Die Vs

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Ich wälzte mich hin und her. Egal was ich tat oder wie oft ich meine Position änderte, ich konnte ums Verrecken nicht einschlafen. Die Frage ließ mich einfach nicht in Ruhe. Da ich eh wach war, setzte ich mich auf und stellte in meinen Gedanken eine Pro-Contra-Liste zusammen.

Pro: Mara und ich hätten einen Ort, an dem wir bleiben könnten. Auch wenn Angel nervig war, konnte ich ihm vielleicht helfen, indem ich mich mit Valentino gut stelle. Ich wäre nicht mehr allein. Mara könnte bei jemanden bleiben, wenn die Overlord-Meetings stattfinden. Jeder von ihnen hat schließlich einige Lakaien. Mara hätte nicht nur Rosie, sondern auch Velvette als Vorbild. Die beiden ergänzen sich gut zu einer taffen, für sich selbst einstehenden Frau.

Contra: Jegliche Versöhnung mit Lucifer wäre dahin. Ich könnte aus der Sache vielleicht nicht mehr so leicht wieder rauskommen und will ich Mara wirklich in die Nähe von Valentino lassen? Nicht nur Lucifer, sondern auch die anderen könnten schlechtes von mir halten.

Ich merkte erst später, dass ich aufgestanden und auf und ab gelaufen war. Eins war sicher. Die Pro-Seite überwiegt die Contra-Seite und gegen Valentino lässt sich bestimmt was machen und was die anderen im Hotel angeht, war es mir eigentlich egal. Seit zwei Jahren habe ich nichts von ihnen gehört. Ich legte mich wieder hin, in der Hoffnung jetzt besser schlafen zu können und ich schlief schnell ein. Am nächsten Morgen ging ich mit Mara einen kleinen Spaziergang machen. Nur wir zwei. Das war das erste Mal, dass Rosie nicht mitkam. Ihr Laden schmeißt sich schließlich nicht von allein. Mara hatte stets ihren eigenen Kopf. Anstatt sich den anderen Kindern anzuschließen oder sie wenigstens zu imitieren, machte sie das, was sie wollte. Sie kletterte auf Sachen jagte dem ein oder andern Schmetterling hinter, ohne ihn essen zu wollen, im Gegensatz zu den anderen Kindern hier. Dieser Gedanke gefiel mir zwar nicht, aber er war leider sehr zutreffend. In dieser Hinsicht kam sie wohl ganz nach Lucifer. Jegliche Gewalt war ihr fremd, solange sie nicht notwendig war. Bei diesem Gedanken wurde mein Herz wieder schwer. „Daddy, schau mal!" Ihre liebliche Stimme riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Sie streckte mir ein kleine Blume entgegen. Ich ging in die Hocke, um besser mit ihr reden zu können. „Wow, wo hast du die denn gefunden?" Diese Frage war tatsächlich ernst gemeint, denn hier unten gibt es nicht so viel Natur und schon gar nicht eine schöne. „Die ist für dich." Strahlend hielt sie mir die Blume ins Gesicht. Ich lachte, nahm sie auf den Arm und sie steckte sie in meine Haare. „Steht dir." Eine bekannte Stimme erklang hinter mir. Shit. Es war Vox. In mir kam die Angst auf, dass Mara ihn verschrecken könnte. Nicht weil sie meine Tochter ist, sondern weil sie einige Ähnlichkeiten mit Lucifer hatte, wie zum Beispiel seine unverkennbaren roten Punkte auf den Wangen. Dies hatte ich ihm bisher verschwiegen. „Und du musst Mara sein" begrüßte er sie belustigend. Sie nickte nur. Da sie bisher niemanden außer Rosie und mich kannte, war sie sehr schüchtern und zurückhaltend. Sie hatte zwar sowohl Vox als auch die anderen Overlords bereits gesehen, aber nie mit ihnen interagiert. Sie lehnte sich eng an mich und legte ihren Kopf leicht versteckend auf meine Schulter. „Nicht sehr gesprächig was?" lachte er, aber ließ sie dann auch in Ruhe.

„Hi." Ich verstand, dass Mara nervös war, aber wieso war ich es? „Wir sind gerade auf einem kleinen Spaziergang. Lust uns zu begleiten?" „Klar." Wir liefen weiter. Ich ließ Mara wieder runter und sie rannte weiter irgendwelchen fliegenden Viechern hinterher. „Der Abend gestern war schön" brachte Vox schließlich nur schwer heraus. Ich stimmte ihm zu. Ich holte tief Luft, bevor ich das Folgende sagte. „Ich habe nochmal über dein Angebot von vor einigen Jahren nachgedacht, und ich nehme es an, falls es noch gilt." Er schien überrascht über meine Aussage. „Ich würde mich freuen, allerdings muss ich erst noch mit Val und Velvette darüber reden. Darf ich fragen, was deine Meinung geändert hat?" „Einfach alles gerade." Dies fasste es am einfachsten zusammen. „Okay. Und du willst mir immer noch nicht verraten, woher Mara kommt?" Das war ein interessanter Themenwechsel, aber ich ging darauf ein. „Nein. Glaub mir, es ist für uns beide besser, wenn ich das vorerst für mich behalte." Er akzeptierte zwar meine Antwort, aber ich wusste, dass er nicht zum letzten Mal gefragt hatte und nicht locker lassen wird. Wir beendeten unsere Runde. „Ich schreibe dir einfach, wenn ich mit den anderen geredet habe." „Warte. Du weißt, dass ich so ein Ding nicht besitze, oder?" Einem Technikfreak und -verkäufer wie Vox sollte man echt nicht sagen, dass man kein Smartphone besitzt. Die Ungläubigkeit war ihm ins Gesicht geschrieben. „Warte, was? Wie bist du bisher zurechtgekommen?" „Da ich viel im Hotel und somit immer in der Nähe von allen war, war das bisher nie notwendig."

Vox konnte immer noch nicht glauben, was er da hörte. „Okay, du setzt Mara bei Rosie ab und wir besorgen dir erstmal ein Handy, denn so gern ich dich auch habe, ich laufe nicht jedes Mal nach Canibal-Town, um mit dir zu reden." Seine Tonlage war sowohl sarkastisch als auch ernst, was mich etwas verunsicherte. Ich ging zu Rosie und fragte sie, ob es für sie in Ordnung ist. Rosie war, wie immer, begeistert darüber auf Mara aufpassen zu dürfen. Wir machten uns auf den Weg zu Voxs Studio. Alter Erinnerungen tauchten auf. Wie wir hier früher langelaufen sind und besonders nostalgisch wurde ich, als ich meinen alten Radioladen daneben erblickte. Als ich daben Vox seinen sah, wurde mir erst so richtig bewusst, wie sehr ich in der Zeit stehen geblieben war. Ich erinnerte mich an den zweiten Grund, wieso ich kein Handy besaß, aber das konnte ich Vox niemals sagen. Ich konnte ihn zu der Zeit nicht ausstehen und da er der einzige Technikhändler hier unten war, war die Möglichkeit eins von ihm kaufen oder gar keins besitzen. Ich entschied mich für letzteres. Als er mir erklären wollte, wie was funktioniert, lehnte ich ab. Ich mag zwar in der Zeit hängen geblieben sein, aber hatte dennoch meinen Stolz. Mal abgesehen davon, dass das gar nicht so schwer war. Er tippte seine Nummer ein und schickte mir eine Test-Nachricht.

„Da wir jetzt ja sowieso schon hier sind, kann ich dich auch gerade mitnehmen." Der V-Tower war nicht weit von hier. Genaugenommen, waren die zwei Gebäude aneinandergebaut. Als wir ankamen, herrschte das reinste Chaos. Velvette schrie ihre Modelle zusammen und Valentino lief Amok. „Oh man" hörte ich nur Vox neben mir leise sagen. Mehr zu sich selbst als zu mir. Wir traten ein. Alle waren schnell ruhig, als sie uns sahen. Genauer genommen als sie mich sahen. „Nanu, wen haben wir denn da." Vel war etwas zu sehr horny für meinen Geschmack, aber das wusste ich auch schon davor. „Ist eine Weile her. Was machts du hier?" Velvettes sowohl bestimmende, aber auch pampige Stimme schallte in meinem Kopf wieder. „Al würde sich uns gerne anschließen" sagte Vox, noch bevor ich etwas sagen konnte. „Jetzt auf einmal?" Valentino klang kritisch und misstrauisch. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Velvette überlegte kurz, bevor sie sprach. „Hm. Also ich hätte nichts dagegen." Sie schien sogar erfreut zu sein. Auch Valentino ließ sich davon mitziehen. „Wartet, bevor ihr euch entscheidet, solltet ihr noch wissen, dass ich eine kleine Tochter habe. 2 Jahre alt." Das sollte ich ihnen nicht vorenthalten. Sie waren dennoch einverstanden. 

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