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Kan fasste sich stöhnend den Kopf, während er, mehr schlecht als recht, sich unsicher versuchte aufzurichten. Doch, je oft er es auch versuchte, er knallte immer wieder zurück. Als würde ihn etwas am Boden halten.
Als würde ihn etwas zwingen, am Boden zu bleiben.

Mein Kopf dröhnte. Jeder Nervenstrang in mir war zum zerreißen angespannt und das pulsieren in mir wuchs. Jemand packte mich hart an der Schulter. "Hör auf, du bringst ihn ja um!" Das war Saphires Stimme, aber als ich hoch sah, war da kein Gesicht, das ich identifizieren konnte. Genau genommen, war ich mir nicht mal mehr sicher, über das überhaupt noch ein Mensch war. Ihr Kopf, Nein, ihr ganzer Körper war eine Ansammlung aus Strängen und Knoten. Da war keine Haut, keine Knochen, nur blau leuchtende Stränge. Ich spürte wie ich blass wurde... und wie das pulsieren sich von der Stelle aus, an der sie mich anfasste, auf sie überglitt. Wie eine Viper, die man im Unterholz erst zu spät bemerkte, drang das pulsieren in Form violetten Lichtes in ihr Geflecht aus blauen Strängen, korruptierte es, bis-

Ich blinzelte. Saphires Hand glitt von mir ab, ihre Gestalt kehrte zur Normalität zurück, ihr Gesicht eine Groteske Maske von Furcht, Wut und einer grimmigen Befriedigung. Meine Augen wanderten nach unten, zu der herausragenden Klinge, die mein Herz nur um wenige Zentimeter verfehlt hatte. Es mochte verrückt klingen, aber ich spürte das kühle Metall in meinem Körper. Spürte, wie es durch Muskeln und Knochen schnitt, spürte, wie das Pochen meines Herzens das Metall zum vibrieren brachte. Als ich sicher war, dass das hier real war, drehte ich meinen Kopf so gut es ging nach hinten. Da stand Jade, der ängstliche Ausdruck von vorhin durch eisigen Zorn ersetzt.

Meine Knie gaben unter mir nach. Im Fall, zog sich die Klinge mit einem grauenhaften Geräusch aus mir zurück. Wie, wenn ein Metzger frisch geschnittenes Fleisch auf die Ladentheke klatschte. Ich spürte den Aufprall auf den Boden kaum, dafür aber die Kälte, die mich plötzlich erfasste. Meine Lieder flatterten, doch irgendeine Stimme in mir warnte mich, sie zu schließen.

Ich versuchte meinen Fokus auf irgendwas zu lenken und fand nur Kan, dessen Gesicht nicht besser aussah als meines sich anfühlte. Hohl wangig, schweißbedeckt und ohne einen Tropfen Farbe. Er sah mich blinzelnd aus zusammengekniffenen Augen an. Hasserfüllt. Jade beugte sich über ihn. Das blutige Schwert immer noch in der Hand. "Kan-", begann sie... und ging in Flammen auf.
Der Anblick war so plötzlich, so surreal, dass ich davon überzeugt war, wohl schon längst die Augen geschlossen und angefangen habe, zu träumen. Jemand schrie und ich beschloss, dass ich diese Art von Traum nicht mochte. Vielleicht würde ich Aufwachen, wenn ich die Augen schloss. Dunkelheit fasste nach mir und es kehrte Stille ein.

***

Erst war da dieser Puls gewesen. Wie ein schwaches vibrieren auf seiner Haut. Nicht viele Elementare waren dazu in der Lage, aber seine Familie zählte seit äonen zu den stärksten und Einzigen, die selbst winzige Mengen von eingesetzter Elementar-kraft spüren konnten. Dieses Talent hatte ihn vor mehr, als einem Attentat gerettet.

Der Puls war sehr schnell durch seine Wut in den Hintergrund gedrängt worden, als Cima den Vorschlag, Nein, den Befehl erteilen wollte, Sie ihm wegzu-
Cassandra auszutauschen. Seine plötzliche Wut war so groß gewesen, dass sie begann, sein ganzes Sein zu konsumieren und mit seinem Element zu verschmelzen. Er verlor die Kontrolle und es war ihm egal gewesen. In seinem Zorn, drang nicht mal mehr die besorgten Blicke seines besten Freundes zu ihm durch. Er hatte nicht geglaubt, dass ihn irgendetwas daraus holen könnte. Bis es ihn wie aus dem nichts traf. Eine leere. Ein Loch, so tief, so schmerzhaft, dass er das erste Mal in seinem Leben das Gefühl bekam, zu weinen. Dabei besaßen Feuer-elementare noch nicht mal Tränen. Jegliche Wärme verließ ihn, als ihn eine schreckliche Vorahnung überkam.

Innerlich zitternd wandte er sich der Tür zu, durch die Sie vor nicht allzu langer Zeit verschwunden war und hinter der er Vier Wärmequellen wahrnehmen konnte. Zwei von ihnen, schwanden mit rapider Geschwindigkeit. Nur eine davon, interessierte ihn.

Er setzte sich in Bewegung. Den Blick ausschließlich auf Die eine, nun auf der Boden liegenden, schwankenden Wärmequelle gerichtet. Die Tür war im Weg, also verschwand sie. Und offenbarte ihm ein Bild, welches ihm das Herz herausriss. Da war Sie. In der Pfütze ihres eigenen Blutes. Ihre langen, braunen Wellen verdeckten ihr Gesicht. Verwehrten ihm diese einzigartigen Violetten Augen, von denen er inzwischen jede Nacht träumte. Was war, wenn ihre Augen gar nicht mehr geöffnet waren. Was war, wenn sie sich nie wieder öffnen würden.

Er konnte plötzlich nicht mehr richtig atmen. Er versuchte es, aber der Schmerz, der sich in seiner Brust ausbreitete, ließ es nicht zu. Unter Zwang riss er den Blick von ihr los, suchte und fand, wonach er gesucht hatte. Der Junge lag am Boden, über ihn gebeugt eines der zwei Mädchen, in ihrer Hand ein Kurzschwert, mit einer Blutigen Klinge.

Etwas tiefes, dunkles und brodelndes begann sich, durch seine Eingeweide zu fressen und jede einzelne seiner Zellen zu erfüllen.
Hass. Purer, reiner Hass, wie er ihn noch nie verspürt hatte. Und einfach so, ging das Mädchen in dem Inferno seines Hasses in Flammen auf.

Nur beendete er es da nicht. Stattdessen sorgte er dafür, dass sie es spürte, wie ihr inneres, wie äußeres verbrannte. Er hielt sie am Leben, ließ sie eine Kostprobe jenes Schmerzes schmecken, welcher in ihm wütete.
Er wurde herum gerissen. "IGNIS!", brüllte ihn Cain an, als versuchte er schon lange, seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Er sah seinen besten Freund nicht. Stattdessen fiel sein Blick auf eine blaue Robe mit dem Wappen des Wassers darauf gestickt. Sein Herz machte einen Satz. Achtlos wollte er sich an Cain Osborne vorbeischieben, aber er war ein Erd-elementar und physisch gesehen um einiges Stärker. Er konnte ihn verbrennen. Er stand ihm im Weg, es wäre logisch, ihn aus dem Weg zu schaffen.
Er sah in Cains Augen, dass er das gleiche dachte, wusste, wie er. Und sich dennoch nicht vom Fleck rührte. Wie der treuherzig Freund, der er ihm immer gewesen war und wohl immer sein wird.

Die Anstrengung, seinen Hass lang genug zu unterdrücken, ließ ihn am ganzen Körper zittern. Doch er schaffte es, zumindest einen zusammenhängenden Satz auszusprechen. "Wenn sie stirbt, wird diese Schule bis auf seine Grundmauern niederbrennen." Und er wusste wirklich nicht, ob es da Enden würde.

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