Helena 16

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Ich saß in einem sterilen Raum. Das weiße Licht der Deckenlampen warf kühle Schatten auf den Boden. Mein Herz pochte unregelmäßig, während ich auf dem Untersuchungstisch saß und auf Dr. Oren wartete. Sein Name stand auf einem kleinen Schild an der Tür.

Die Tür öffnete sich leise, und Oren trat ein, ein freundliches Lächeln auf den Lippen. „Guten Morgen, Helena", sagte er beruhigend und begann, mir Anekdoten zu erzählen, um mich abzulenken. Ich nickte ihm nervös zu und versuchte, mein Zittern zu unterdrücken.

Er ging zu einem kleinen Tisch mit einer Reihe von medizinischen Geräten und begann, Handschuhe anzuziehen. „Wir werden neben der wöchentlichen Untersuchung heute eine Blutabnahme durchführen, um deine Werte zu überprüfen", erklärte er mir. Ich schluckte schwer und nickte erneut.

Dr. Oren kam zu mir und legte mir sanft ein Gummiband um den Arm. Ich hielt den Atem an, als ich spürte, wie die Nadel meine Haut durchdrang. Ein kurzer Schmerz durchzuckte meinen Arm, bevor er wieder nachließ. Ich war gezwungen wegzusehen und fixierte meinen Blick auf die gegenüberliegende Wand.

Oren arbeitete schnell und geschickt, und bald war die Blutprobe entnommen. Er entfernte die Nadel und legte einen Verband über die Einstichstelle.

Während Oren leise aufräumte, beruhigte sich mein Puls langsam. Dass die wöchentlichen Untersuchungen bei Farmacia dazugehörten, hatte ich schnell gelernt. Früher hatte ich keine Angst vor Arztbesuchen oder Spritzen. Ich wusste unterbewusst, dass alles in Ordnung sein würde, und ließ die Untersuchungen deswegen über mich ergehen.

Doch nun hatte sich das mit den hier verbundenen Operationen geändert. Jeder Besuch bei Oren ließ mich zusammenzucken, wenn ich auch nur den kleinsten Verdacht hatte, dass es wieder hieß: „Du kommst als potenzielle Spenderin in Frage."

Diese Untersuchung bei Oren war mehr als nur eine routinemäßige Blutentnahme. Sie war eine Nachuntersuchung nach der gestrigen Operation, eine Gelegenheit für Oren, nach meinem Zustand zu sehen und sicherzustellen, dass alles gut verlaufen war.

Die Erinnerungen an die Operationen hatte ich sorgfältig in einen Karton gesteckt, den ich zugeklebt und in meinem hintersten Gedankeneck versteckt hatte. Auch wenn mir bewusst ist, dass es nicht die klügste Methode ist, damit umzugehen, weiß ich, dass es die einzige Möglichkeit für mich ist. Denn als ich versuchte, offen darüber zu sprechen und mich zu erkundigen, wie es für die anderen Crour-Träger ist, habe ich schnell verstanden, dass es ein totgeschwiegenes Thema ist.

Nur Oren fragte mich einige Male, ob die Operationen nicht nur äußerliche, sondern auch innere Auswirkungen hätten. Ich antwortete ihm natürlich ehrlich, merkte aber, dass er nicht wirklich etwas dagegen tun konnte. Okay, das stimmte nicht ganz, da er mir eine Therapiestunde angeboten hatte, die ich zuerst vehement ablehnte. Doch schließlich schickte mich Oren doch hin.

Der Therapeut war dann leider so gut, dass er feststellte, dass ich eigentlich nicht wirklich therapiert werden muss. Meine Probleme wären gelöst, wenn ich nach einer Operation nicht mehr kotzend aufwachen müsste.

Danach habe ich tagelang heulend in meinem Zimmer verbracht, um zu bemerken, dass das meine Probleme auch nicht löst. Deshalb habe ich dieses Kapitel in meinem geheimen Karton verstaut.

Wenn der Karton dann doch mal Risse bekam, bin ich in den Kampfring oder alleine an den Boxsack gegangen, um mich auszupowern. Ich habe den Kampfsport liebgewonnen, weil er meine Gedanken aufhören lässt zu kreisen. Außerdem habe ich schnell bemerkt, dass ich Muskeln aufbaue, routinierter werde und in den letzten Kämpfen auch mal austeilen und nicht nur einstecken musste.

Auch wenn ich Cora, eine andere Crour-Trägerin, anfangs als seltsam empfand, hatte sie mich nach einiger Zeit herzlich empfangen. Auch Adriana, meine Mentorin, gesellte sich fast zu jeder Mahlzeit zu mir und Cora. Auch wenn sie sehr schweigsam ist, ist sie für jeden Witz zu haben. Manchmal verschwinden die beiden von der Bildfläche und ich habe wieder das Gefühl, allein in dieser riesigen Welt zu sein – so wie die letzten zwei Tage.

CruorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt