20. Kapitel

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Professor McGonagalls Worte hatten tatsächlich gewirkt. Kaum zwei Tage nach der Ansprache war die Bibliothek voll mit Schülern verschiedenster Altersklassen. Nur meinen Bruder und James sah man hier nicht. War ja klar. Ich saß neben Remus und Marlene, während ich in einem dicken Buch über Zaubereigeschichte las. Die meiste Zeit des Unterrichts hatte ich nämlich geschlafen. Allerdings war ich nicht die Einzige. Sogar Lily hatte ich hin und wieder leise schnarchen gehört. Der Unterricht von Professor Binns war aber auch langweilig! Er schaffte es, selbst die interessantesten Ereignisse trocken und langsam vorzutragen, sodass man nicht anders konnte, als diese Grausamkeit zu verschlafen.

Irgendwann klappte ich das Buch zu und stöhnte. "Aua!", beschwerte sich Marlene neben mir und zog ihre Finger aus dem Buch. "Ups", grinste ich und sah mich um. Remus saß zusammengekauert neben mir und war sehr blass, seine Augen waren gerötet. "Hey, Remus. Geht's dir nicht gut?", fragte ich besorgt und er schaute auf. "Ich? Ähm, nein. Eigentlich geht es mir nicht gut", murmelte er. "Wir bringen dich in den Krankenflügel!", bot Peter an und ich nickte vehement. Doch Remus schüttelte den Kopf. "Nein, ich kann jetzt nicht. Ich muss für die Prüfungen lernen." Ich starrte ihn an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. "Meine Mutter hat immer gesagt, Gesundheit geht vor", gab Lily, die ebenfalls in unserer Lerngruppe war, ihren Senf dazu. Auch dies bestätigte ich mit einem Nicken. "Nein, lasst mal. Ich gehe heute einfach früher ins Bett." Und damit stand der dunkelblonde Junge auf, legte sein Buch weg und ging. Ich sah in die Runde. "Ich passe auf, dass er auch lebendig ankommt", meinte ich und lief ihm nach. Allerdings wollte ich nicht, dass er mich bemerkte. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass Remus nicht der Typ Mensch war, der es mochte, wenn sich Leute so um ihn scharrten oder ihn gar bemitleideten.

Also lief ich immer mit einigem Abstand hinter ihm. Ein paar Drittklässler sahen mich perplex an, da ich mich ab und zu an die Wand drücken musste, doch ich grinste sie nur an und lief weiter. Erstaunlicherweise ging Remus nicht in den Schlafsaal, sondern in den Krankenflügel. Grübelnd stand ich vor der Tür, als plötzlich etwas gegen mich lief. Ich schnellte herum, doch konnte niemanden erblicken. Doch ein leises "Pst!" war zu hören. Dann hatte ich einen Verdacht. Ich schlug mit meinen Armen in alle Richtungen, bis ich etwas zu fassen bekam. Ich zog daran und auf einmal standen Sirius und James vor mir. Ich hielt eine Art Decke in der Hand. "Ähm?", brachte ich hervor, doch in diesem Moment öffnete sich die Tür des Krankenflügels wieder und James warf schnell den Mantel über uns. "Ist das ein-", wollte ich fragen, doch Sirius hielt mir den Mund zu und James nickte knapp. Vor uns liefen Madame Pomfrey und ein kränklicher Remus durch den Gang. Wir setzten uns in Bewegung.

Eine gute halbe Stunde später war ich mehr als nur verwirrt. Wir waren durch viele Gänge gegangen, zwischen durch war es so dunkel, dass ich nicht einmal mehr den Boden hatte sehen können, und nun standen wir in einem alten Haus. Madame Pomfrey war wieder gegangen und hatte Remus mit den Worten: "Minerava wird dich morgen früh wieder abholen", allein im Haus gelassen. Wir gingen in einen angrenzenden Raum und Sirius zog den Mantel ab. "Seit wann habt ihr einen Unsichtbarkeitsmantel?! Und seit wann wolltet ihr das hier durchziehen?", fragte ich erstaunt. "Seit uns aufgefallen ist, dass Remus jeden Monat einmal verschwindet. Ganz blöd sind wir nun doch nicht. Und da ich ja so einen tollen Unsichtbarkeitsmantel zu Weihnachten bekommen habe, war die Situation relativ klar", erklärte James leise. "Aber was wolltest du eigentlich da?", fragte er dann. "Du hast so ein Ding bekommen und nichts gesagt? Wie gemein von dir... Und, na ja, er sah nicht so gut aus und ich wollte sicher gehen, dass er heil im Krankenflügel ankommt", flüsterte ich, immer noch den Umhang bestaunend.

Schmerzvolle Laute erfüllten die angespannte Stille. Wir zuckten zusammen und schauten uns um. Vorsichtig spähte ich in den Raum, in welchem Remus lag. Allerdings lag er nicht mehr auf dem alten Sofa, sondern auf dem Boden und krümmte sich. Der helle Vollmond schien gespenstisch durch die Lücken des zugenagelten Fensters. Remus' Gestalt veränderte sich. Alles an ihm zog sich länger, ihm wuchsen viele Haare und sein Kopf wirkte vollkommen deformiert. Wie gebannt starrte ich ihn an. Dann wurde ich an der Schulter nach hinten gerissen und Sirius rief: "Lauf!" Und dann lief ich. Hinter mir heulte Remus. Ich musste schlucken.

Ich hatte das Gefühl, in meinem Leben noch nie so schnell gerannt zu sein. Blindlinks war ich Sirius gefolgt, welcher die Stufen nach unten gesprintet war. Es roch sehr muffig und in eine der Wände war eine stabil aussehende Tür eingelassen. "Was jetzt?"fragt James panisch. Ich holte mit zittrigen Fingern meinen Zauberstab aus meinem Stiefel, dort bewahrte ich ihn fast immer auf. "Alohomora", sagte ich, wobei ich mehr darauf konzentrieren musste, vernünftig zu atmen. Die Tür schwang mit einem Quietschen auf. Dahinter erstreckte sich ein langer, pechschwarzer Gang. Hinter uns erklang erneut ein unheimliches Heulen. "Rein da!", zischte Sirius und schubste mich in die Dunkelheit. Ich krabbelte hastig durch die Schwärze, doch es schien kein Ende zu nehmen.
"Sind wir bald da?"fragte James und ich wusste nicht, ob ich nun darüber lachen oder die Augen verdrehen sollte. Er hatte gerade gesehen, wie sich einer seiner engsten Freunde in einen Werwolf verwandelt hatte und er fragte so etwas Banales? „Keine Ahnung, ich bin kein Stadtplan", erwiderte ich schnaubend.

Irgendwann stieß ich mit meinem Gesicht abrupt gegen etwas Hartes. "Autsch!", beschwerte ich mich, als sich Sirius auch noch auf meine Füße fallen ließ. "Sind wir jetzt da?", fragte James. "James Potter, halt doch einfach mal die Klappe! Ich habe keine Ahnung wo wir sind, wie wir hier wegkommen und was wir jetzt machen sollen, also reiz' mich nicht!", rief ich resigniert. Die Erde um uns herum dämpfte meine Stimme. "Tschuldige", murmelte er. "Lumos", ertönte plötzlich Sirius' Stimme und kurz darauf flammte ein Licht auf. Es war so hell, dass ich kurz die Augen schließen musste. Dann sah ich mich um. Wir schienen in einem Tunnel in der Erde zu sein; vor und über uns ragten ein paar Wurzel herab. "Was jetzt? Gibt es hier eine Art Tür?", fragte ich. "Keine Ahnung...", war die Antwort. Ich ließ mich gegen das Tunnelende, welches nur aus den Wurzeln eines Baumes bestand, fallen und stöhnte. Dann fiel ich nach hinten um.

"Was bei Merlins Bart...?", fluchte ich und drehte mich um. Mein Atem stockte kurz. Wir waren draußen. Kühle Nachtluft schlug mir ins Gesicht. Vor mir erstreckte sich eine große Wiese und darüber funkelten tausende Sterne am Himmel, der Vollmond zwischen ihnen. "Wie hast du das gemacht?", fragte James verwirrt, als wir aus dem Loch kletterten. "Absolut keine Ahn-", wollte ich antworten, doch in dem Moment riss mich etwas von den Füßen. Ich flog durch die Luft und schrie laut, als ich hart auf dem Boden aufprallte. Ich blinzelte die Tränen aus meinen Augen und sah mich nach Sirius und James um. James lag ein paar Meter von mir entfernt, doch Sirius wurde von einem Ast durch die Gegend geschleudert. "Der Baum lebt?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, denn die Antwort war offensichtlich.
"Hilfe!", brüllte Sirius. James war schon wieder aufgesprungen und mutig zum Baum gelaufen. Als Sirius das nächste Mal vorbei schwang griff er nach den Beinen meines Bruders und versuchte ihm zu helfen, doch stattdessen wurden sie nun beide in die Luft gehoben. "Lynn, hilf uns!", schrie er. Ich sah mich panisch um und griff nach ein paar Steinen neben mir. Dann begann ich sie auf den Baum zu werfen. Ich wusste nicht genau, was ich damit bezwecken wollte, doch etwas Besseres fiel mir nicht ein. Gerade als Sirius: "Das bringt doch nichts!", gerufen hatte, traf ein Stein den unteren Teil des Stammes und sofort erstarrte der Baum in seiner Bewegung. Kurz darauf fielen die beiden Jungen nach unten. Sirius hob den Kopf, seine Haare standen wirr in alle Richtungen ab. "Nie wieder", sagte er und ließ den Kopf wieder sinken.

She's a Black || • HP Rumtreiber FF • BEENDET •Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt