Warum fallen wir?

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Dumpfe schnelle Schritte.

„Katharina?", eine schrille, laute Stimme.

Hände, die vorsichtig meine nackte Haut berührten...

Mir die Maske vom Gesicht nahmen...

Der Bass dröhnte in meinen Ohren.

„Ganz ruhig, alles ist gut", eine beruhigende Stimme direkt neben mir...

„Was hat sie getrunken?"...

„Scheiße, was ist hier los?"...

„Katharina, mach deine Augen auf."...

Der Boden war hart und klebrig. Ich fühlte, wie mir jemand etwas auf den Oberkörper legte.

„Katharina? Kannst du mich hören?Versuch mal deine Augen zu öffnen."

Ich kannte diese Stimme. In meinem Kopf drehte sich alles und mir war übel!
Meine Augenlider fühlten sich so schwer an und das wattige Gefühl im Kopf ließ einfach nicht nach. Ich merkte, wie meine Beine nach oben gehalten wurden und mir jemand etwas Süßes in den Mundwinkel schob.
Die Musik wurde lauter, ich hörte die Masse jolen und klatschen.

„Sie bekommt wieder mehr Farbe, sehr gut. Schön tief Luft holen Katharina. Es ist alles gut. Du bist bloß kurz ohnmächtig geworden."

Ganz vorsichtig hob ich meine Augenlider und brauchte einen Moment, um mich zu orientieren.
Dieses wunderschöne Gesicht, mit den endlosen blonden Haaren, sah mir direkt in die Augen.
„Nike? Wo warst du die ganze Zeit?", brach mir die Stimme und ich fühlte , wie mir eine einzelne Träne über die Wange lief.

Verdammt, ich lag hier platt wie ein Pfannkuchen hinter der Bar auf dem Boden. Ging es noch peinlicher?
Stella, Nike, Dominik, Elias...
Sie alle standen um mich herum und sahen mich besorgt an.Dominik hielt die ganze Zeit tapfer meine Beine.
„Geht schon wieder", und ich entzog sie ihm , um mich langsam aufzusetzen.

„Macht bloß weiter, was sollen denn die Leute von uns denken," sagte ich mich schwacher Stimme.
Alle sahen mich besorgt an und ich brauchte noch einen Augenblick, um wieder aufstehen zu können.
„Hier, trink mal was", und Stella reichte mir ein Glas Cola.

Mein Blick fiel auf das feine, filigrane Tattoo unter Stellas Schlüsselbein.

live • laugh • love

Sie machte es genau richtig!
Sie ließ sich nicht von etwas kaputt machen, was ihr Leben fast zerstört hätte.

„Leute, es geht mir gut! Ich hab heute einfach noch nicht so viel gegessen und vielleicht war der Shot von eben zu viel."
Stella sah mich an und ich musste an das denken, was sie vorhin noch zu mir gesagt hatte...
Du kannst alle belügen...

So sah es aus!
Ich belog sie alle und mich selbst!
Nike warf Stella einen wissenden Blick zu und bedeutete ihr damit, uns alleine zu lassen.

Inzwischen stand ich zumindest wieder auf beiden Beinen und trank meine Cola in einem Zug leer.
„Wo habt ihr denn meine Maske hingelegt?"
Nike sah mich an, als hätte sie nicht richtig gehört.
„Nicht dein Ernst? Katharina, ich habe mit Stella gesprochen, du kannst Feierabend machen. Es wird ab 03.00 Uhr sowieso langsam ruhiger und...".
„Sehe ich so aus, als ob ich jetzt Feierabend machen müsste?", und ich merkte, dass ich wütend wurde.

„Ja!"
Ruckartig drehte ich mich um und sah in Alexanders Gesicht.
Ich legte den Kopf schief und fixierte seine dämlichen, wunderschönen Augen.
„Und wer hat dich nach deiner Meinung gefragt?
Meine Schicht geht bis 05.00 Uhr und wenn ihr alle die Uhr lesen könnt, dann wisst ihr, wann ich Feierabend habe".

Ich stellte mich so nah es ging vor ihn, setzte mir demonstrativ die Maske wieder auf und strich meine Haare nach hinten.
„Ich ziehe das hier jetzt durch."
Was glaubte er, wer er war?
Erst verschwand er plötzlich wie vom Erdboden und dann tauchte er auf und meinte mir gute Ratschläge erteilen zu müssen.

Ich wollte mich schnell von ihm wegdrehen, als er meine Hand zu fassen bekam und sie kurz festhielt.
Sanft strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
Gott, ich mochte ihn!
Ich mochte es, dass er sich Sorgen um mich machte, denn das tat er, ich sah es an seinen Augen.
Sein Daumen zog kleine beruhigende Kreise und ich schloss für eine Sekunde die Augen.
„Was hat er zu dir gesagt, Katharina?", und sah mir fest in die Augen, als würde er dort Antworten auf seine Fragen finden.

Ich tat so, als hätte ich ihn nicht verstanden und entzog ihm meine Hand.
„Stefan...., was hat er zu dir gesagt?", wiederholte er langsam seine Frage.
Woher wusste er, dass Stefan mit mir gesprochen hatte?
„Stefan war hier ?", fragte Nike mich fassungslos.
Ich war den beiden keine Rechenschaft schuldig!
Schließlich hatten sie ja anscheinend ihren Spaß gehabt, während ich mich von meinem "Noch-Ehemann" wieder Mal beleidigen lassen musste.

Um nicht noch weiter untätig herumzustehen und Stella alleine mit den Leuten zu lassen, drehte ich mich um und ließ die zwei einfach stehen.
„Mir geht's besser, du brauchst gar nicht so zu gucken. Komm, die letzten zwei Stunden schaffen wir jetzt auch noch."
Zwei Stunden trennten mich von 500 Euro, die ich verdammt noch Mal dringend brauchte.

Wir waren ein super Team!
Ich konzentriere mich auf die Bestellungen, spülte Gläser und versuchte nicht mehr in Alexanders Nähe zu kommen.
Ich blendete ihn einfach aus!
Stella und ich lachten mit den Leuten an der Bar, und ich ging tatsächlich auf die ein oder anderen Flirtversuche ein.
Warum auch nicht?
„Wieso tust du das, Katharina?", fragte mich Stella kurz vor Feierabend. Wir fingen langsam an, alles aufzuräumen und abzuwischen.

„Was meinst du damit?", konnte ich ihr erst nicht ganz folgen.
„Warum lässt du es nicht zu, dass sich andere Menschen um dich Sorgen machen? Nike und der andere Typ.... ?"

Warum?

„Weil ich nicht mehr weiß, wie das ist, Stella!"
Um nicht weiter darauf einzugehen, erledigte ich alles, was noch getan werden musste und machte pünktlich um 05.00 Uhr Feierabend.

Gemeinsam ging ich mit Stella in die Umkleidekabine und zog mich um. Während ich schnell in meinen Jumpsuit schlüpfte, war sie noch kurz duschen gegangen und rieb sich jetzt die Narben mit etwas Salbe ein.
„Shit", hörte ich sie leise fluchen. Ich merkte , dass sie Schmerzen hatte.
„Kommst du zurecht, Stella?", fragte ich sie vorsichtig.
„Klaro, war wirklich super mit dir, Katharina!"

Wir verabschiedeten uns und ich ging nach draußen. Es war sternenklar und eiskalt. Die großen Fackeln brannten noch hell und außer mir, wartete nur noch eine Hand voll Leute auf ein Taxi.
„Fahren wir zusammen zurück?"
Alexander stand plötzlich hinter mir und hüllte mich mit seiner Wärme ein.
Ich drehte mich nicht um.
Gib ihm eine Chance, Katharina!
Bitte....., flüsterte mein Unterbewusstsein.

Kaum spürbar lehnte ich mich mit meinem Rücken an ihn und wollte nur ein paar Sekunden seine Nähe genießen.
„Ich war die ganze Zeit da, Katharina! Ich wollte es dir vorhin erklärt haben, aber du warst so wütend", sprach er leise an meinem Ohr und vergrub leicht seine Nase in meinem Haar.

Ich seufzte stumm und wünschte mir, wir könnten hier einfach stehen bleiben. Ganz langsam schloss er seine Arme um mich und hielt mich fest .

Körperwärme.
Nähe.

Trotzdem ging mir nur eine Sache durch den Kopf....
Ich machte die Augen auf, blickte suchend zu seinem Handgelenk und fand die Antwort auf meine Frage.

Rot...

Keine Angst, Liebes ! ( Dritter Teil )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt