Countdown

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Blaue Augen.
Blonde Haare.
Das Muttermal auf meinem Hals...

Die einzigen drei Sachen, die ich an mir wiedererkannte, als ich in den Spiegel sah.
Nike hatte ganze Arbeit geleistet...
Unfassbar!
Für jemanden, der sich eigentlich nie schminkte, absoluter Wahnsinn.
Meine Wimpern schienen unendlich lang durch den Mascara, der schwarze Kajal ließ meine Augen wie die einer Raubkatze wirken.
Es war genau die richtige Kombination zwischen natürlich und etwas provokant.

„Du trägst ja gleich die Maske, Liebes. Deshalb habe ich bei den Augen ein wenig mehr genommen."
Nike stand hinter mir und bändigte meine dicken Haare mit dem Glätteisen, bis sie mir glatt wie Flachs über mein Dekolleté fielen.
„Uuh, was hast du denn hier gemacht?", fragte sie mich und zeigte auf den blauen Fleck an meinem linken Oberarm.
„Ach das...., ja ... das war Alex".

Ich sah Nike im Spiegel vor mir und wie ihre Augen immer größer wurden.
Fast panisch...
„Nein, nicht so wie du denkst! Ich war heute Morgen im Schlosspark joggen und wir sind sozusagen ineinander gerannt. Also er in mich, weil ich ihn nicht gehört habe, aber er meinte, er hätte vorher extra Vorsicht gerufen, nur meine Musik war einfach zu laut und....", ich redete ohne Luft zu holen .
Nike sah mich an und unterdrückte mit Mühe ein Prusten.
„Was?", drehte ich mich um und sah sie irritiert an.

„Guck mal bitte in den Spiegel, du bist total rot!"
Sie lachte, zog das Glätteisen aus der Steckdose und räumte alles auf.
„In dreißig Minuten kommt unser Taxi, zieh dich in Ruhe um, ich warte unten auf dich!"
Ich stand im Schlafzimmer vor meinem großen Spiegel und zog meinen Morgenmantel aus.
Alles war glatt rasiert, gewachst, gepeelt und eingecremt.
Ich war bereit ...
Zumindest physisch.

Vorsichtig nahm ich das Geschenk von Nike aus der Schachtel und streife es über. Der Slip fühlte sich an wie ein Hauch von Nichts. Zärtlich liebkoste der Stoff meine Haut und bedeckte sie an den richtigen Stellen.
Einen BH ließ ich weg.
Wozu?
Ich musste ihn ja doch gleich wieder ausziehen.
Schnell schlüpfte ich in meinen schwarzen Jumpsuit, knotete ihn im Nacken zusammen, zog den einzigen schwarzen Schuh mit Absatz an, den ich überhaupt besaß und sah ein letztes Mal in den Spiegel.

Mit meiner Handtasche unter dem Arm ging ich vorsichtig nach unten.
Ich hasste es auf Absätzen zu laufen!
Nike bewegte sich damit so elegant und sicher, aber ich?
Wie ein Elefant.
Nike stand schon im Flur und machte große Augen, als sie mich sah.
„Ich wusste es, du siehst heiß aus !Wirklich ...".
Da mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit fast ein bisschen unangenehm war, zog ich schnell meine warme Jacke an.
Ich war einfach nur noch aufgeregt!
Die Küche war nicht aufgeräumt, im Wohnzimmer lag noch Wäsche und der Trockner lief wetterbedingt im Dauerzustand. Mir blieb jetzt keine Zeit mehr, mich darum zu kümmern.
Das Taxi stand schon vor der Tür und ich dachte gerade noch daran, einen Haustürschlüssel einzustecken.

Nike hakte mich einfach unter und ich zog die Tür hinter mir zu. Gemeinsam liefen wir zum Taxi und seufzten beide, als uns die warme Luft im Innenraum empfing.
Die Fahrt dauerte kaum fünfzehn Minuten.
Wisst ihr wie lang sich fünfzehn Minuten anfühlen können, wenn man auf etwas wartet?
Aber wie schnell vergehen fünfzehn Minuten, wenn man vor etwas Angst hat!
Ich hätte mir gewünscht, das Taxi würde nie anhalten...
Meine Hände waren schweißnass und ich spürte, wie unruhig mein Magen war .

Wir fuhren im Schritttempo auf den riesigen, alten Industriekomplex zu. Die lange Auffahrt wurde hell erleuchtet, das Gebäude selbst blieb dunkel, schwarz, magisch...
„In einer Stunde ist hier der Bär los, glaub mir!"
Dessen war ich mir augenblicklich noch nicht bewusst. Ich hatte ja keine Ahnung, was mich hier erwartete!
Der Taxifahrer hielt an, nannte uns die Summe, die wir bezahlen mussten und vor Schreck über die Tatsache, dass wir jetzt wirklich da waren, spürte ich, wie mein Mittagessen sich überlegte, den Weg nach draußen zu suchen.

Ich hielt Nike kurz an der Hand fest.
Nein, festkrallen traf es besser.
„Nike, ich glaub,ich kann das nicht, ich ....".
Mein Herz hämmerte unruhig in meiner Brust, aber nicht so freudig wie heute Morgen im Park.
Das hier war die blanke Panik!
Nike beugte sich zu mir und ich roch ihren süßen Duft nach Vanille. Mit kühlen Lippen küsste sie meine linke Wange.
„Du kannst, Liebes!", beugte sich auf die andere Seite, um dort ebenfalls die Wange zu küssen,
„und du wirst, Liebes!Keine Angst!".

Damit war die Entscheidung gefallen.
Der Taxifahrer trommelte genervt auf sein Lenkrad und sah uns durch den Innenspiegel mit säuerlicher Miene an.
Nike stieg aus und hielt mir ihre Hand hin.

„Komm,Katharina", fordere sie mich ganz lieb auf und ich stieg aus.
Sie ließ meine Hand nicht los und blickte zum Himmel.

„Je dunkler die Nacht,desto heller die Sterne".

Gemeinsam gingen wir auf das ECLIPSE zu und ich musste fast laut lachen.
Fackeln säumten uns den Weg zum Eingang. Ich mochte Feuer!
So hell und heiß, so unbeständig und zerstörerisch.
Es fühlte sich für mich gerade allerdings an, wie der sprichwörtliche Weg in die Hölle.

Nike begrüßte die nette Dame an der Kasse und stellte sie kurz vor.
„Katharina, das ist Maria. Die gute Seele des Ganzen hier. Ihren Augen entgeht nichts und du kannst immer zu ihr kommen, stimmts?"
Während ich sah, wie Maria ein schwarzes Armband um Nikes Handgelenk legte, musterte ich die Frau ganz unauffällig.
Wahnsinn, wie alt mochte sie sein? 60 ??
Maria spürte meinen Blick sofort und beantwortete meine Frage ohne zu zögern.
„Ich bin 65 Jahre alt, Schätzchen. Du hilfst Stella also ab heute mit, sehr schön!"

Auch mir legte sie ein schwarzes Armband um und erzählte, dass ich es gleich für meinen Spind bräuchte.
Rot = Spieler
Schwarz = Zuschauer
Ich musste gestehen, ich war ziemlich froh darüber, dass Nike ein schwarzes Armband trug.
„Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn etwas ist", gab sie mir noch mit auf den Weg.

Ich ging hinter Nike in die Umkleidekabine und sie schloss leise die Tür. Außer uns war hier noch niemand und Nike begann ohne groß darüber nachzudenken, sich auszuziehen.
Mit großen Augen starrte ich sie an, wie sie selbstverständlich ihr schwarzes Kleid auf einem Bügel in den Schrank hängte und mit Nichts als einem azurblauen hauchdünnen Spitzenstring vor mir stehen blieb. Wie selbstverständlich zog sie die Maske über ihr wundervolles Gesicht und lächelte mich an.
„Also ich bin fertig und du?"

Sie machte mir keinen Druck, sah mich aber trotzdem aufmunternd an.
Katharina, sie hat schon alles von dir gesehen...
Da ich Stella nicht länger warten lassen wollte, tat ich es Nike gleich. Jumpsuit aus, alles ordentlich in den Schrank, Maske auf.
„Kannst du mir bitte helfen Nike? Ich bin einfach zu aufgeregt!"
Ich gab ihr meine Maske und Nike zog sie mit ihren zarten Händen über meinen Kopf. Anschließend legte sie meine glatten Haare vorne und hinten über meinen Körper.

Nike stand jetzt hinter mir und gemeinsam blickten wir mit unseren schwarzen Masken in den Spiegel, die nackten Oberkörper im krassen Vergleich zueinander.

Schmal und knabenhaft.
Kurvig und reifer.

Der Countdown lief in meinem Kopf...

„Komm, Liebes", und Nike küsste leicht mein linkes Schulterblatt.

3...

Meine Brustwarzen reagierten auf Nikes Berührung.

2...

Der blaue Fleck an meiner Schulter würde mich die ganze Nacht an Alex erinnern.

1...

Let the show begin, Katharina...

Keine Angst, Liebes ! ( Dritter Teil )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt