Adriana 27

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Wilson wartete, bis ich mich gesetzt hatte, bevor er sprach. Der Stuhl, auf dem ich Platz nahm war komfortabel. Er war aus dunklem Holz gefertigt, die Sitzfläche und Rückenlehne mit Stoff gepolstert.

Sein Blick ruhte ruhig auf mir, als wollte er jedes Detail meiner Haltung und Mimik erfassen. „Adriana," begann er, sein Ton freundlich, aber mit einer unterschwelligen Autorität, „schön, dass du mir Gesellschaft leistest."

Während er sprach, ging ich in Gedanken die Fakten durch. Woher kannte er meinen Namen? Er wusste jetzt schon mehr, als ich bisher von mir preisgegeben hatte. Das bedeutete, er hatte nachgeforscht. Meine Fingerspitzen streiften unwillkürlich über die glatte Holzfläche des Tisches, als wollte ich mich an etwas Greifbarem festhalten.

Ich erwiderte seinen Blick, nahm aber nicht sofort an. Meine Stimme war ruhig, kontrolliert. „Als hätte ich eine Wahl."

Ich wollte sehen, wie er auf meine Worte reagieren würde, ob er Anzeichen von Rechtfertigung, von Schuld oder gar Bedauern zeigte. Doch Wilson umging meinen Vorwurf geschickt.

„Manchmal, Adriana, wird uns die Wahl nicht wirklich genommen – sie wird uns lediglich erleichtert. Das solltest du doch am besten wissen, nicht wahr?" Seine Stimme war butterweich, aber seine Worte waren scharf wie ein Skalpell.

Seine Aussage traf einen empfindlichen Nerv. Bei Farmacia aufzuwachsen bedeutete, dass mir das Spenden meiner Zellen praktisch aufgezwungen wurde. Niemand hatte mich jemals gefragt, ob ich das überhaupt wollte. Es war einfach beschlossen worden, als wäre meine Entscheidung irrelevant.

Anstatt eine Antwort abzuwarten, deutete Wilson mit einer einladenden Geste auf die dampfende Teekanne in der Mitte des Tisches. „Tee? Es ist ein besonderer Jahrgang, handgepflückt in den Bergen von Uji. Ich denke, du wirst ihn genießen."

Ich nickte, während ich versuchte, mein Gesicht ruhig zu halten. „Gerne", sagte ich und setzte mich einen Moment lang zurück, um die Atmosphäre aufzusaugen.

Der Tee würde mich von innen wärmen. Die kühle Brise, die manchmal unter meine Kleidung kroch, ließ mich frösteln, obwohl die Sonne mit voller Kraft vom Himmel brannte.

Wilson goss mir Tee ein, und während er sich damit beschäftigte, fiel mein Blick auf seine Hand. Der Ärmel seines Jacketts verrutschte leicht, und ich konnte die dunklen Spitzen eines Tattoos erkennen, das sich bis zu seiner Hand zog.

Das ließ mir sofort den Atem stocken. Cruor-Träger durften keine Tattoos haben, weil die giftigen Farbstoffe ins Blut gelangen. Diese Farbe könnte das Cruor beeinträchtigen und die Fähigkeit zu spenden. Wenn Wilson also ein Cruor-Träger wäre, hätte er niemals ein Tattoo. Und dennoch hatte er eines.

Das bedeutete eindeutig, dass er keiner war. Ich starrte ihn einen Moment lang an, während ich versuchte, die Information in meinem Kopf zu ordnen. Nichts, was ich bisher über ihn wusste, passte wirklich zusammen – es gab keine klare Verbindung zwischen ihm und Farmacia, die Sinn ergab.

Schließlich konnte ich nicht länger stillhalten. „Ich weiß, dass du Ware von Farmacia umgeleitet hast", konfrontierte ich ihn direkt, ohne um den heißen Brei zu reden. „Du hast dafür gesorgt, dass sie bei dir landet und nicht bei den Patienten, für die sie eigentlich bestimmt war. Warum?"

Wilson legte die Teekanne behutsam ab und sah mich ruhig an. Seine Miene war undurchdringlich, als ob er genau gewusst hätte, dass dieser Moment irgendwann kommen würde. Doch dann, fast beiläufig, lehnte er sich entspannt zurück.

„Ich hatte tatsächlich gedacht, es würde noch ein wenig länger dauern, bis wir zum Punkt kommen", sagte er mit einem Hauch von Belustigung in seiner Stimme. „Aber da ich an einer Zusammenarbeit mit dir interessiert bin, werde ich es dir erklären."

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⏰ Letzte Aktualisierung: 4 days ago ⏰

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