Faszination ( POV Alexander )

118 12 11
                                    

„Es gibt kein zufälliges Treffen. Jeder Mensch in unserem Leben ist entweder ein Test, eine Strafe oder ein Geschenk."

„Mir tut es nicht leid!"

Die Blitze des Stroboskoplichtes zuckten unablässig über Katharinas fast nackten Körper. In Mitten der Menschenmenge, die sich befreit zu den harten Beats der Musik bewegten, stand sie vor mir und sah mir in die Augen.
Endlos wirkende Wimpern umrahmten ihre blauen Augen, die durch die schwarze Kontur des Kajalstiftes wie die einer Raubkatze aussahen.

Ihr Blick glitt weiter über meinen nackten Oberkörper zu meinem Tattoo. Wieder suchten ihre Augen meine und die Erkenntnis darüber, dass sie wusste, wer vor ihr stand, ließ ihre Pupillen noch größer werden.
Durch die schwarze Maske lag der Fokus des Betrachters fast völlig auf den Augen und dem Mund.

Ihre Lippen öffneten sich und ich sah, wie sie zitternd Luft holte. Mit der Zunge glitt sie zaghaft über ihre Unterlippe und befeuchtete sie wieder und wieder.
Sieh ihr nur in die Augen, Alex...!
Und das tat ich!
Ihr denkt vielleicht gerade, dass ich irgendein gestörter Typ bin, der Katharina auf Schritt und Tritt verfolgt.
Die Sorge kann ich euch nehmen. Das Treffen im Park heute Morgen war reiner Zufall!

Nachdem Katharina und ich uns morgens im Schlosspark beim Joggen getroffen hatten, waren wir in Ruhe mit unserem Kaffee zurück zu unseren Rädern gelaufen und hatten über Gott und die Welt gesprochen.
Sie hatte mir völlig verunsichert erzählt, wie aufgeregt sie wegen heute Abend war und dass sie Angst hatte, es nicht zu schaffen.

Durch den Besuch auf der Homepage konnte ich mir ja zumindest ansatzweise vorstellen, was einen im ECLIPSE erwartete. Zu dem Zeitpunkt allerdings, als sie im Park völlig verschwitzt mit Wollmütze und dem neuen Laufshirt vor mir gestanden hatte, mit Spuren von Kakaopulver in ihrem rechten Mundwinkel, konnte ich sie mir hier noch nicht vorstellen!
Ich wollte sie dort eigentlich nicht ungefragt berührt haben, schließlich hätte es ja auch genauso gut ein Hinweis getan.

Aber ich konnte nicht anders!
Ich wollte nicht anders...
Ich hatte völlig aus dem Bauch heraus reagiert und so sanft und vorsichtig es ging, ihren Mundwinkel berührt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ihr das Gefühl kennt, wenn man jemanden trifft oder kennengelernt hat und diese Person einem nicht mehr aus dem Kopf geht...
Wenn man hofft, in irgendeiner Form wieder und wieder Kontakt zu dieser Person zu bekommen...
Wenn der Gedanke an diesen Menschen das erste ist, mit dem ihr morgens wach werdet..
Wenn man das Handy zum gefühlt hundertsten Mal in die Hand nimmt, eine Nachricht schreiben möchte und es dann doch wieder weglegt...

So ging es mir mit Katharina!
Sie faszinierte mich schon von dem Moment an, als sie vor ein paar Wochen aus Wut fast gegen den Rasenmäher getreten hatte.
Diese wunderschöne, dickköpfige, kluge Frau.
Mit Anfang 40, bei meinem Beruf und dem, was ich letztes Jahr mit Rebecca erlebt hatte, fing man an, jeden Tag zu leben, so gut es ging.

Deshalb war ich nicht wirklich böse darum, als mein Kollege André mich gegen sieben Uhr angerufen hatte,  um zu fragen, ob ich nicht Bock hatte, hierher mitzukommen.
Mia war total begeistert davon gewesen und hatte sich blitzschnell bei einer Freundin zum Übernachten angemeldet.
„Viel Spaß Papa und mach keinen Blödsinn", waren ihre Worte zum Abschied.
Mach keinen Blödsinn...

„Hast du Lust ganz kurz etwas mit mir zu trinken?", fragte ich sie und musste dafür etwas dichter an sie heran, weil die laute Musik sonst fast meine Worte verschluckte.
Wann immer Katharina und ich uns in irgendeiner Weise getroffen hatten, begleitete sie der süße Duft von Mandeln und ich hielt ihn in meiner Nase fest.
Symbolisch zeigte ich auf meine Bierflasche und deutete mit dem Finger zu der rot beleuchteten Bar, von der aus ich sie gemeinsam mit ihrer Freundin Nike schon eine Weile beobachtet hatte.

Unsicher sah sie von mir auf die Bierflasche und da ich wusste, was ihr gerade durch den Kopf ging, beruhigte ich sie.
„Alkoholfrei, Katharina", und lächelte sie an.
Sie nickte und formte mit ihren Lippen ein stummes okay.
Gemeinsam schoben wir uns hintereinander durch die Menschenmenge, vorbei an Frauen und Männern, die entweder tanzen, sich hin und her wiegten oder einfach nur eng umschlungen dort standen und sich leidenschaftlich küssten.
Die Welt um sich herum vergessend.
Welch wunderbares Gefühl...

An der Bar angekommen, sicherten wir uns dicht gedrängt einen Platz, direkt neben ihrer Freundin Nike.
„Ich habe aber nicht viel Zeit, in zwanzig Minuten ist meine Pause vorbei!", rief sie mir laut zu.
Nike drehte sich freudig, aber nicht mehr so ganz nüchtern zu Katharina um und umarmte sie.
„Heeeyy meine Schöne, du machst das wirklich toll. Wir haben die ganze Zeit auf dich aufgepasst, stimmts , Alex?"
Katharina sah von Nike zu mir. Wirkte sie eben noch sicher und selbstbewusst, so spürte man jetzt nichts mehr davon. Mit großen Augen fixierte sie zwei Frauen und einen Mann, die keine zwei Meter von uns entfernt etwas abzogen, dass einem Vorspiel sehr nahe kam.

„Süße, ich komme später wieder zu dir, ich will noch kurz zum Hörsaal."
Mit einem strengen Blick gab sie mir zu verstehen, dass ich aufpassen sollte.
In welcher Form auch immer...

„Was kann ich euch denn Gutes tun", fragte mich der Typ hinter der Bar.
„Katharina? Weißt du schon, was du möchtest?".
Ihr Blick fixierte die drei Leute, die sich neben uns augenscheinlich völlig entspannt amüsierten.
„Tequila".
Ein Wort.
Ohne den Blick von dem sinnlichen Trio abzuwenden, das durch die rot beleuchtete Bar noch mehr in Szene gesetzt wurde, warf sie mir das Wort quasi vor die Füße.
Okay...
„Einen Tequila und für mich ein Bier, bitte."

Völlig in Gedanken berührte sie immer wieder den blauen Fleck an ihrer linken Schulter.Sie strich in langsamen Bewegungen über die handflächengroße , blauverfärbte Stelle.
Unsere Getränkte standen vor mir und ich versuchte Katharina vorsichtig aus ihren Gedanken zurückzuholen.
„Wollen wir?", und zeigte auf unsere Getränke.

Hätte man mir vor acht Wochen erzählt, was in den folgenden dreißig Sekunden passieren würde, hätten ich denjenigen für verrückt erklärt.

Katharina drehte sich langsam zu mir um und nahm die Zitronenscheibe vom Shotglas.
Sie befeuchtete damit den Handrücken zwischen Daumen und Zeigefinger.
„Weißt du Alex, was mich gerade richtig ankotzt", fragte sie und streute dabei etwas Salz auf die angefeuchtete Stelle.
Anschließend sah sie mir direkt in die Augen.
„Es kotzt mich so dermaßen an, dass ich seit heute Morgen ständig an dich denken muss...", warf sie mir wütend entgegen, zog ihre Maske etwas weiter nach unten, leckte das Salz ab ,kippte den Tequila in einem Zug runter und biss in die Zitronenscheibe.

Ein winziger Tropfen suchte sich den Weg über ihre Unterlippe, weiter zu ihrem Kinn. Ich sah, wie ihre Zungenspitze den Tropfen schnell einfing und blickte wie gebannt auf ihren Mund.

„Und es kotzt mich noch mehr an, dass ich nichts dagegen tun kann!", vollendete sie ihren Satz und knallte verärgert das Shotglas auf den Tresen.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sich Katharina um.
Ich sah noch, wie sie kurz mit ihren Fingern unter dieses verdammte weiße Spitzenhöschen hakte und dabei leicht über ihren Po strich.

Mit beiden Händen stützte ich mich am Tresen ab und schüttelte den Kopf.
Verdammt....
Der Typ hinter der Bar grinste wissend.
„Tequila?"

Keine Angst, Liebes ! ( Dritter Teil )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt