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Der Tag, hätte nicht verrückter werden können.
So dachte ich zumindest.
Ich kam zum Nachsitzen zu spät und da es fair sein müsste, schickte mich Jess nach dem Sauber machen der gesamten unteren Klassenräume, dass Putzzeug weg bringen(Kora wollte mir helfen, was ich aber sofort ablehnte, um viel zu viel hatte sie bereits gebeten).
Draußen war es bereits dunkel geworden und die Sperrstunde rückte unaufhaltsam näher.
Ich lief also beladen mit Eimer, Lappen etc. zur Hausmeisterkammer , die jetzt nicht mehr besetzt war , weil der Hausmeister vor weniger als Zehn Stunden Tod aufgefunden worden war wohl bemerkt.
Und ich zweimal schon als dessen Mörderin verdächtig wurde.
Bei jedem Geräusch zuckte ich zusammen.
In diesem Teil der Burg waren die Wände nicht vertäfelt worden und der kalte raue Stein verlieh dem Gang eine düstere Aura.
Es erinnerte an ein Spuckschloss.
Das erinnerte mich an die Geschichte, die Jess, Kora und mir einmal erzählt hatte.

'Vor langer, sehr langer Zeit war das hier keine Schule.'
Kora und ich saßen auf ihrem Bett und machten Hausaufgaben. Jess hatte bis eben noch auf ihrem Bett gelegen, mit einer komischen grünen Maske auf dem Gesicht und Kopfhörern in den Ohren.
Jetzt saß sie aufrecht und blickte uns eindringlich an.
"Ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern , an der diese Schule keine Schule gewesen sein soll." , sagte Kora Stirnrunzelnd.
"Vielleicht war es ja mal ein Folter Gefängnis und man hat hier die Sträflinge untergebracht." , murmelte ich. Überraschen würde es mich auf jeden Fall nicht. Und sollte dieses Zimmer noch so gemütlich erscheinen, Tatsache doch, dass diese Schule Leute in den Wahnsinn trieb.
"Sehr witzig Cassy, aber nein. Es heißt, diese Burg sei einst ein heiliger Ort gewesen."
Selbst Kora hob skeptisch beide Augenbrauen.
"Ein heilliger Ort?!"
Jess verdrehte die Augen. "Na, ein Tempel."
"Aha" , sagte ich nur und schüttelte den Kopf.
"Glaubt es oder glaubt es nicht. Fest steht, dass er damals durch ein Erdbeben halb zerstört worden sei und dass die hiesige Pristerin, sowie ihr heimlicher Verehrer unter dem Schutt begraben sein sollen."
"Sie wurden lebendig Begraben!?"
Kora holte erschrocken nach Luft.
"Das ist doch nur eine Geschichte.", murmelte ich. Und doch lief auch mir ein kalter Schauer über den Rücken.
"Ja, lebendig begraben und ich weiß nicht, ob das wirklich nur eine Geschichte ist. Sie sollen auf jeden Fall noch manchmal zu hören sein."
"Wer? Die Pristerin und ihr Lover?"
Jess nickte.
"Also nimmt euch bloß, vor dunklen Gängen in Acht."
Damit steckte sie sich die Kopfhörer wieder in die Ohren und legte sich zurück aufs Bett. Kora und ich hatten uns beide nur erschrocken angesehen, bis wir uns wieder unseren Hausaufgaben gewidmet hatten.

Tja und genau so einem Gang befand ich mich nun. Dunkel, unheimlich und düster.
"Es war nur eine Geschichte." Seit geraumer Zeit murmelte ich das schon, wie ein Mantra, vor mich hin.
Verflucht seist du Jess. Mir solche Flausen in den Kopf zu setzten.
Ich atmete auf, als ich bei der Tür zur Putzkammer ankam und erst da merkte ich, dass ich den Atem wohl die ganze Zeit angehalten hatte.
Ich solle alles einfach davor stellen, hatte Kora gesagt.
Ich wollte mich gerade umdrehen, um zurück zu gehen, als die Tür zur Putzkammer aufschwang und den Eimer mit dem Lappen und den Besen scheppernt ein paar Meter weiter geschleudert wurde. Ich konnte mich nicht daran hindern, zu schreien.
"Was für ein beeindruckendes Stimmen Volumen."
Ich schnappte nach Luft. Gallipoli trat aus der Kammer und lächelte mich amüsiert an.
"Willst du eintreten." Er machte eine ausholende Geste Richtung Kammer.
"In die Putzkammer?" Mein Herz raste immer noch. "Was machst du hier?" Rutschte es mir als zweites heraus. Es klang wie ein Vorwurf.
"Dich besuchen", er lächelte sein Großvater Lächeln.
"Dazu musst du mich so erschrecken?!" Jetzt klang es nicht nur so, es war ein eindeutiger Vorwurf.
Er zwinkerte mir zu.
"Wollen wir."
Schnaubend stapfte ich an ihm vorbei. Der Raum war eng und besaß das übliche Zeug zum putzen in den Regalen. "Und jetzt?"
"Gut festhalten." Er schloss die Tür und der Raum fing an, sich zu drehen. Als ich die Augen wieder öffnete, befanden wir uns nicht mehr in der Putzkammer, sondern in einer kleinen Engen Straße, in der reges treiben herschte. Ich schnappte nach Luft. „Sind wir..."
"So ist es, wir sind mitten in der Altstadt von Assindia."
"Was machen wir hier?"
Sein Blick wurde ernst. "Ich möchte das du jemanden kennen lernst."
"Jemanden kennen lerne?"
"Nun im Grunde genommen...Lass dich einfach überraschen." Er griff nach meinem Arm und zog mich vorwärts. Ich hatte nie die Gelegenheit bekommen, Assindia zu Fuß zu erkunden und musste feststellen, dass es wirklich die Stadt der Träume war. Besonders die Altstadt. Hier gab es keine richtigen Wohnhäuser, sondern nur unzählige kleine Gassen und alte Geschäfte, wie Stände. In den Schaufenster war lauter interessantes Zeug ausgestellt, wie eine Uhr zum Beispiel, dessen Zifferblatt nur aus komischen Zeichen zu bestehen schien. Oder in einem anderen, wo ein Öl Gemälde hing, das ständig sein Motiv wechselte. War es in einer Sekunde noch eine Wunderschöne Blumenlandschaft, war es in der nähsten ein Sternenhimmel. Und überall warne sie, die Elementare. Manche führten Tiere mit sich, wie einer Eule mit scharfen Zähnen oder einem Leoparden mit blauen, statt schwarzen Punkten. Ich wollte mir alles genauer ansehen, aber Gallipoli zog mich erbarmungslos weiter. "Später.", war alles was er dazu sagte.
Er schien die Gassen zu zählen und blieb dann bei der ungefähr 60 oder 61 stehen. Ich konnte nicht sagen woher, aber diese kam mir doch ziemlich bekannt vor. Er zog mich weiter und eine kleine altmodische Ladentür kam in Sicht, durch die mindestens schon 500 mal betreten und wieder verlassen hatte. Das konnte dich nicht wirklich...Gallipoli öffnete die Tür und trat in eine Raum ein, der schon sowas, wie zu meinem zweiten Zuhause geworden war. Eine große Weltkarte hing genau gegenüber dem Eingang, Reihe um Reihe von Regalen standen voller alter und neuer Bücher und aus dessen Reihen jetzt eine kleine rundliche Frau heraus kam, dessen schwarzes Haar von grauen Strähnen durchzogen wurde. "Du kommst spät, Liebes."

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