22. Kapitel

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Es waren einige Tage vergangen, seit dem wir unseren nächtlichen Ausflug gemacht hatten. Wir hatten weder mit Remus noch mit sonst wem darüber geredet, nur Peter wurde eingeweiht. Er war ein sehr guter Freund der Jungs geworden und wich ihnen kaum von der Seite.
Ich musste mich sehr zusammen reißen, um Remus nicht ständig Fragen zu stellen, doch es gelang mir irgendwie. Zudem schaffte Marlene es, mich abzulenken. Mit lernen. Denn tatsächlich war es schon so weit, dass die Prüfungen kurz bevor standen. Genauer gesagt waren sie für morgen angesetzt, weshalb überall in der Schule die Spannung zu spüren war. Ständig sah ich Mitschüler von der Bibliothek in den Gemeinschaftsraum sprinten, ab und zu erklangen die verzweifelten Laute eines Nervenzusammenbruchs.

Und dann, ja dann war da noch lautes Gelächter. Sirius Black und James Potter kugelten außer Puste vor Lachen auf dem alten Dielenboden zwischen den Bücherregalen. "Könnt ihr euch nicht einmal benehmen?", zischte Lily, welche genervt ihre Augen verdrehte. James drehte sich abrupt zu ihr um, fixierte sie mit seinen dunklen Augen und sagte mit ernster Stimme: "Nein." Lily schloss kurz die Augen, atmete tief durch und gab James eine Backpfeife. Für einen kurzen Moment war es so ruhig im Raum, wie es sich eigentlich für eine Bibliothek gehörte. Rund zwei Dutzend Köpfe hatten sich zu den Beiden herumgedreht. Lilys Kopf wurde hochrot. James hielt sich verdutzt die Wange. Dann ertönte ein lauter Pfiff und Applaus brandete auf. Aus einer Ecke ertönten Jubelrufe.

"Ruhe! Was ist das für ein Lärm?" Mit schnellen Schritten kam Madame Pince, die Bibliothekarin, zu uns gelaufen. "James Potter schon wieder? Welch Überraschung. Und was Sie betrifft, Ms Evans, es gibt andere Wege und vor allem andere Orte, um seine Angelegenheiten zu klären", keifte sie wütend und mit geballten Fäusten. Lily sah aus, als würde sie gern vor Scham im Boden versinken, während James sich immer noch die Wange hielt. "Mr Potter, Ms Evans, begleiten Sie mich. Ich werde Professor McGonagall darüber unterrichten und für eine angebrachte Strafe sorgen." Ich zog eine Augenbraue hoch. Das war übertrieben. "Sie... Sie können mich doch nicht mit ihm allein in einen Raum sperren!", rief Lily verzweifelt und raufte sich die roten Haare. Mein Blick schnellte zu Sirius hinüber. "Na dann begleiten wir euch", grinste er und ich schloss zu ihm auf. Madame Pince blickte stirnrunzelnd zu uns hinüber. Es war wieder Zeit für eine unüberlegte, aber gut gemeinte Aktion von meinem Bruder und mir. "Wieso sollte ich Sie beide-", wollte sie fragen, doch ihr Satz ging in ihrem erstickten Schrei unter. Sirius und ich lehnten uns gleichzeitig mit voller Kraft und viel Schwung gegen ein Regal. Es wackelte bedenklich, dann fiel es mit einem lauten Knirschen, was eher wie ein schreckliches Kreischen anhörte, gegen ein anderes Regal. "Deshalb", erwiderte ich und hustete, denn das Regal hatte Unmengen von Staub aufgewirbelt. "Ihr hättet das besser überdenken sollen", meinte Remus noch warnend, dann fiel das nächste Regal um. Schreie erfüllten die Bibliothek, als die linke Reihe der Bücherregale wie Dominosteine umfielen. Ich hechtete auf die rechte Seite und zog Sirius mit mir.

Als sich der Staub gelegt hatte, war die Bibliothek ein einziges Chaos. Hunderte Bücher lagen auf dem Boden verstreut, Holzstücke säumten den Mittelgang und alles war mit einer feinen grauen Schicht überzogen. Glücklicherweise schien sich niemand verletzt zu haben, denn plötzlich lag der Fokus wieder auf mir und meinem Bruder. "Verflucht", raunte Sirius leise, als Madame Pince, welche einem Nervenzusammenbruch zu haben schien, in den höchsten Tönen zu kreischen begann. Instinktiv hielten sich alle die Ohren zu und krümmten sich. Ich hatte noch nie einen Menschen so schreien gehört.

"Silencio!" Mit einem Mal war es wieder still. Erst verwirrt, dann entsetzt schaute wir Madame Pince an, welche ununterbrochen den Mund bewegte und etwas zu sagen schien, doch kein Ton kam über ihre Lippen. "Wer war das?", ertönte eine bekannte Stimme und alle Schüler im Saal ließen sofort den Kopf sinken. Albus Dumbledore hatte die Bibliothek betreten. "Ihr habt meine Frage gehört. Wer ist hierfür verantwortlich?" Seine Stimme war ruhig, doch seine hellen Augen huschten unruhig hinter der halbmondförmigen Brille hin und her. Betreten stand ich auf und hob meine Hand. Sirius tat es mir gleich, ebenso wie James. Auch Remus meldete sich schüchtern. Er musste den Zauber gesprochen haben. Als Letzte gab Lily sich zu erkennen, obwohl es mich überraschte, dass sie es überhaupt tat. An der eigentlichen Katastrophe waren sie und James ja gar nicht beteiligt gewesen. Verstohlen schielte ich zu ihr , wie betroffen und verängstigt sie vor Dumbledore stand. "Mr Potter, Mr Lupin, Ms Evans und Mr und Ms Black, richtig? Ich hoffe, ihr habt eine gute Erklärung dafür. Kommt, folgt mir." Ohne Widerworte folgten wir dem Schulleiter und ich spürte die brennenden Blicke in meinem Nacken.

Das Büro von Albus Dumbledore war der beeindruckenste Raum, den ich jemals betreten hatte. Verglichen selbst mit dem Ballsaal und der uralten Bibliothek bei meinen Eltern. Er war mit hohen Regalen aus rotbraunem Holz vertäfelt, in welchen tausende Bücher standen. Auf Beistelltischen und Kommoden standen allerhand komische Dinge, dubiose Gegenstände und Bonbons. Der Schuldirektor thronte auf seinem Stuhl hinter dem gewaltigen Tisch. Sein langer Bart lag gefährlich nah neben einer flackernden Kerze. "Nun, wie erklärt ihr eure Randale?", fragte er sachlich. "Es war nicht meine Absicht, Professor! Es ist nur... Potter ist einfach unausstehlich und nervig, er hat keinerlei Benehmen oder Anstand und ich...", Lily rutschte Worte suchend auf dem Stuhl hin und her. Sirius starrte sie wütend an, während James bedrückt auf seine Hände blickte und nichts sagte. "Madame Pince wollte Lily und James, welche offensichtlich nicht miteinander auskommen, eine Strafe aufzwingen. Und Sirius und Lynn wollten ihnen helfen, haben es irgendwie zu gut gemeint und als die gute Frau dann angefangen hat zu schreien, musste ich etwas tun, sonst hätten Sie jetzt vermutlich einen Krankenflügel voll mit Schülern mit geplatzten Trommelfellen", erklärte Remus ruhig. Ich nickte und dankte Merlin stumm dafür, dass er Remus zu einem Redekünstler gemacht hatte. Dumbledore sah uns stirnrunzelnd an. "Mr Lupin, ich danke für die Schilderung. Und auch, wenn es sich nun weniger nach Rebellion als nach einem großen Missverständnis und loyalen Freunden anhört, werde ich irgendwas Unternehmen müssen. Ich denke, es ist nur gerecht, wenn Sie fünf einen Aufsatz mit dem Thema Randale der Poltergeister schreibt, welcher zusätzlich in die Endjahresnote eingehen wird." Ich schluckte und senkte den Blick. Es war gerecht, das wusste ich, doch morgen waren noch immer die Prüfungen, für welche ich auch noch lernen musste.

Ein paar Stunden später saßen wir vollkommen ausgelaugt auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum. Nur hockte Peter statt Lily bei der Gruppe. Diese war nach dem Gespräch mit dem Schulleiter fast in Tränen ausgebrochen und sofort davon gerauscht. Die Aufsätze hatten wir jedoch auch ohne sie fertig bekommen und auch für alle Fächer gebüffelt. "Leute?", fragte James in die Stille hinein. Ich hob den Kopf und Sirius sagte: "Hm?" "Bin ich wirklich so schrecklich?" Besorgt schaute ich ihn an. Hatten Lilys Worte ihn so mitgenommen? "Nein, du bist einsame Spitze! Lass dich davon nicht unterkriegen", rief mein Bruder sofort und umarmte den Jungen herzlich. "Ja, Lily meinte das bestimmt nicht so. Es war halt das erste Mal, dass sie wirklich Ärger bekommen hat", beschwichtigte Remus und legte seine Ausgabe von Rabenflüge von Emerich Dickons bei Seite. "Du bist ein toller Junge, James", sagte ich ehrlich und gähnte herzhaft. "Und definitiv nicht schrecklich", fügte Peter hinzu. "Danke", grinste James und streckte sich.

She's a Black || • HP Rumtreiber FF • BEENDET •Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt