Adriana 20

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Ich lag in meinem Bett und starrte an die Decke, während die gestrige Recherche immer wieder in meinen Gedanken aufblitzte. Ryan und ich hatten stundenlang zusammengesessen und das gesamte Internet durchforstet, verzweifelt auf der Suche nach dem James Wilson.

Der Name war zu verbreitet, und wir liefen immer wieder in dieselben Sackgassen: unzählige Profile, endlose Verzeichnisse, zahllose falsche Spuren.

Plötzlich packte mich eine unerwartete Energie, und ich sprang aus dem Bett. Mein Körper war müde von der langen Nacht, doch mein Geist war wach und scharf. Unruhig trugen mich meine Beine durch mein Zimmer, und ich fand mich schnell in einem Zustand zwischen nervöser Anspannung und dem panischen Bedürfnis, hier herauszukommen.

Da begann mein Handy zu klingeln. Mein Blick wanderte durch das schlichte, weiße Zimmer, bis mein rotes Handy als einziger Farbtupfer auf dem Nachttisch ins Auge fiel. Mit einem Schritt griff ich danach und sah auf das Display: „Ryan" stand in großen Buchstaben darauf.

Der Gedanke, dass ich Ryan besser nicht hier und jetzt anrufen sollte, schoss mir kurz durch den Kopf, doch mein Daumen war schneller. Bevor ich es richtig wahrnahm, hatte ich bereits abgehoben und das Handy ans Ohr gehoben.

„Hey, ich hab—" setzte Ryan an, doch ich unterbrach ihn hastig und flüsterte: „Ryan, was ist los?"

Mein Herzschlag beschleunigte sich. Eigentlich wusste ich genau, dass jeder Anruf von hier aus riskant war. Farmacia konnte innerhalb dieses Gebäudes jeden Datenaustausch überwachen – und ich war mir dieser Tatsache durchaus bewusst.

Doch in diesem Moment hatte ich diesen Gedanke schon längst verbannt. Mein benebelter Verstand klammerte sich nur noch an die Möglichkeit, dass Ryan einen entscheidenden Hinweis gefunden hatte und wir keine Zeit verlieren durften.

„Also ... Adriana, ich hab darüber nachgedacht. Ich glaube, wir verfolgen die Sache falsch." Seine Stimme war kühl und überlegt. „Wir kommen bei James Wilson nicht weiter, weil wir überhaupt keine klaren Informationen über ihn haben. Kein Gesicht, kein Hintergrund, nichts."

Mein Herzschlag beschleunigte sich. „Was willst du damit sagen?" flüsterte ich, obwohl ich die Richtung bereits erahnte.

„Ich meine, wir können James nicht direkt suchen, weil da nichts ist, woran wir uns festhalten können. Das ist wie eine Phantomjagd." Er sprach ruhig, fast als wollte er mir ein zu hohes Tempo ausreden. „Also müssen wir über jemand anderen an ihn herankommen. Über eine Person, die uns eine Spur hinterlässt."

Ich biss mir auf die Lippe. Ryans Logik war immer scharf und nüchtern. Und in meiner Situation war das fast beruhigend, obwohl seine Worte die Problematik nur noch dringlicher machten. „Und wie stellst du dir das vor?"

Am anderen Ende herrschte kurz Stille, dann fragte er leise: „Sag mir, Adriana ... wie bist du überhaupt an den Namen James Wilson gekommen? Wer hat ihn dir gegeben?"

Ich verspannte mich, spürte, wie sich mein Griff um das Handy verkrampfte. „Ryan, das ... das kann ich dir nicht sagen." Meine Stimme war flach, tonlos, obwohl innerlich die Erinnerungen an Yuko Hiro aufwallten.

„Das kann ich nicht sagen", wiederholte ich leise. Er brauchte nicht zu wissen, dass Hiro den Namen erwähnt hatte, bevor er für immer zum Schweigen kam. Zu viel stand auf dem Spiel.

Ich hörte, wie Ryan seufzte. „Wenn du mir nicht sagen kannst, woher du den Namen hast, Adriana ..." Sein Tonfall wurde kühl. „... dann weiß ich nicht, wie ich dir helfen soll."

Ich schwieg, in mir das Wissen, dass ich ihn gerade enttäuschte. Doch er war noch nicht fertig. „Aber ich gebe dir noch einen Tipp. Wenn du willst, dass wir diesen Mann finden, dann such nach Verbindungen zwischen ihm und der Person, die dir seinen Namen gegeben hat. Es gibt immer einen Faden, verstehst du? Irgendetwas muss die beiden miteinander verbunden haben."

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