5. Kapitel

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Nachdem alle eingeteilt worden waren, das große Essen beendet und Dumbledore noch ein paar Worte gesprochen hatte, wurden wir in unseren Gemeinschaftsraum geführt. Und eins fiel mir sofort auf. Ich würde mich in diesem Schloss hundert pro verlaufen. Ich hatte noch nie einen guten Orientierungssinn gehabt, geschweige denn überhaupt Einen besessen.

Während alle Anderen schon in ihre Schlafräume gingen, setzte ich mich vor den Kamin. Ich fand die Atomsphäre wundervoll. Es war ruhig, das Feuer knisterte und ich konnte den Tag kurz revue passieren lassen. Kaum zu glauben, dass ich heute Morgen noch beim Grimmauld Platz Nr.12 war und jetzt, jetzt war ich in Hogwarts. Meinem neuen zuhause. Und allein der Gemeinschaftsraum versprühte mehr Geborgenheit als das ganze Haus meiner Familie. Mir kam wieder in den Sinn, was Mutter und Vater nun tun würden. Noch wussten sie hoffentlich nicht, dass wir nicht in Slytherin, sondern in Gryffindor waren. Sie würden völlig ausrasten, uns womöglich enterben. Ich zitterte bei dem Gedanken. Ich konnte die Beiden zwar nie wirklich leiden, doch sie waren immer noch meine Eltern, meine Familie. Und Regulus erst. Er würde vermutlich nie wieder mit uns sprechen und diese Vorstellung machte mir mehr Angst als die Schläge und eventuellen Flüche von Vater. Unsere Beziehung war zwar nicht sehr eng, aber ich hatte ihn trotzdem gern. Immerhin war er mein kleiner Bruder.

Ich stand auf und begab mich in meinen Schlafsaal. Fünf große Betten mit Vorhängen und ein paar Schränke standen darin. Außer mir waren noch Lily Evans, Marlene McKinnon und Alice Lightwood im Zimmer. Die Fünfte fehlte noch. Ich atmete erleichtert aus. Immerhin waren es Leute, die ich kannte. ,,Hey, Lynn! Da bist du ja", rief Marlene von ihrem Bett aus. ,,Ja, hier bin ich", antwortete ich lächelnd und freute mich plötzlich unheimlich auf diese Nacht. Ich schlief zum ersten Mal außerhalb meines Zimmers und dann auch noch in einer herzlichen Umgebung mit, soweit ich sie bis jetzt beurteilen konnten, ziemlich netten Menschen. Voller Elan sprang ich auf mein Bett. Es war sehr weich und ich blieb einfach ausgestreckt liegen. ,,Hi, ich wollte mich nochmal ordentlich vorstellen. Vorhin im Zug war ich ja nicht wirklich nett. Also, ich bin Lily Evans und du?" Ich drehte den Kopf. Lily stand vor mir und hielt mir die Hand hin. Ich drehte mich auf die Seite, blickte sie an und gab ihr die Hand. ,,Lynn Black, schön dich kennenzulernen", sagte ich grinsend. Auch Lily schenkte mir ein Lächeln und schüttelte mir die Hand. Ein komisches Geräusch unterbrach die angenehme Stimme. Rupert, die kleine 'Pandaeule' saß außen vor dem Fenster und klopfte mit dem Schnabel gegen die Scheibe. Schnell hüpfte ich vom Bett und ließ meine Eule herein. Sirius musste wohl seinen Käfig im Zimmer haben, denn bei mir war nur mein Koffer. Rupert flog auf meinen Arm und hielt mir einen seiner kleinen Füße hin. Daran hing ein winziger Zettel, welcher so aussah, als wäre er von einem Umschlag eines Schulbuches abgerissen worden. Ich nahm den Brief und faltete ihn auf.

Hey Lynn, ich bins Sirius. Zum einen wollte ich dir sagen, dass Ruperts Käfig in meinem Zimmer ist. Und rate, wer noch da ist? Na, na? Rate! Okay, ich denke du hast geraten. Genau! Es sind Remus und James! Und noch zwei andere Jungs. Der eine heißt Peter Pettinfews oder so und der Andere Frank Longbottom. Die sind auch echt in Ordung. Wer ist bei dir so?

"Von wem ist das?" und "Ist das deine Eule?" waren die Fragen, die Alice und Marlene sofort an mich richteten. ,,Das ist die Eule von mir und Sirius und von ihm ist auch der Zettel", meinte ich. Darauf hätte ich wetten können. Wer sonst würde Papier aus einem Buch reißen, wenn er welches im Koffer hatte, wenn nicht mein Bruder. ,,Ist Sirius dein Bruder?"fragte Lily erstaunt. Ich nickte. ,,Ja, er ist mein Zwillingsbruder. Wieso?" ,,Na ja, du wirkst auf mich sympathischer als er, weiß nicht wieso", meinte sie und zuckte mit den Schultern. ,,Wie lieb von dir", lachte ich. Dann schnappte ich mir meine Feder und meine Tinte und schrieb auf der Rückseite seines Briefes an ihn zurück.

Na Sirius, hier ist Lynn. (Was zu erwarten war) In meinem Zimmer sind Marlene, Alice Lightwood und Lily, die aus dem Zug. Die Andere ist noch nicht da. Bis jetzt sind hier alle ganz gut drauf. Und Lily hat gesagt, ich komme sympathischer rüber als du! Womit bewiesen wäre, wer den Charm abbekommen hat.

Ich band Rupert den kleinen Zettel an den Fuß, strich ihm über den Kopf und ließ ihn dann zu meinem Bruder fliegen. Die Tür wurde aufgerissen und ein Mädchen kam herein. Ihr Haar war schulterlang, rotbraun und stand verwuschelt vom Kopf ab. Ihre Wangen waren stark gerötet und sie ließ sich sofort auf ihr Bett fallen, als sie es erreichte. ,,Hast du den Zug verpasst und bist hergelaufen?"fragte ich verwundert. So außer Atem konnte doch niemand vom Treppensteigen sein. ,,Ne, aber zweimal hoch und runter gerannt", prustete sie. ,,Ich bin übrigens Dorcas Meadowes", ergänzte sie. ,,Dorcas ist ein cooler Name, hab ich noch nie gehört. Ich bin Marlene und das sind Alice, Lily und Lynn... x", stellte Marlene uns vor. Dorcas winkte uns lachend zu. Sie schien ein sehr fröhlicher Mensch zu sein. ,,Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich bin verdammt müde", meinte Lily und gähnte demonstrativ. Die Anderen nickten zustimmen und so kam es, dass ich gegen einundzwanzig Uhr im Bett lag und mich auf den nächsten Tag freute. Der erste Tag mit Unterricht.

Das einzig Dumme war, dass ich absolut nicht schlafen konnte. Es waren nun mehr als eineinhalb Stunden vergangen, seit wir ins Bett gegangen waren. Ich hatte Lily im Schlaf reden gehört und Dorcas schnarchte so laut, dass man sie für einen alten, verschnupften Mann halten konnte. Genervt setzte ich mich auf. Schlaflose Nächte, wie ich sowas hasste. Leise schob ich den Vorhang an der einen Seite des Bettes zur Seite und lief zum Fenster. Die Nacht war ruhig und klar. Der Mond schien hell und erleuchtete das Schloss. Es war fast Vollmond. Während ich gedankenversunken aus dem Fenster starrte, machte mein Bauch ein komisches Geräusch. Und noch eins. Es klang nach einem bösartigen Grummeln. Ich lachte leise. Das war wieder so typisch für mich. Alle Anderen schliefen und was machte ich? Ich bekam Hunger. Leise wie eine Katze schlich ich zu meinem Koffer und schnappte mir die Reste der Süßigkeiten aus dem Zug. Dann lief aus dem Schlafsaal hinunter in den Gemeinschaftsraum. Dort setzte ich mich auf ein breites Fensterbrett, aß eine Kürbispastete und schaute weiter aus dem Fenster.

Etwa eine Viertelstunde später kam eine andere Person herein. Es war Remus. Ich musterte ihn besorgt. Sein Gesicht war weiß und die Narben darauf schienen dadurch noch mehr heraus zustechen. Er tigerte unsicher den Raum auf und ab, bis er sich auf einen Sessel fallen ließ. Er sah sehr krank und gereizt aus, was mich davon abhielt, ihn anzusprechen. Was war nur mit ihm los? Vorhin war er noch nicht so gewesen. Schließlich verließ ich mit meinen Süßigkeiten das Fensterbrett und setzte mich neben ihn auf einen Sessel. Er zuckte erschrocken zusammen. ,,Was machst du hier?"fragte er und ich meinte, einen leichten Anflug von Panik in seiner Stimme zu hören. ,,Ich esse einen Mitternachtssnack. Und du so?"erwiderte ich. ,,Ich kann nicht schlafen", antwortete Remus und fuhr sich durch die dunkelblonden Haare. ,,Du sieht... nicht gut aus", meinte ich nach einiger Zeit und versuchte es so wenig unhöflich klingen zu lassen, wie möglich. Er reagierte nicht. ,,Schokolade?"fragte ich und hielt ihm eine Tafel Zartbitterschokolade hin. Widerwillig griff er danach und brach sich ein Stück ab. Zwei Minuten nachdem er seinen Teil gegessen hatte schien er irgendwie gesünder als davor. ,,Geht's dir jetzt besser?"fragte ich vorsichtig. ,,Ja... irgendwie schon", sagte er und sah mich verwundert an. Wortlos drückte ich ihm die Schokoladentafel in die Hand. Die nächste halbe Stunde saßen wir schweigend nebeneinander und starrten die Glut im Kamin an. Schließlich fielen mir die Augen fast zu und ich verabschiedete mich von Remus. Müde tapste ich in mein Bett und schlief kurz darauf ein.

She's a Black || • HP Rumtreiber FF • BEENDET •Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt