9. Kapitel

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T's Sicht:

26 Minuten nach 18 Uhr. In ungefähr einer halben Stunde würde mein „Schüler" wie gestern hier im Club ankommen. Ich hatte vorhin noch gemütlich ge"früh"stückt und darüber nachgedacht, was Raii und Lena mir geraten hatten, obwohl sie mir ja geraten hatten nicht so viel nachzudenken. Ich tat es dennoch. Ich konnte mich wirklich nicht erinnern in Bezug auf Ardian in diesem Gespräch irgendetwas positives gesagt zu haben, dennoch befolgte ich den Rat meiner besten Freundinnen. Mein Vorsatz war wirklich mal auf Augenhöhe mit ihm zu kommunizieren. Ihn nicht von oben herab zu behandeln, sondern wie jemanden, den ich gerade durch Zufall kennen gelernt hatte. Mein eigenes Training hatte ich gerade abgeschlossen und war nun dabei meine Sportsachen gegen andere zu tauschen, die nicht durchgeschwitzt waren. In meinem Spind befanden sich noch eine weiße Sweathose und ein schwarzes, eng geschnittenes Shirt mit V-Ausschnitt.Gerade als ich meinen Kopf durch die Öffnung des Oberteils schob betraten Alex und Felix die Umkleideräume. Ich hatte kein wirklich enges oder gutes Verhältnis zu den beiden. Andere freundeten sich mit ihren Arbeitskollegen an, doch bei mir war das anders. Es lag einfach daran, dass sie ihren Beruf nicht sonderlich ernst nahmen, zumindest für mein Verständnis von ernst nehmen. Für manche mag es übertrieben sein, wie viel ich trainiere und mich reinhänge, aber ich hielt es für notwendig und ich liebte es. Sabrina erklärte mich manchmal für verrückt, vor allem wenn ich mir eine neue Show ausdachte (das tat nämlich jeder für sich selbst) hing ich manchmal nächtelang im Trainingsraum und probte, kombinierte und bastelte meine Choreographie zusammen. Die beiden begrüßten mich knapp und wandten sich dann an ihre Schränke um sich für ihr Training umzuziehen. In der heutigen Stunde würde ich Ardian die Bühne näher bringen. Er wird einige Ausdauerübungen machen, indem er sich von Ecke zu Ecke bewegt, vorzugsweise mit Tanzschritten. Ansonsten hatte ich geplant seine Konzentration zu steigern. Mehrere Reize auf ihn einprasseln lassen während er tanzt. Ansonsten würde ich schauen, in wie weit er sich vielleicht, durch das gestrige Training und meine Verbesserung an seiner Haltung, wirklich verbessert hat, denn ich musste Sab' eine Prognose stellen, wie schnell er für die Arbeit im Club bereit wäre. Mit meiner Hand fuhr ich noch einmal durch meine Haare und fasste sie erneut in einem kleinen Zöpfchen am oberen Hinterkopf zusammen. Anschließen schloss ich die Schranktür und verließ ohne ein Wort der Verabschiedung den Raum in Richtung Bühnenareal. Praktischer Weise war für Felix' Show heute Abend eine gigantische Uhr an der Bühnenrückwand angebracht worden, die sogar die korrekte Uhrzeit anzeigte. 18.47 Uhr. Ungefähr 10 Minuten noch, doch ich hatte mir nicht mal annähernd irgendwelche Gedanken dazu gemacht, was ich zu Ardian sagen wollte. Sowas wie „Hey tut mir leid wie ich mich verhalten habe" kam nicht in Frage... es tut mir ja nicht mal leid, ich wollte es nur ändern. Also vielleicht eher sowas wie „Ich würde gerne nochmal von vorne anfangen", wobei das auch irgendwie nicht richtig klingt... „Mein Verhalten dir gegenüber war von Anfang an blöd" auch nicht. Ich hatte mich auf den Rand der Bühne gesetzt, ließ meine Füße hinab baumeln und hing meinen Gedanken nach. Ich werde wahrscheinlich einfach freundlicher und besser gelaunt sein, das sollte die Situation von Beginn an entspannen.
19.07 Und der Typ ist immer noch nicht da. Ich wollte ihm auf Augenhöhe begegnen, ich habe es wirklich versucht, doch wenn er selbst zu dumm dazu ist pünktlich hier zu sein. Da geht mir echt der Draht aus der Mütze. Ich lief schon die letzten sieben Minuten auf und ab um meinen Puls möglicherweise ein wenig näher an den Normalzustand zu bringen, doch meine Gedanken gaben keine Ruhe. „Inkompetenter, unzuverlässiger Bastard!", ich murmelte nicht, nein, ich schrie es förmlich aus mir heraus und ließ mich anschließend wieder auf den Rand der Bühne fallen. Ardian hatte schon nur eine Stunde für sein Training, bis die Show begann. Im Trainingsraum wäre es nicht schlimm wenn wir überziehen würden, heute jedoch waren wir auf der Bühne und der Trainingsraum belegt, weshalb wir pünktlich fertig sein mussten. Das Geräusch einer Tür ließ mich aufsehen, aus Hoffnung er wäre vielleicht angekommen, doch es war nur Sab', die von einigen Erledigungen zurück war. „Na wo ist denn dein Schüler?", lachte sie mir nur entgegen. Ich wank ab und antwortete: „Frag einfach nicht okay, ich bin sowieso schon auf 180, der Typ bekommt es nichtmal gebacken pünktlich zu sein. Wie kann man nur so unorganisiert und du-", wieder öffnete sich eine Tür und ein ausgelaugter Ardian betrat den Raum. Mit einem gut gelaunten Taddl war es auf jeden Fall vorbei. „Los Bora geh dich umziehen. Jetzt steh da nicht so dumm herum, beeil dich. Wir haben wegen dir noch weniger Zeit als eh schon, klar!" Ein Blick auf die Uhr in meinem Rücken verriet mir, dass er circa eine Viertelstunde zu spät gekommen war. Inklusive Umziehen also zwanzig Minuten weniger Training.

Ich entschied das Ausdauertraining ein anderes Mal weiterzuführen und ihn lieber in seiner Konzentration zu schulen. Nachdem er aus der Umkleide gerannt war und ohne hochzusehen fast in mich herein, stellte ich einen Holzstuhl in die Mitte der Bühne, mit dem er interagieren sollte. Ich zeigte ihm eine einfache Abfolge von Standartschritten, welche er in einer Schleife wiederholen sollte, während ich ihn mit Fragen „bombadierte" Die Art der Fragen variierte. Ich fragte ab und zu privatere Dinge über seine Freunde oder seine Familie und auch subtile Dinge übers Wetter und so weiter. Nach einiger Zeit bekam ich selbst nicht mehr mit welche Fragen ich stellte, ich hing meinen Gedanken nach und sprach spontan Dinge aus, die mir in dem Moment in den Kopf kamen. Manchmal stellte ich Anforderung an seine Perfomance, zum Beispiel, dass er das Tempo erhöhen oder verzögern sollte. Einige Fragen stellte ich sogar doppelt. Jeder normale Zuhörer, mit welchem mein ein Gespräch führt würde einen unterbrechen und sagen ‚Das hast du mich eben schon gefragt, bist du dumm?' oder so etwas in der Art, aber Ardian musste es hinnehmen und beantworten, denn hätte er über etwas anderes nachgedacht, wäre er sicherlich aus dem Konzept gekommen. Es war ungefähr eine halbe Stunde in dieser Art des Trainings vergangen, als ich plötzlich einen dumpfen Aufprall hörte und zusammenschreckte. Ich zog einen stoß Luft ein und sah erschrocken zu Adrian. Er lag auf dem Boden und hielt sich den Rücken, auf welchen er offensichtlich gefallen war. „Was machst du denn für einen Mist?" - „Ähm meinst du die Frage... also soll ich die Frage beantworten?" - „Hatte ich dir nicht von Anfang an gesagt, dass du ohne Ausnahme jede Frage beantworten sollst?!" - „Ja, ja hast du... äh okay, also ich bin Single." Während er antwortete sah er peinlich berührt auf seine Füße. „Gut dann steh wieder auf und - warte was? Ich war in Gedanken. Welche Frage hatte ich dir gestellt?" - „Den genauen Wortlaut weiß ich auch nicht mehr, aber inhaltlich hast du nach meinem Beziehungsstaus gefragt, beziehungsweise ob ich einen Freund habe... Ist es so offensichtlich, dass ich auf Männer stehe?" - „Was? Nein ich meine, nicht wirklich, ich hätte nicht damit gerechnet. Auf jeden Fall hatte ich kein Vorurteil auf Grund deines Aussehens oder so... Oder auf Grund der Tatsache, dass du hier arbeiten willst." - „Okay gut. Ich bin keine Schwuchtel, also schon irgendwie, aber ... ach ich weiß es auch nicht." Er sah wieder auf den Boden. Ich verspürte Mitleid. Ich wusste nichtmal, warum. Er brachte kein Mitleid auf Grund seiner sexuellen Orientierung, das war kindisch. „Willst du noch weiter machen? Ansonsten können wir auch Schluss machen, vielleicht was trinken, an der Bar bei Tobi?" Er sah von unten zu mir auf und ich hielt ihm die Hand hin, damit er aufstehen konnte. „Wenn das in Ordnung ist?" - „Nein du Spast ich biete dir das einfach nur aus Spaß an. Jetzt steh auf!" Zusammen machten wir uns auf den Weg zur Bar und ich bestellte zwei Gin Tonic. Wie immer eigentlich. Tobi mixte die Drinks und wir setzten uns auf die Barhocker. Wir nahmen gerade unsere ersten Schlücke als sich die Tür zum Personalbereich öffnete. Sab' ging in Richtung Bühne, bis sie uns entdeckte. „Na habt ihr schon fertig trainiert? T den Bericht kannst du mir morgen geben. Ach übrigens kommen Raii und Lena morgen um neue Werbefotos und so weiter zu machen. Euch beide werden sie wohl auch brauchen, zumindest wenn ich die Anspielungen der beiden verstanden habe, du weißt ja wie sei sind. Ich muss jetzt mit Felix reden. Schönen Abend euch noch und bis morgen." Und da war sie so schnell wie sie gekommen war auch schon wieder weg.
„Dann sind wir morgen wohl Fotomodels.", entgegnete ich Ardy und lachte. Vielleicht konnte ich jetzt mal auf Augenhöhe mit ihm sprechen.

Tj_BEASTBOY {slow updates}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt