Elf

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Der mir inzwischen vertraute Luftstrom zerrte an meinen Haaren, während ich in Richtung Höhlenboden fiel

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Der mir inzwischen vertraute Luftstrom zerrte an meinen Haaren, während ich in Richtung Höhlenboden fiel. Ich hatte immer noch nicht herausgefunden, woher ich genau stürzte, aber ich hatte gelernt, das Fallen so zu kontrollieren, dass ich mich dabei nicht verletzte. Ich landete sicher auf dem Boden und sah mich suchend nach den anderen um, aber es war weit und breit niemand zu sehen.

Ein ungutes Gefühl kroch meine Wirbelsäule hinauf. Normalerweise wurden die Auserwählten immer in der Reihenfolge in die Höhle gerufen, wie sie vom Stern gewählt worden waren. Ich war immer die Letzte, und die anderen warteten gewöhnlich bereits auf mich. Doch heute war keiner von ihnen zu sehen.

„Ara? Lani? Tierra?", rief ich laut und ließ meinen Blick erneut durch die Höhle schweifen. Die Höhle antwortete mit bedrückender Stille, die nur von einem leisen Tropfen Wasser in der Ferne unterbrochen wurde. Ich seufzte, meine Stimme klang hohl in den dunklen Wänden. „Von mir aus auch Lavea, irgendjemand?", fügte ich hinzu. Kein Geräusch, keine Bewegung. Ein Schauer lief mir über den Rücken, und ich verschränkte fröstelnd die Arme vor der Brust. Was hatte das zu bedeuten?

„Tara, komm zu mir", sprach auf einmal eine leise Stimme hinter mir. So nah, dass ich ihren Atem in meinem Nacken spüren konnte. Mein Herz begann wie wild zu hämmern, und mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Langsam drehte ich mich um.

Erleichtert stellte ich fest, dass es Zoraida war, die mich gerufen hatte. Obwohl mir diese Gestalt immer noch nicht ganz geheuer war, atmete ich erleichtert auf. Wie immer war sie in ihren Mantel gehüllt, das Gesicht unter der Kapuze verborgen, nur die stechend violetten Augen leuchteten im Dunkeln. Ich fragte mich langsam, ob diese Frau überhaupt ein Gesicht hatte oder ob nur diese Augen unter der Kapuze existierten. Selbst jetzt, da sie nur wenige Zentimeter von mir entfernt stand, konnte ich nichts weiter erkennen. Sie war mir lange nicht mehr so unheimlich wie am Anfang, aber trotzdem gehörte sie zu den Personen, denen ich ungern nachts im Dunkeln begegnen würde.

Ich trat einen Schritt zurück und musterte sie. „Wo sind die anderen?", fragte ich schließlich, meine Stimme klang leiser als beabsichtigt.

„Sie werden heute nicht hier erscheinen", erklärte sie ruhig und hob eine Augenbraue, als sie meinen fragenden Blick bemerkte. „Sie denken, dass ihr heute alle nicht in der Höhle erscheinen werdet, weil morgen der große Tag ist, Tara."

Sie zog eine Hand unter ihrem Mantel hervor und zeigte den zackenförmigen Anhänger, der immer an ihrem Hals hing. Mit festen Schritten ging sie auf eine der Höhlenwände zu. Ich stieß ein weiteres Seufzen aus, beschloss aber, ihr zu folgen. Eine andere Wahl hatte ich kaum.

In Sekundenschnelle öffnete sie mit dem Anhänger eine Tür in der Höhlenwand. Obwohl ich seit fast zwei Monaten täglich in dieser Höhle war, entdeckte ich immer wieder neue, verborgene Eingänge. Gerade, als ich dachte, ich hätte alles gesehen, tauchten neue Höhlen auf.

Zoraida drehte sich noch einmal zu mir um, als wollte sie sicherstellen, dass ich ihr folgte. Ohne ein weiteres Wort trat sie in die neu geöffnete Höhle ein.

Ich blieb im Eingang stehen, das Herz immer noch schneller schlagend, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich dachte, es wäre unmöglich, uns einzeln in die Höhle zu rufen. Warum bin ich hier, und die anderen nicht?", fragte ich.

Die Geheimnisvolle schritt weiter hinein, ihre Schritte hallten von den Wänden wider. „Es ist nicht unmöglich. Wir tun es nur selten. Aber heute müssen wir mit dir allein sprechen. Es ist an der Zeit, dass du mehr darüber erfährst, welche Rolle du in der Gruppe spielst."

Ihre Worte ließen mich innehalten. Hatten sie die ganze Zeit mehr gewusst, als sie uns gesagt hatten? „Moment mal!", rief ich ihr aufgebracht nach. Sie blieb stehen, sah mich aber nicht an. „Ihr habt immer behauptet, ihr hättet keine Ahnung, was es mit mir oder meinen Kräften auf sich hat", fügte ich hinzu und funkelte sie an. Die ständige Ungewissheit zerrte an meinen Nerven, besonders da es offensichtlich wurde, dass sie mehr wussten, als sie zugaben.

„Nicht so vorlaut, junge Dame. Alles kommt zu seiner Zeit", erklang eine tiefe Stimme hinter mir. Ich fuhr herum. Gilbert stand direkt vor mir, seine mächtige Gestalt füllte den Höhleneingang aus. Er legte eine seiner großen Hände auf meine Schulter, drückte sanft, aber bestimmt, und schob mich tiefer in die Höhle. Hinter ihm schloss sich der Eingang wieder. Mein Herzschlag beschleunigte sich erneut, und ich sah panisch zwischen Zoraida und Gilbert hin und her.

„Was wird das?", fragte ich unruhig und wich so weit wie möglich von den beiden zurück. Die Höhle war klein und eng, und ohne ihre Hilfe würde ich nicht entkommen können. Es war eine jener Höhlen, die nur mit den Fähigkeiten der Geheimnisvollen geöffnet werden konnten.

Gilbert trat langsam auf mich zu, seine breiten Schultern warfen dunkle Schatten an die Wände. Seine Körperhaltung war entspannt, und in seinen Augen lag eine seltsame Ruhe. Trotzdem fühlte ich mich in dieser Situation unwohl und ohne die anderen schutzlos. „Langsam solltest du doch wissen, dass du uns vertrauen kannst, Tara", sagte er fast vorwurfsvoll.

„Ihr macht es einem nicht gerade einfach", brummte ich und presste die Lippen zusammen, um seinen Blick standzuhalten.

„Die anderen sind zwar nicht hier, aber sie sind mit der Höhle verbunden und könnten daher etwas mitbekommen. Deshalb mussten wir in einen Teil der Höhle gehen, der euch nicht vertraut ist", erklärte er ruhig und verschränkte die Finger vor sich. „Wenn sie etwas mitbekommen, könnte das euer Vertrauensverhältnis schädigen."

Ich lief unruhig vor den beiden umher, wie ein Tiger im Käfig, den Ausgang suchend. „Ihr habt gesagt, die anderen Generationen seien gescheitert, weil sie sich nicht mehr vertraut haben und gegeneinander arbeiteten", wiederholte ich ihre Worte und drehte mich zu ihnen um. „Und jetzt soll ich den anderen etwas verheimlichen, noch bevor wir überhaupt losgezogen sind?"

„Tara, du wirst verstehen, wenn du uns zuhörst", sagte Zoraida ruhig. Ihre Hände bewegten sich geschmeidig, fast wie in einem Tanz, und ließen unseren Stern auf dem Höhlenboden erscheinen. Sie trat neben mich und deutete auf den Stern, der mich die letzten zwei Monate begleitet hatte.

„Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass alle Zacken der anderen Auserwählten von einer kleinen Umrandung deiner Zacke eingeschlossen sind", erklärte sie. Tatsächlich – das war mir bisher nie aufgefallen. Vielleicht hatte ich mir einfach keine Gedanken darüber gemacht.

„Hat das etwas zu bedeuten?", fragte ich schließlich. Zoraida nickte langsam.

„Der Stern hat seine Aufgabe bisher nie erfüllen können, also veränderte er sich. Die gemeinsame Zacke der vergangenen Generationen, die sich alle vier Elemente teilten, stand immer für Zusammenhalt. Aber das hat nicht funktioniert. Deswegen gibt es dich, Tara. Deine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Gruppe zusammenhält. Du bist sozusagen ihre Anführerin."

Ich starrte sie ungläubig an. „Ich?", wiederholte ich. „Das wird nie funktionieren. Lavea hört niemals auf mich. Sie hat ihren eigenen Kopf und wird ihren Willen durchsetzen."

„Es geht nicht darum, die anderen herumzukommandieren", sagte Zoraida mit einem leichten Lächeln. „Du bist diejenige, die den Überblick behält. Deine Kräfte werden sich erst entfalten, wenn ihr aufbrecht. Aber du wirst in der Lage sein, zu spüren, wann es Zeit ist einzugreifen, um eine Spaltung zu verhindern. Das ist nur ein kleiner Teil dessen, was du tun kannst."

Sie legte ihre behandschuhte Hand unter mein Kinn und zwang mich, ihr in die violetten Augen zu sehen. „Du wirst sehr mächtig sein, Tara. Selbst wir können nur ahnen, wozu du fähig sein wirst", hauchte sie, bevor sie gemeinsam mit Gilbert die Höhle verließ und mich allein zurückließ.


Hallo ihr da draußen :) Das war Kapitel elf und ich hoffe sher das es euch gefallen hat. Vielleicht hat es einige Fragen klären können, vielleicht aber auch nur neue Fragen aufgeworfen xD

Die Geschichte hat ein neues Cover bekommen an dem ich mich Mal wieder ausprobiert habe :) Wie findet ihr es ?

Einen Schönen Tag wünsche ich dir noch.

LG Vivi

Die Legende der Elemente - Das Erbe der AuserwähltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt