas erschöpft. Aber wir müssen weitermachen, oder?" Es war ein Versuch, stark zu klingen, aber in ihren Augen sah ich die Wahrheit – sie kämpfte gegen ihre eigene Schwäche an.

„Wir werden nichts überstürzen", erwiderte Lani mit ruhiger, sanfter Stimme und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Du brauchst Zeit, um dich vollständig zu erholen." Ihre Augen ruhten auf Ara, und für einen Moment schien die unerschütterliche Lani verletzlicher. Es war, als ob ihre eigene Angst, Ara könnte nicht durchhalten, hinter ihrem ruhigen Blick verborgen lag.

Marik stand ein Stück abseits, die Hände in die Taschen seiner Jacke vergraben, sein Blick wanderte neugierig zwischen uns hin und her. Seit er mit uns in die andere Welt gesprungen war, hatte er sich oft verhalten, als wäre das Ganze ein aufregendes Abenteuer, etwas, das es zu erkunden galt. Doch heute war auch er ruhiger, seine sonst so unbeschwerte Haltung gedämpft. Vielleicht begriff er endlich, dass dies kein Spiel war – dass unser Überleben auf dem Spiel stand.

„Was ist unser nächster Schritt?" fragte Ivy und durchbrach die Stille. Ihre Stimme zitterte leicht, obwohl sie versuchte, entschlossen zu klingen. Sie sah uns alle nacheinander an, und in ihren Augen spiegelte sich die Unsicherheit wider, die uns alle erfasst hatte. „Wir haben Lavea verloren, und ohne das Feuer-Element..."

„Wir haben Lavea nicht verloren", unterbrach ich sie, meine Stimme fester als beabsichtigt. „Sie hat gestern Abend Kontakt zu mir aufgenommen." Die Augen der anderen richteten sich sofort auf mich, als hätte ich ihnen eine längst vergessene Hoffnung geschenkt.

Tierra runzelte die Stirn und sah mich verwirrt an. „Gestern Abend?" Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, als ob sie dachte, ich hätte mich versprochen.

„Ja", antwortete ich. „Anscheinend sind unsere beiden Welten nicht so weit voneinander entfernt, wie wir immer dachten. Sie hat über das Netz Kontakt zu mir aufgenommen. Es war schwer, aber es ist ihr gelungen." Während ich sprach, hob Ara den Kopf, ihre Augen öffneten sich vollständig, und sie schien jede meiner Worte in sich aufzusaugen, als wäre sie ein Anker in einem endlosen Sturm. „Lavea hat uns gewarnt. Die Räuber der Elemente sind zahlreicher und gefährlicher, als wir es uns jemals vorgestellt haben. Sie hat herausgefunden, dass es Hunderte von ihnen gibt. Wir müssen uns gut vorbereiten."

Die Legende der Elemente - Das Erbe der AuserwähltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt